Buenos Aires (AT) – Marcos Buscaglia gilt unter den lateinamerikanischen Ökonomen als einer der unabhängigsten und deshalb als einer der angesehensten im Peso-Land Argentinien. Regierungen, Präsidenten und Kandidaten haben es in den letzten Jahren immer wieder versucht, den einstigen Chefvolkswirt bei Citibank und Bank of America Merrill Lynch Latin America zu sich ins Boot zu holen. Der Doktor der Volkswirtschaft an der University of Pennsylvania wusste sich aber immer dem Bruderkuss der Mächtigen zu entziehen. Heute steht er Alberdi Partners vor, einem Beratungsunternehmen für politische und wirtschaftliche Marktanalysen in Lateinamerika. Regelmäßig analysiert er in der Zeitung La Nación den Stand und die Aussichten der argentinischen Volkswirtschaft. Seine Prognosen gelten Unternehmern wie Beobachtern als Pflichtlektüre. Im In- wie im Ausland. In seinem Beitrag vom Samstag erklärt Buscaglia warum eine massive Peso-Abwertung, eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit sowie das Einfrieren der Wirtschaftsaktivität kaum noch zu verhindern sein wird.
Weder Adressbuch noch Kettensäge
Der Ökonom hob wenige Stunden vor dem Auszählen der Stimmen hervor, dass es nicht nur lokale Unternehmer waren, die einen Sieg des Wirtschaftsministers Sergio Massa bis zum Sonntag vorzogen. Auch ausländische Investoren -insbesondere in Wall Street- hofften bis zur Stichwahl auf einen Staatspräsidenten Sergio Massa. Zu unklar und zu unberechenbar sei die Aussicht eines Javier Milei für die nächsten vier Jahre als Chef der Casa Rosada, hieß es im Ausland. „Der Markt bewertete bisher Javier Milei als Unsicherheitsfaktor mit sehr schwacher parlamentarischer Unterstützung. Außerdem verfügt er weder über Verwaltungs-Erfahrung noch über ein kompetentes Regierungsteam, das dieses Manko ausgleichen könnte“, kolportierte Buscaglia in La Nación die herrschende Meinung unter ausländischen Investoren in Wall Street.
Wall Street sah bis zum Wahlabend die Stabilität der Regierungsgeschäfte bedroht, sollte der libertäre Kandidat an die Macht kommen und seine berüchtigte Kettensäge-Politik zum Einsatz bringen wollen, berichtete Buscaglia.
Buscaglia hatte jedoch auch im Vorfeld des heutigen Sieges von Milei davor gewarnt, den Wert des Polit-Profis und networkers Massa – der Wirtschaftsminister ist häufiger Gast beim IWF in Washington genauso wie in den Büros von Investmentbankern und Konzern-Chefs in New York- überzubewerten. „Auch das vollste Adressbuch kann unsere Volkswirtschaft nicht mehr davor schützen, die Krise in ihrer vollen Wucht durchleben zu müssen. Sie wird uns ab sofort unweigerlich harte Entscheidungen abverlangen“, prognostiziert Buscaglia.
Das Ende der expansiven Geldpolitik
Nach dem Auszählen der letzten Stimmen, lassen sich für Buscaglia die Nöte einer kranken Wirtschaft nicht mehr verschleiern. „Mit negativen Devisen-Reserven von mehr als USD 11 Milliarden; einer Neuverschuldung von mehr als USD 20 Milliarden; galoppierender öffentlicher Ausgaben und einer Inflation, die in diesem Jahr 180% erreichen wird, bleibt keine andere Wahl, als den Peso abzuwerten und die öffentlichen Ausgaben anzupassen“, erklärt er.
Zum Vergleich: für das zweite Quartal 2023 berichtete jüngst die Statistikbehörde Indec eine Erwerbstätigenquote bei 44,6% und damit auf einem der höchsten Wert der letzten sieben Jahre. Demgegenüber lag die Arbeitslosenquote bei 6,2 %, die niedrigste Quote seit 2004.
Doch das Ende der expansiven Ausgaben- und der damit verbundenen Geldpolitik wird die Wirtschaftsdynamik nicht nur verlangsamen, sondern könnte sie zeitweise auch zum Stillstand bringen betont Buscaglia. Ein Anstieg der Arbeitslosenquote, das Einbrechen der Reallöhne sowie des Konsums seien ein nicht auszuschließendes Szenario erwartet der Experte.
Bleibt abzuwarten, ob Javier Milei als Präsident seine schärfsten Drohungen – eine Dollarisierung der Wirtschaft aber auch die Auflösung der argentinischen Zentralbank- tatsächlich umsetzen kann, wird und will. Nicht nur die unmittelbaren Notwendigkeiten einer maroden Wirtschaft wiegen schwer, auch die Opposition der erfolgsverwöhnten doch heute besiegten peronistischen Partei. Bei seiner Antrittsrede gab Milei erste Hinweise, dass er bezüglich der Zentralbank eventuell doch nicht auf ein Ende der Zentralbank setzt. “Wir werden ab Morgen unsere Konten in Ordnung bringen und die Zentralbank einordnen (sic)”, rief Milei seinen Anhängern auf der Straße zu.
Buscaglia empfiehlt deshalb den Blick am Montag morgen zunächst nach New York zu richten, wo die Investoren das vorerst letzte Schlusswort zur Wahl in Buenos Aires haben könnten.
Pequeños problemas en el art. sobre Buscaglia
Den Wert… überzubewerten NO ES ELEGANTE
galoppierender / galoppierenden
der frischgebackene Präsident TODAVÍA NO ES PRESIDENTE, ES EL ‘presidente electo’.