27. 02. 2024

Buenos Aires (AT) – Die argentinische Wissenschaft fühlt sich von der neuen Regierung von Javier Milei herausgefordert. Ein Grund ist die Entlassung von 50 Conicet-Mitarbeiter in den letzten Wochen. Der Verwaltungsrat der Organisation kündigte an, “die Veröffentlichung der Ergebnisse der Ausschreibung für Stipendien und Beförderungen zu verschieben, bis der endgültige Haushalt feststeht”.

Seitdem haben mehr als 10.000 im Wissenschaftsbereich Tätige ein Protestschreiben unterzeichnet, das an Daniel Salamone, den von Milei eingesetzten Vorsitzenden des Verwaltungsrates der staatlichen Forschungsförderagentur Conicet, übergeben wurde. Adressat war auch Alejandro Cosentino, Staatssekretär für Innovation, Wissenschaft und Technologie, wie das Nachrichtensender Amerika21 berichtete. 

Daniel Salamone ist der neue Leiter des Conicet. (quelle: conicet.com.ar)

Was ist das Conicet

Der Consejo Nacional de Investigaciones Científicas y Técnicas (Conicet – Nationaler Rat für Wissenschaftliche und Technische Forschung) ist die führende staatliche Organisation zur Förderung von Wissenschaft und Technologie in Argentinien. Im ganzen Land arbeiten hier rund 23.000 Forscher und Forscherinnen, 2.900 Techniker und 1.500 Verwaltungsmitarbeiter.

Das Conicet entstand aus der Notwendigkeit, eine akademische Einrichtung zu schaffen, die die wissenschaftliche Forschung und den technologischen Fortschritt in Argentinien fördern sollte. Heute spielt die Organisation eine Schlüsselrolle in ihrer Disziplin und stellt eines der wichtigsten Zentren für Entwicklung und Innovation des Landes dar. Zu seinen Errungenschaften gehören Medikamente zur HIV-Behandlung bei Kindern als auch im Kampf gegen Parkinson. Ausserdem, der Impfstoff “Cecilia Grierson”: Argentiniens Impfung gegen Covid-19. Laut mehreren Rankings gilt Conicet sogar als die beste wissenschaftliche Förderagentur Lateinamerikas, so Amerika21

Gegen den Markt, für die Wissenschaft

Die jüngst eingereichte Petition richtet sich gegen die von Milei angestrebte Marktorientierung der Forschung. Kritiker mahnen dahingehend die Herkunft der neuen Führung an: Staatssekretär Cosentino ist Betriebswirt, der im Banken- und Technologiesektor tätig war und Conicet-Chef Salamone ist Veterinärmediziner, der seine Forschung auf das Klonen von Tieren konzentriert und enger wissenschaftlicher Berater von Javier Milei. 

Der Konflikt eskaliert seitdem die Regierung die Zielvorgabe -wie an anderen Stellen der öffentlichen Verwaltung auch- ausgab, Institute, Labore und Forschungseinrichtungen müssen bei der Suche nach Fördermitteln und Privatkapital mitmachen. Salamone hatte sich in den letzten Woche dahingehend geäußert, das Conicet hätte zu viel Personal und “einer der großen Mängel darin besteht, dass die Investitionen allein vom Staat getätigt werden.”

Vom Verwaltungsrat wird insbesodere, Stipendien und Projektförderung wie bisher nach wissenschaftlichen Kriterien zu vergeben und bereits ausgewähltes Personal einzustellen. Ebenso sollen bewilligte Projekte weiter finanziert, Entlassungen zurückgenommen und eine Sonderzahlung zum Inflationsausgleich gewährt werden. 

Edificio Conicet, 2024
Hauptziel des Conicet ist die Förderung, Planung, Organisation und Verbreitung wissenschaftlicher und technologischer Aktivitäten in den verschiedenen Wissensgebieten in Argentinien (Foto: Mincyt y Cultura).

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Javier Mileis Position kommt allerdings nicht als Schock. Nach den Vorwahlen (Anm. d. Red.: den sogenannten PASO) im letzten Jahr hatte Milei über das Conicet gesagt: “So wie es heute existiert, sollte es geschlossen werden”. Der libertäre Präsident erklärte mehrmals während des Wahlkampfs, dass er die wissenschaftliche Entwicklung des Landes in den Händen des privaten Sektors belassen wolle. Die Drohung, das Conicet zu privatisieren oder gar zu schließen, scheint mittlerweile vom Tisch zu sein. 

Die Mittelkürzungen und die geplante Neuausrichtung gefährden Teile der Wissenschaftsproduktion des Landes führten nun zum Protestbrief und zu Demonstrationen. Das Vorgehen der Regierung zeige es handele “sich nicht um ein Länderprojekt, sondern um einen Geschäftsplan, für den Wissenschaft und Technologie nicht erforderlich sind. Wissenschaft und Technologie brauchen Investitionen”, erklärtre etwa Diego Hurtado, Physiker und ehemaliger Planungssekretär der Nationalen Atomenergiekommission (2019-2023) gegenüber der Zeitung Página12

Angesichts dieses Szenarios haben sich knapp 200 Conicet-Führungskräfte seit Jahresbeginn zu der Initiative “Netzwerk der Autoritäten in Wissenschaft und Technologie“ (Rede de Autoridades en Ciencia y Tecnología, Raycit) vereint. Auch Mitglieder von Universitäten und anderen Instituten beteiligen sich. Raicyt bietet Rechtsberatung, hat Ausschüsse eingerichtet und versucht nun, im Kontakt mit Presse und Parlamentarier:innen Lobbyarbeit zu betreiben.

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