30. 10. 2024

Buenos Aires (AT) – Vor einigen Wochen wurde Alberto Pinter zum neuen Vorsitzenden der Österreichischen Handelskammer in Argentinien gewählt. Pinter kennt sich in komplexen wirtschaftlichen Kontexten mehr als gut aus. Seit mehr als zwei Jahrzenten führt er die argentinische Niederlassung des österreichischen Dichtungsherstellers Klinger. Das Unternehmen ist seit 1971 in Argentinien tätig und ist führend in seinem Sektor. Mit Sitz in Gumpoldskirchen, Niederösterreich, beschäftigt Klinger heute 2.800 Mitarbeiter auf der ganzen Welt; in Argentinien sind es 35. Seine “Feuertaufe“, um in den turbulenten argentinischen Gewässern zu navigieren, hatte Pinter bei Siemens Argentina. Hier arbeitete er 12 Jahre lang und war zuletzt verantwortlich für die Geschäftsentwicklung im Oil&Gas Bereich.

klinger
Klinger Argentina, das Unternehmen, das Armaturen für die ganze Welt herstellt.

Im Interview mit dem Argentinische Tageblatt äußert sich Pinter zu den Herausforderungen und Chancen für österreichische Unternehmen in Argentinien nach einem mehr als harten Jahr 2024 aber auch zu den Meilensteinen, die er während seiner Zeit an der Spitze der Kammer setzen möchte.

AT: Was ist heute die größte Herausforderung für den Vorsitzenden einer Wirtschaftskammer in Argentinien und warum?
Pinter: Die größte Herausforderung für den Präsidenten einer Wirtschaftskammer in Argentinien ist es, den Mitgliedern Austausch, wirtschaftliche Beratung und Unterstützung für ihr Wachstum zu bieten. Die große Herausforderung besteht darin, dass die Mitglieder, vor allem nach der Pandemie, an den von den Kammern organisierten Veranstaltungen teilnehmen und in der Lage sind, das Interesse an den besprochenen Themen aufrechtzuerhalten. Egal ob es sich um betriebliche, steuerliche, geschäftliche, investitionsbezogene oder neue Produkte handelt.

Was waren die Lehren, die die argentinische Wirtschaft österreichischen Unternehmen im letzten Jahr abverlangt hat?
Die argentinische Wirtschaft entwickelt sich in Phasen, und eine der Lehren für österreichische Unternehmen besteht darin, die Wirtschaftszyklen in Argentinien zu verstehen, um die Effizienz und Rentabilität ihrer Investitionen zu maximieren. In Zeiten des Wachstums ist die Rentabilität der Unternehmen sehr gut, aber in Zeiten der Depression können die Verluste sehr hoch sein. Man muss wissen, wie man „auf der Welle surft“. Man muss wissen, wann man investieren muss, um neue Geschäftsfelder zu entwickeln und zu erschließen, und man muss die Änderungen in der Gesetzgebung und im Steuerwesen im Auge behalten. Die Erfahrung meines Unternehmens zeigt, dass für neue Investitionen transparente, unkomplizierte Zahlungs- und Dividendentransfers ohne Devisenkontrollen oder Zollschranken wichtig sind. Trotz der Herausforderungen der letzten 10 Jahre und der Verzögerung von Investitionen haben wir in den letzten 25 Jahren erfolgreich Geschäfte gemacht – jedoch war der Wandel in Wirtschaft und Kultur kein leichter Weg.

Im April 2024 besuchte der österreichische Wirtschaftsminister Albert Kocher Argentinien zur Eröffnung des neuen Sägewerks der Firma Acon Timber. Nach der schrittweisen Öffnung und Stabilisierung der Wirtschaft: welche Bereiche sind nun besonders interessant für österreichische Unternehmen?
Im Fokus stehen kurz- und mittelfristig wachsende Sektoren wie die Energiebranche (Wärmekraftwerke, Öl und Gas, Entwicklung des Shale-Gas-Vorkommens in Vaca Muerta und Flüssiggas, das direkt die petrochemische Produktion in Bahía Blanca beeinflusst). Auch der Bergbau mit großen Investitionen im Norden Argentiniens (Lithium) und in San Juan (Kupferbergbau, unterstützt durch den RIGI) ist von Interesse. Zudem ist die Agroindustrie, die in Technologie und Effizienz besonders fortschrittlich ist, entscheidend für die zukünftige globale Nahrungsmittelproduktion.

Albert Kocher
Albert Kocher, österreichischer Wirtschaftsminister.

Welche Meilensteine hat sich die Kammer für das kommende Jahr gesetzt und was sind derzeit die größten Herausforderungen für die Kammer und wie können diese bewältigt werden?
Die größte Herausforderung für die Kammer ist es, in Zusammenarbeit mit der Handelsabteilung der Botschaft eine attraktive Anlaufstelle für Handels- und Kontaktinformationen zu sein, die zur Entwicklung von Geschäften sowohl in Argentinien als auch in Österreich beitragen. Wir wollen unseren Mitgliedern einen Einblick in die argentinische Wirtschaft und die Trends in den verschiedenen Märkten, in denen die Mitglieder tätig sind, geben.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihren Vorsitz gesetzt?
Unsere Meilensteine und Ziele zur Stärkung der Wirtschaftskammer Österreich sind klar. Wir wollen die Kommunikation mit unseren Mitgliedern und internationalen Partnern verbessern, um das Außenhandelsvolumen zu erhöhen. Dazu planen wir eine neue Website, nutzen LinkedIn und organisieren Treffen.  Wir werden auch lokale Kontakte aktivieren, um die Arbeit der Kammer zu intensivieren, sowohl mit dem Außenministerium als auch mit politischen Akteuren. Wir werden die Mitgliedsunternehmen besuchen, um direkte Kontakte zu knüpfen und ihre Geschäfte und Bedürfnisse kennen zu lernen. Wir werden den Kontakt zu lokalen Vereinen, wie dem Europäischen Club, Universitäten und kulturellen Aktivitäten, die Akteure der österreichischen Gemeinschaft in Argentinien einbeziehen, verstärken. Zudem werden wir den Kontakt zu den binationalen Kammern, wie der argentinischen Handelskammer, sowie zu den Industriegewerkschaften auf regionaler, provinzieller und kommunaler Ebene stärken. Auch die Zusammenarbeit mit den Kammern der Bergbauindustrie und dem Erdölclub wird formalisiert. Darüber hinaus planen wir, Geschäftstreffen mit Vertretern aus Industrie und Handel zu organisieren und die Informationsbereitstellung für unsere Mitglieder zu verbessern. Dafür werden wir Gruppen und Arbeitsaktivitäten für verschiedene Wirtschaftszweige einrichten, darunter die Industrie, die Öl- und Gasindustrie, den Bergbau und den agroindustriellen Sektor.

Alberto Pinter, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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