Buenos Aires (AT) – Am 18. Juli 1994 brachte ein Selbstmordattentäter über 300 Kilogramm Sprengstoff in der Garage der jüdischen Organisation AMIA zur Explosion. 85 Menschen starben, 151 wurden verletzt, das Gebäude im Herzen von Buenos Aires völlig zerstört. Heute gedenkt Argentinien des Gewaltaktes, das das Land am Ende der Welt mit einem Schlag ins Zentrum der internationalen Politik katapultierte.
30 Jahre nach der Bombenexplosion hat die Justiz jedoch nur wenig Fortschritte bei der Aufarbeitung des Gewaltaktes machen können. Die Richter konnten bisher den Iran und die Terrororganisation Hisbollah als Urheber des Anschlags identifiziert. In den letzten Monaten kamen die Namen von vier libanesischen Geschäftsleuten, die mutmaßlich im Dreiländereck zwischen Argentinien, Paraguay und Brasilien -der sogenannten „Triple Frontera“- lebten und von dort aus halfen, das Attentat durchzuführen. Die Justiz hat internationale Haftbefehle gegen das mutmaßliche Quartett erhoben. Auch konnten die Richter die gesamte Planung und Abfolge des Anschlags bis ins Detail rekonstruieren: von der Organisation innerhalb der iranischen Botschaft in Buenos Aires bis zum der Kauf des Kleinlasters der Marke Renault des Typs Trafic, den der Attentäter, dem als Hizbollah-Aktivisten bekannten Ibrahim Hussein Berro zum Transport des Sprengstoffes benutzte. Die Familien der Opfer müssen jedoch auch 30 Jahre später weiter auf die Verhaftung der Hauptverantwortlichen des Anschlags warten. Ihre Identität ist weiterhin ein Mysterium.
Warum Argentinien
Als Grund für das Attentat gilt eine Entscheidung der Regierung von Carlos Menem. Der argentinische Präsident stellte Argentinien nach seiner Amtsübernahme im Jahre 1990 außenpolitisch in enger Abstimmung der USA auf. Unter anderem kündigte er deshalb einseitig drei Verträge, die die Lieferung von Nuklearmaterial und -technologie an den Iran vorgesehen hatten. Ein weiterer Grund: in Argentinien und insbesondere in Buenos Aires ist die größte jüdische Gemeinde Lateinamerikas ansässig.
Auch 30 Jahre später fehlt von den Attentätern jede Spur
Seit dem Anschlag kam es zu drei Gerichtsverhandlungen. In der ersten sprachen die Richter alle Angeklagten aus „mangeln an Beweisen“ frei. Demgegenüber prangerten sie eine mutmaßliche Vertuschung unter der Regierung von Carlos Menem. Die Verdachtsmomente führten zum zweiten Verfahren, in dem sich auch Menem verantworten musste aber freigesprochen wurde. Nicht so, die Untersuchungsbeamten, die in der ersten Instanz das Attentat untersucht hatten. Im dritten Prozess stand Carlos Telleldín, der letzte Besitzer des Kleinlasters, der als Bombe benutzt wurde, unter Anklage. Telleldín wurde beschuldigt, die Traffic den Terroristen übergeben zu haben. Der ehemalige Mechaniker saß zehn Jahre Gefängnis, doch danach freigesprochen. Sein Fall wird derzeit vor dem Obersten Gerichtshof neu verhandelt.
Eine Explosion, die bis in die Gegenwart nachhallt
Das AMIA-Attentat hat sich nicht nur wegen der Opfer, sondern auch wegen der tiefen Verstrickung von Politik, Geheimdiensten und Justiz tief im kollektiven Gedächtnis Argentiniens verankert. AMIA machte aber auch die geopolitischen Auswirkungen sichtbar, die weit in die Gegenwart reichen: So steht die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner heute unter Anklage. Ihr wird vorgeworfen, während ihrer zweiten Amtszeit, mit dem Iran einen Pakt unterzeichnet zu haben, der die mutmaßlichen Verantwortlichen des AMIA-Anschlags vor dem Arm der argentinischen Justiz schützt. Zudem kam es unter ihrer Regierung zur Ermordung des auch die AMIA untersuchenden Staatsanwalt Alberto Nisman. Auch seine Attentäter sind bisher unbekannt.
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