23. 07. 2024

Buenos Aires (AT) – Die Landwirtschaft ist nach wie vor der größte Devisenbringer für die Volkswirtschaft Argentiniens, auch unter Javier Milei. Die Exportgeschäfte des Sektors machen mehr als 40% der über Steuereinnahmen ins Land eingehenden Devisen aus. Die argentinische Zentralbank ist mehr denn je auf die saisonbedingte Liquidierung der Bestände von Bauern und Produzenten angewiesen, um ihre Reserven aufstocken zu können und so auch die restriktive Währungspolitik duchhalten zu können, die die Regierung in den letzten Wochen einläutete. Doch zwischen beiden Seiten läuft es derzeit alles andere als rund.

Zur Erinnerung: Die Casa Rosada hat die Aufstockung der Reserven der Zentralbank bis zum Jahresende zur Priorität erklärt. Diese sollen die Grundlage schaffen, die eine Lockerung der als “cepo” bekannten Devisenbeschränkungen ermöglichen könnten. Milei hatte zudem letzte Woche die Devise der “0-Emission” vorgegeben. Mittels konzertierter US-Dollar-Verkäufe -also Peso-Aufkäufe-, sollen die Währungshüter die Peso-Flut der letzten Jahre trockenlegen. “Der Peso soll zu einem knappen Gut werden”, erklärte Wirtschaftsminister Luis Caputo die Strategie. Voraussetzung ist aber eine kontinuierliche Dollar-Zufuhr zu der Devisenbringer Landwirtschaft beitragen muss.

Das die Rechnung aufgehen kann ließ die Handelsbilanz im Mai annehmen: die Ausfuhren von Getreide und Sojaderivaten stiegen gegenüber dem Vormonat um 37 %, wie die Verbände CIARA (Soja) und CEC (Getreide) meldeten. Allerdings, das ins Ausland verkaufte Getreide brachte nur US$ 2,6 Milliarden (rund EUR 2,4 Milliarden) ein. Im Vergleich zum gleichen Monat des Jahres 2023, ein Rückgang von 37%.

Warten auf den Kurs

Doch nachdem sich das Team um Caputo und Zentralbankspräsident Santiago Bausili Ende Juni gegen eine baldige Lockerung der Devisenbeschränkungen ausgesprochen hatte, kam es auf dem Markt zu Spekulatiuonsbewegungen gegen den Peso. Auch aus der Landwirtschaft: Produzenten, Bauern und Unternehmer setzten weitere Verkäufe der verbleibenden Weizen-, Soja– sowie die anderer Ernteprodukte im Wert von geschätzten US$ 13 Milliarden ins Ausland vielerorts auf Halde.

Um sich mit frischem Betriebskapital einzudecken, nutzen die Produzenten zudem den andauernden “Peso-Regen”: die von den Banken zu niedrigen Zinsen angestoßene Kreditwelle. Der Vorsitzende des Banco Nación, Daniel Tillard, erklärte am letzten Wochenende auf der Expo La Rural, dass die Bank allein im Juli Kredite im Wert von über USD 1.300 Millionen an den Sektor vergeben habe.

“Die Regierung hatte vor Monaten die Banken zu mehr Kreditangebote aufgefordert. Die Produzenten, die ihre Silos voll haben, konnten deshalb jetzt verstärkt Kredite aufnehmen. Doch, da dürften sich da einige verschätzt haben: Sie haben sich verschuldet, anstatt zu liquidieren, und jetzt ist der Sojapreis gefallen”, urteilte diesebezüglich auch Norberto Sosa, Ökonom und Geschäftsführer des Börsenhauses IEB.

Der Sektor wartet auf neue Ankündigungen von Präsident Javier Milei und Luis Caputo rund um die Quellensteuern für Soja und Getreide.

Somit ist das Interesse an Devisengeschäften seitens des Landwirtschaftssektors gedämpft: Für den laufenden Monat erwarten Analysten einen Handel von wenig mehr als USD 2 Mrd., zitiert die Wirtschaftszeitung El Cronista Branchenkenner. Dabei ist die Wertschöpfungskette mit knapp über 44% Beschäftigung alles andere als ausgelastet.

Ein schwieriges Quartal

Bleibt alles wie es ist, erwarten Beobachter eine Belebung nicht vor Dezember, so Javier Preciado Patiño, Agrarwissenschaftler und ehemaliger Staatssekretär für Agrarmärkte. Patiño rechnet damit, dass “allein die Sojaindustrie im Juli etwa US$ 1,6 Milliarden; der Mais weitere US$ 750 Millionen und Weizen, Sonnenblumen und Gerste etwa US$ 250 Millionen beitragen können”. Die Zahl liegt “unter dem Durchschnitt der Jahre 2016/2019 und 2020/2023”. 

In Argentinien spielt Soja eine zentrale Rolle für die Entwicklung des Landes.

Neben der Wechselkursanpassung wartet der Sektor auch auf Änderungen bei den Exportzöllen für Getreide und Soja. Die Ausfuhren würden um rund US$ 30 Mrd. steigen, wenn diese Zölle -auch als Quellensteuern oder “retenciones” bekannt-, abgeschafft würden, hieß es in einem Bericht der Kammern CIARA und CEC Anfang Juli. Auf Sojaexporte behält die Regierung etwa 30% des Wertes ein; bei Weizen und Getreide sind es 12%.

Bei der Eröffnung der Expo La Rural am letzten Wochenende stellte Nicolás Pino, Vorsitzender des mächtigen Landwirtschaftsverbandes Sociedad Rural, vielleicht auch deshalb die Frage in den Raum: “Wie lange noch?” In den kommenden Tagen könnte es Neuigkeiten geben, verlautete jetzt aus der Casa Rosada. Die Reserven stehen währenddessen mit mehr als US$ 2 Milliarden in den Miesen. Sowohl Regierung wie auch die Wirtschaft insgesamt richten sich auf schwieriges Quartal ein. Der Lichtblick am Horizont: die Produktion in der Energieregion Vaca Muerta wächst weiter von Rekord zu Rekord, wie es in den nächsten Tagen an dieser Stelle zu lesen sein wird.

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