02. 03. 2024

Buenos Aires (AT) – Es war alles anders. Die Uhrzeit; die Bühne; das Ende. In seiner ersten Rede vor dem argentinischen Parlament, die traditionellerweise das Geschäftsjahr in Argentinien einläutet, hat der neue Staatspräsident eine Marschrichtung vorgeben, die überraschte. Nicht so sehr aufgrund ihres Inhaltes sondern aufgrund ihres Formates.

Im Stile einer us-amerikanischen „State of the Union-Adress“ zog Milei Bilanz über das Erbe, dass seine Regierungsmannschaft nach dem Amtsantritt am 10. Dezember vorgefunden hatte, und die Fortschritte bei der Bekämpfung der Inflation in den letzten zwei Monaten. Er bestätigte medienwirksam -die Rede fand zur prime time 21.00 Uhr Ortszeit) und wie nicht anderen Jahren am Vormittag statt- den Willen seiner Mannschaft, den Strukturwandel in Argentinien durchzuziehen. Seine Rede wurde live übertragen und erzielte nach Angaben der unabhängigen Medien-Agentur Ibope einen Höchstwert von 51 Rating-Punkten. Nur das Weltmeisterschafts-Finale Argentinien-Frankreich in Qatar 2022 hatte einen ähnlichen hohe Einschalt-Quoten erreicht.

Wie international Medien bereits berichteten –Financial Times, Bloomberg, Daily Telegraph oder Glovo unter anderem-, ließ Milei die Gelegenheit nicht verstreichen, sich als outsider des politischen mainstream zu positionieren. Milei versicherte seinen Zuhörern: “Die Transformation unseres Staates ist nicht verhandelbar. Wir werden das Versprechen, das wir der Gesellschaft gegeben haben, erfüllen, mit oder ohne Unterstützung der politischen Führung. Sollten wir nicht auf ihre Unterstützung bauen können, werden wir es mit den Mitteln tun, die der Exekutive auf der Grundlage der Verfassung gegeben sind, so wie wir es bisher getan haben”, erklärte Milei.

Die Überraschung kam zum Ende der 73-Minütigen Rede. Milei rief „Landesregierungen und Ex-Präsidenten“ zur Unterschrift eines zehn Punkte-Plans auf (Pacto de Mayo), mit dem sich die Unterzeichner verpflichten, in den nächsten vier Jahren „eine neue argentinische Wirtschaftsordnung aufzubauen“. „Ich fordere Sie auf, unsere persönlichen Interessen zurückzustellen und uns am 25. Mai zu treffen, um einen neuen Gesellschaftsvertrag -den “Maipakt”-, zu unterzeichnen, der die zehn Grundsätze der neuen argentinischen Wirtschaftsordnung festlegt”, so Milei. Der Pakt erinnert nicht von ungefähr an den spanischen Pacto de la Moncloa oder auch -wenn auch nur entfernt- an manche Gedanken und Grundlagen des Ordoliberalismus eines Ludwig Erhardts.

Die zehn Punkte des „Pacto de Mayo“ im Einzelnen

  • Unverletzlichkeit des Privateigentums
  • Nicht verhandelbares Haushalts-Gleichgewicht („Schuldenbremse“)
  • Senkung der öffentlichen Ausgaben auf 25% des Bruttoinlandsprodukts
  • Senkung der Steuerlast zur Förderung des Handels
  • Neuverhandlung eines Finanzausgleiches zwischen Zentralregierung und Provinzen (Milei: „Um dem derzeitigen erpresserischen Modell ein für alle Mal ein Ende zu setzen“)
  • Verpflichtung der Provinzen zum Rohstoffabbau
  • Arbeitsmarktreform, entlang den Bedürfnissen der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts
  • Nachhaltige Rentenreform
  • Reform der öffentlichen Verwaltung, die die politischen Reräsentante verpflichtet ihre Interessen stets an denen ihrer Vertretenen auszurichten
  • Öffnung der argentinischen Wirtschaft zur vollen Einbindung in die internationale Wertschöpfungskette

Wichtiger als das im Zehn-Punkte-Plan Festgelegte ist -wie so häufig- jedoch das was zwischen den Zeilen verbleibt. Mit seiner Initiative lässt Milei Provinzgouverneure und politische Referenten in der Bringschuld, insbesondere gegenüber einer öffentlichen Meinung, die laut jüngsten Meinungsumfragen seinen Kurs -noch- mehrheitlich mittragen. Voraussetzung für die Unterzeichnung des Mai-Paktes ist die Verabschiedung des Gesetzes-Paketes, das im vergangenen Monat in der Abgeordnetenkammer gescheitert ist sowie die Unterzeichnung eines neuen Fiskalpakts mit den Provinzen.

Die Lehren der Geschichte

Es ist nicht das erste Mal für die argentinische Politik, in der Politiker sich hinter einem ähnlichen Pakt zusammenfinden sollen. Im Jahre 1993 unterzeichneten der ehemalige Präsident Raúl Alfonsín, und die Peronistische Partei, vertreten durch Präsident Carlos Menem, den sogenannten „Pacto de Olivos“. Darin vereinbarten die beiden wichtigsten argentinischen Gruppierungen der 80er und 90er Jahre eine Verfassungsreform.

Sollte Milei am 25. Mai die Unterschrift der Mehrheit der argentinischen Landeschefs Schwarz auf Weiß zusammenbringen, wäre es allerdings das erste Mal, dass ein Staatschef die Landesfürsten zu einer gemeinsamen Willensanstrengung öffentlich verpflichten kann.

Auch der Tag ist keine zufällige Wahl: am 25. Mai feiert die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas die Loslösung von der spanischen Kolonialherrschaft und die Schaffung eines republikanisch-demokratischen Staatsmodells.

Wenige Stunden nach seiner Rede erklärten 12 der 23 argentinischen Provinzgouverneure über social media wie X (vormals Twitter) im Mai in Córdoba beim „Pacto de Mayo“ dabei zu sein. Darunter auch der größte Teil derjenigen Gouverneure mit denen sich Milei in den letzten Tagen seinen jüngsten und öffentlichen Schlagabtausch geliefert hatte. Milei bleiben knapp drei Monate die restlichen elf zu überzeugen.

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