21. 03. 2024

Buenos Aires (AT) – Staatspräsident Javier Milei ist in diesen Tagen 100 Tage im Amt. Steigende Armut, Arbeitsplatzverluste, aber auch sinkende Inflation und Haushaltsüberschuss. Die ersten Monate des neuen argentinischen Präsidenten geben Anlass zu Sorge und Hoffnung zugleich. Das ist die Diagnose des Nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (Justicia y Paz), ein Organ des Episkopats Argentiniens. 

Die Kommission begleitet Stimmung und Lage innerhalb der argentinischen Gesellschaft, insbesondere im Rahmen sozialer und institutioneller Umwälzungen im südamerikanischen Land. Sie stützt sich bei ihren Berichten auf Informationen und Rückmeldungen, die sie täglich aus allen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Segmenten des Landes erhält. Ihre Stellungnahmen gelten als Spiegelbild der herrschenden Meinung der in Argentinien tätigen Bischofskonferenz.

In Worten des Präsidenten:  “No hay plata”, es ist kein Geld da. (chequeado.com.ar)

Die jüngsten Zahlen, die die Kommission in dieser Woche veröffentlichte, zeigen ein harsches Bild der argentinischen Gegenwart. “Allein im Baugwerbe sind seit Dezember 60.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, weitere 140.000 sind gefährdet. Rund 1.400 Unternehmen in diesem Sektor stehen vor dem Aus”, heißt es in dem Bericht. Hauptgrund für den Einbruch ist die Aussetzung, den die Regierung Milei im öffentlichen Bau verkündet hat. Das Ziel der Regierung: eine Bestandsaufnahme und Kontrolle der laufenden Baugenehmigungen auf der Suche nach möglichen Korruptionsherden.

Einzelhandel und KMUs brechen um 30% ein

Die Folgen des harten Sparkurses der Regierung zeigen sich auch im Einzelhandel: allein im Januar fiel der Umsatz der Einzelhändler landesweit um 28,5%, so der Bericht. “Den größten Rückgang verzeichnen die Apotheken mit einem Minus von 45,5%. Bei Lebensmitteln und Getränken gingen die Umsätze um 37% zurück”, erklärt die Kommission.

Unter den Kleinen und Mittelständischen Unternehmen (KMU) in der Industrie kam es zu einem Rückgang der Auftragslage von 30% im Jahresvergleich. “Der Automobilsektor liegt regelrecht still; rund 20.000 Arbeistplätze gingen hier verloren”, erklärt die Kirchenorganisation. Nach ihren Angaben, fiel der Reallohn über alle Wirtschaftssektoren hinweg zwischen November 2023 und Januar; die Kaufkraft ging um 21,3 % zurück. Tendenz fallend. Den Zahlen zufolge sind Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor um 25% gefallen und in der Privatwirtschaft um 19,3%. Die Renten brachen um 38,1% im Vergleich zum Vorjahr ein. Die 100 prozentige Abwertung im Dezember und der folgende Preisanstieg verstärkte das Missverhältnis für die Haushalte. Die Folge: Rezession.

Kontrast: trotz Krise, Rückhalt für Milei

Trotz der harschen und krisengeschüttelten Gegenwart der argentinischen Haushalte zeigen die Indikatoren der Kommission aber auch einen anhaltend soliden Zuspruch innerhalb der schwächeren sozialen Schichten für den Sanierungskurs der Regierung Milei, wie La Nacion bezugnehmend auf den Kommissionsbericht berichtet. “Das Szenario zeigt weiterhin eine Unterstützung für die Regierung unter den einkommensschwachen und den von Inflation und Rezession betroffenen Sektoren der Bevölkerung wider”, heißt es in dem Bericht. Allerdings: “Das Klima einer starken sozialen Zerrissenheit, Polarisierung und Agressivität ist jedoch genauso offenkundig und besorgniserregend”. Insbesondere in den sozialen Netwerken sei das “Klima eine hohen sozialen Spaltung” alarmierend.

“Soziale Rücksichtslosigkeit”

Die Kommission beklagt, dass die Behörden bei den Anpassungsmaßnahmen der Wirtschaft ein “enormes Maß an sozialer Rücksichtslosigkeit an den Tag legen” sowie eine Hasskultur und den extremen Individualismus schüren. “Das Szenario der Arbeitsplatzvernichtung und der eingefrorenen und unzugänglichen Sozialleistungen schafft ein Klima der Spannung gezeichnet durch den sozialen Protest und einem Konfrontationskurs der Gewerkschaften aufgrund der Entlassungswellen im öffentlichen und privaten Sektor. Während die Steuervergünstigungen von Großunternehmen unangetastet bleiben, wird der Abbau des Defizits auf dem Rücken von Arbeitnehmern und Rentner deutlich”, heißt es in der Erklärung weiter. 

Die Neuordnung der argentinischen Wirtschaft unter Javier Milei hat zu einem Klima sozialer Spaltung und einer “enormen Aggresivität” geführt, so die Kommission (Foto: lavoz.com.ar)

Zum Abschluss ihrer Erklärung warnt die Kommission, vor der Situation in den Suppenküchen. “Die Lage ist kritisch: aus Mangel an Nahrungsmitteln und ihrem Zugang kommen immer mehr Menschen”.

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