Buenos Aires (AT) – Javier Milei tritt am heutigen Dienstag vor die Weltgemeinschaft. Der Ökonom und heutige Staatspräsident von Argentinien hat als einer der ersten Regierungschefs seinen Auftritt auf der 79. Generalvollversammlung der Vereinten Nationen (UNO), die heute in New York startet. Milei dürfte die Bühne nutzen, um den rund 150 erwarteten Kollegen sowie dem in die Big Apple zugeschalteten Publikum eine Art Erklärung zur „Lage der -argentinischen- Nation“ zu geben sowie sein Loblied der Freien Marktwirtschaft anzustimmen. Anfang des Jahres nutzte er ein ähnliches Forum -das Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos– für eine ähnliche Botschaft. Es folgten andere. Doch es dürfte das erste Mal sein, dass der 54-jährige eine ähnlich breites wie diverses Publikum adressiert. Und, er kommt mir einer Liste eingehaltener Versprechen, in denen das Haben -noch- mit das Soll übersteigt.
Das Haben
Allen voran, die (Ein)Ordnung der argentinischen Wirtschaft; der Rückgang der Inflation; die komplette Neuaufstellung der Staatsfinanzen, inklusive Haushaltsüberschuss sowie unter anderem der Start eines weitreichenden Deregulierungs-Programmes. Alles aufbauend auf einem der schwächsten politischen Grundlagen der jüngeren argentinischen Geschichte mit Minderheit in beiden Kammern des argentinischen Kongresses und einem Regierungsstil, der sich fast eher auf den Zustimmungsraten einer bewundernswerten leidensfähigen Bevölkerung stützt, denn auf einer traditionellen parlamentarischen Arbeit.
Dementsprechend dürfte auch der “Geschäfts-Bericht” ausfallen, den Milei in New York vorstellen wird. Im Hinterkopf wird der im Dezember ins Amt geschworene Wirtschaftswissenschaftler jedoch immer lauter die ersten Warnsignale hören dürfen, die sein Regierungsprogramm aufzuzeigen beginnt.
Das Soll
In den letzten vier Wochen haben sich seine Zustimmungsraten -und damit die erwähnte Leidensbereitschaft– innerhalb der Bevölkerung gedreht. Im Durchschnitt zeigten die jüngsten Messungen unabhängiger Umfrageinstitute (Poliarquía / Aresco) Rückgänge um bis zu 7% der Zustimmungswerte Mileis. Damit bleibt der Staatspräsident zwar immer noch -knapp- im grünen Bereich in der Kategorie Regierungsleistung, doch die Frage ist für wie lang noch und – wieweit ist der selbsternannte „Disruptor“ der argentinischen Politik bereit darauf einzugehen.
Unter dem Strich
Einerseits ist seine politische Basis -der Rückhalt in der Bevölkerung– noch tragfähig. Doch mehren sich die Anzeichen, dass die argentinischen Gesellschaft nach knapp zehn Monaten Rosskur über die makroökonomische Grund-Ordnung hinaus beginnt, ihre Vertrauensbereitschaft zurückzunehmen: Im September zeigt die Messung des Verbrauchervertrauens einen Rückgang um knapp 6% gegenüber August, wie die Daten der Universität Torcuato Di Tella belegen. Hinzu kommen in den letzten Wochen immer neue Konflikten zwischen Gewerkschaften und Regierung, die auch Papst Franziskus aus dem fernen Rom miteinbeziehen. Und: für die laufende Woche wird die Veröffentlichung neuer Zahlen zur Armut in Argentinien erwartet. Wie aus Regierungskreisen zu hören ist, bereitetet man sich im Team-Milei auf harte Nachrichten vor.
Auf die Frage wie sehr Milei bereit ist, sich auf seinem Weg zur Neuordnung der argentinischen Wirtschaft von seinem selbstgesteckten langfristigen Ziel zu möglichen Umwegen überreden zu lassen, hat der Staatschef erst jüngst eine erste Antwort gegeben: wenig bis gar nicht. Milei hatte vor einer Woche seinen Haushaltsplan 2025 Parlament und Gesellschaft in einer live-Schaltung vorgelegt.
Darin kündigte er an, dass er sich vom Ziel eines ausgeglichenen und -wenn möglich- überschüssigen Haushalt nicht einen Zentimeter abbringen lassen wird. „Wenn das Steueraufkommen weniger einbringt, werden wir die Ausgaben kürzen müssen. Kommt mehr Geld in die Kasse, werden wir die Steuern senken”, resümierte der Staatschef ohne Rücksicht auf Verluste. Die Entwicklung der Einschaltquoten kurz nach dieser Aussage waren eine erste Antwort. In allen fünf Fernseh-Kanälen, die die Rede Mileis übertrugen sackte die durchschnittliche Einschaltquote von über 10% vor der Rede auf knapp über 0,5% während der Rede, wie das Rating-Institut Ibope ermittelte.
Milei wäre nicht Milei, wenn er diese Zahlen unbeachtet ließe.
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