20. 05. 2024

Buenos Aires / Madrid (AT) – Im Zweifel, “alle Torpedos, raus; und volle Kraft voraus”. Javier Milei belegt seinen Ruf als unberechenbarer Polit-Neuling. Bei seinem Besuch in Madrid, wo er sein neuestes Buch, „El camino del Libertario“ (Der Weg des Libertären) präsentierte, erlaubte es sich der argentinische Präsident die Frau des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, der Korruption und Vetternwirtschaft zu bezichtigen. Spanien berief im Protest seine Botschafterin, María Jesús Alonso Jiménez, zu Konsultationen nach Madrid und forderte eine offizielle Entschuldigung des erst Mileis. Der wies eine Notwendigkeit dafür jedoch zurück. Der Grund: „Erst müssen sich die Spanier bei mir für ihre Aussagen über meine Person entschuldigen“, ließ Milei über seinen Regierungssprecher, Manuel Adorni, und seinem Innenminister, Guillermo Francos, verlauten.

Auf beiden Seiten des politischen Lagers in Argentinien ist die Verwunderung groß über den diplomatischen Streit, den Milei am Wochenende sprichwörtlich vom Zaun gebrochen hat. Schon im Vorfeld sorgte das Programms der Visite Mileis in Spanien für Unmut.

Die Bühne: Europa Viva24

Der Rahmen war Viva24, ein als „Gedankenaustausch“ vermarktetes Treffen rechts gerichteter Parteien und Politiker, dass von Spaniens extremer Partei Vox organisiert worden war. Unter den Gästen waren mit Frankreichs Marine Le Pen (Rassemblement national, vormals Front Nationale), Italiens Premierministerin Giorgia Meloni bis Ungarns Viktor Orban waren die Schwergewichte der europäischen Rechten in Madrid vertreten. Das Ziel des Treffens, im Vorfeld der am 6 Juni startenden Wahlen zum europäischen Parlament, ein Bild der Stärke und Einheit zu bieten. Aus Lateinamerika war, unter anderen, auch José Antonio Kast (Foto), Oppositionsführer und Vorsitzender der Republikanischen Partei Chiles.

José Antonio Kast, Chile, Partido Republicano
José Antonio Kast ist Vorsitzender der Republikanischen Partei Chiles und Oppositionsführer.

Milei hatte seine Teilnahme an Viva24 bestätigt, ohne den Termin gleichzeitig zu einem Antrittsbesuch vor der spanischen Regierung zu nutzen. Zur Einordnung: Spanien ist Argentiniens zweitwichtigster Handelspartner in Europa und der zweitstärkste ausländische Investor, nach den USA. Nach Angaben des argentinischen Außenministeriums beliefen sich die argentinischen Exporte nach Spanien in den letzten fünf Jahren auf rund EUR 1,4 Milliarden. Argentinien ist gleichzeitig das Land auf der Welt in dem die meisten Spanier im Ausland leben. Nach Angaben des spanischen Statistikamtes (INE) aus 2024 sind es 482.176 Menschen. Umgekehrt ist Spanien das Land, in das am meisten Argentinier ausgewandert sind. Laut der Volkszählung 2022 – der letzten, die vom INE veröffentlicht wurde – waren 328.333 Menschen argentinischer Herkunft in Spanien gemeldet.

Die Angriffe und Ausfälle

Der Zeitplan von Mileis Visite sah weder eine Vorstellung vor König Felipe VI, Spaniens Staatsoberhaupt, noch mit Pedro Sánchez. Stattdessen konzentrierte sich Milei bei seiner Präsentation in Madrid darauf, seine inzwischen üblichen Attacken auf das linke politische Spektrum zu artikulieren. “Die globalen Eliten wissen nicht, wie zerstörerisch es sein kann, die Ideen des Sozialismus umzusetzen, weil sie es zu weit weghaben, sie wissen nicht, welche Art von Gesellschaft und Land sie hervorbringen können, welche Art von Menschen an die Macht geschraubt werden und welches Ausmaß an Missbrauch sie hervorbringen können“, erklärte er in einem seiner leidenschaftlichsten Passagen. Kurz darauf folgte der strittigste Passus. „… selbst wenn du eine korrupte Frau hast […] und fünf Tage Nachdenken mußt”, sagte Milei in Anspielung auf die mutmaßlichen Fälle von Korruption und Einflussnahme, die gegen Begoña Gómez, die Ehefrau von Pedro Sánchez untersucht werden. Die Bedenkzeit bezieht sich auf die Auszeit, die Sánchez vor einem Monat genommen hat, mit der Begründung, dass er die Hetzkampagnen satt hat.

Javier Milei, Viva 24 , Madrid
Javier Milei präsentierte sein Buch “El camino del Libertario” bei dem von Vox organisiertem meeting in Madrid.

Mileis eigene Forderung einer Entschuldigung seitens der spanischen Regierung beziehen sich dagegen auf Kommentare aus dem Umfeld Sánchez zu Mileis Person. So bezeichnete der spanische Verkehrsminister Milei Anfang Mai als “Drogenabhängigen“. Am 16. Mai erklärte Diana Morant, die spanische Ministerin für Wissenschaft und Hochschulbildung, das argentinische Staatsoberhaupt sei „Negationist“. Kurze Zeit später betitelte Yolanda Díaz, Spaniens Vizepremier und Vorsitzende der Partei Sumar, Milei als “Hater” und “Autoritären”.

Die nächsten Besuche: (wieder) Madrid und Hamburg

In Buenos Aires nahm das sonst eher zu Milei neigende konservative Lager, angeführt von Pro, der Partei des ex-Präsidenten Mauricio Macri, Distanz zur Regierung auf. “Wir selbst haben nicht unbedingt eine positive Meinung zu Pedro Sánchez, doch für den Präsidenten (Milei) eines befreundeten Landes wie Spanien war es ein schwerer Fehler. Er hätte das nicht tun dürfen. Argentinien braucht Investitionen und Unterstützung von internationalen Organisationen. Jeder Lärm wirkt sich negativ aus, besonders für Investoren. Konflikte zwischen Ländern schrecken sie genauso ab wie Rechtsunsicherheit und Misstrauen. Die hatten wir schon und jetzt kommen Streitigkeiten hinzu”, zitiert La Nacion einen engen Mitarbeiter Macris.

Der Zeitpunkt des Streit ist umso unverständlicher, als Mileis Regierung derzeit im Senat, dem argentinischen Oberhaus, händerringend nach Stimmen sucht, um sein Gesetzes-Paket Ley Bases durch den Kongress bringen zu können. Pro ist auf diesem Wege derzeit die wichtigste parlamentarische Stütze der Regierungspartei Mileis, La Libertad Avanza.

Milei plant am 21. Juni erneut nach Spanien zu reisen. Anlass ist dieses Mal der Preis Juan de Mariana, der Milei zusammen mit dem peruanischen Ökonomen, Jesús Huerta de Soto und dem Autor Mario Vargas Llosa übergeben werden soll. Nur einen Tag später wird Milei in Hamburg erwartet, wie das Argentinische Tageblatt aus dem Umfeld des deutschen Außenministeriums bestätigen konnte. Der Grund: die Übergabe der Friedrich von Hayek-Medaille.

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