Hitzewellen. Überschwemmungen, Lawinen, Starkregen und Dürren: Die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels sind in den letzten Jahren deutlicher denn je geworden. Überschwemmungen in Brasilien, extreme Hitzewellen in Indien, Hungersnöte in Ostafrika. Gleichzeitig leiden Europa und Nordafrika unter einer historischen Dürre, Flüsse trocknen aus, viele Länder haben den Notstand ausgerufen. Dringender Handlungsbedarf.
Die Klimakrise kennt keine Grenzen – sie betrifft sowohl den globalen Norden als auch den Süden. Doch wie nehmen wir diese Veränderungen wahr, und wie reagieren wir darauf? Welche Lösungen sind bereits in Sicht, und welche Maßnahmen müssen dringend ergriffen werden, um die Erderwärmung zu stoppen? In unserer Serie “Logbuch des Klimawandels” beleuchten wir in vier Artikeln die Auswirkungen der Klimakrise in Lateinamerika und Deutschland. Dabei lassen wir die Stimmen derjenigen zu Wort kommen, die von den Folgen persönlich betroffen sind, um ihre Perspektiven und Erfahrungen in den Mittelpunkt zu rücken.
„Logbuch des Klimawandels“ (Bitácora del cambio climático) ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut Buenos Aires und dem Argentinischen Tageblatt, um unsere Gegenwart zu analysieren und einen Blick auf die Zukunft zu werfen. In dieser Ausgabe: Wie sich eine kleine Mücke zu einer globalen Bedrohung auswachsen kann.
Von Silvina Friera*
Buenos Aires (AT) – Argentinien kämpft mit einer der schlimmsten Dengue-Epidemien seiner Geschichte – ein Produkt des sich verschärfenden Klimawandels und veränderter Umweltbedingungen. In den Jahren 2023–2024 wurden mehr als 500.000 Fälle diagnostiziert, dreimal so viele wie in der vorherigen Saison, und 419 Menschen verloren ihr Leben.
Steigende Temperaturen, intensivere Hitzewellen und erhöhte Luftfeuchtigkeit schaffen ideale Bedingungen für die Vermehrung des Virus. Hinzu kommen kulturelle Gewohnheiten wie das Ansammeln von Wasser in Behältern. Diese Umstände bilden den Nährboden für die Verbreitung des Dengue-Virus, das durch den Stich der Aedes aegypti, einer dunkel gefärbten Mücke mit schwarz-weiß gestreiften Beinen, übertragen wird.
„Dengue ist ein sozioökologisches Problem, dem wir uns in kollektiver Verantwortung stellen müssen“, erklärt Elisabet Estallo, Forscherin beim Nationalen Rat für Wissenschaftliche und Technische Forschung (Conicet) und Doktorin der Biologischen Wissenschaften an der Nationalen Universität von Córdoba. Die durch den Klimawandel verursachten Umweltbedingungen wie höhere Mindesttemperaturen und veränderte Niederschlagsmuster schaffen optimale Voraussetzungen für das Wachstum und die Entwicklung des Mückenvektors. „Dadurch kann er in gemäßigten Klimazonen viel früher wieder auftauchen, im Herbst länger bleiben und mehr Eier hinterlassen, die den Winter überleben. Wenn das Virus zirkuliert, stechen diese infizierten Mücken und übertragen es weiter, da sie länger überleben. Das führt zu einer größeren Ansteckung“, warnt die Conicet-Expertin.
Laut Oscar Atienza, einem Arzt und Spezialisten für öffentliche Gesundheit, würde das Szenario für das Jahr 2025 rund 6 Millionen Dengue-Fälle bedeuten. Davon wären 0,3 Prozent schwere Verläufe, also etwa 18.000 Menschen, betroffen. Dies stellt eine enorme Belastung für ein Gesundheitssystem dar, das nur über 8.500 Intensivbetten verfügt.
Neben dem Klimawandel tragen auch zunehmende Verstädterung und unsachgemäße Abfallentsorgung zur Krise bei. Behälter, die Wasser ansammeln, sowie feste Abfälle, die auf öffentlichen Straßen, Freiflächen oder in Kanälen entsorgt werden, bieten Mücken ideale Brutplätze.
Längst schon in kälteren Gebieten
„Die Krankheit selbst können wir nicht verhindern, denn die Mücke lebt unter uns“, sagt Estallo. „Wir können jedoch verhindern, dass sie sich in unserer Umgebung vermehrt. Dazu müssen wir öffentliche Plätze und unsere Häuser anpassen und Behälter beseitigen, die Wasser ansammeln können“, ergänzt die Conicet-Forscherin.
Das Denguefieber breitet sich sogar in Gegenden aus, die früher durch niedrigere Temperaturen geschützt waren. Ricardo Teijeiro, Infektiologe am Pirovano-Krankenhaus und Mitglied der Argentinischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten (SADI), erklärt, dass das Virus vor einem Jahrzehnt noch auf die nördlichen Provinzen Argentiniens beschränkt war.
„In unserem Land breitet es sich immer mehr in der mittleren Zone aus und nimmt im Süden weiter zu. Das liegt daran, dass sich das Klima verändert. Die Sommer werden länger, die Luft wird feuchter, und das fördert die Entwicklung der Mücken. Wo es eine Mücke gibt, gibt es Dengue. Wenn eine Person mit Dengue infiziert ist, stecken die Mücken andere Menschen an“, sagt Teijeiro.
Argentinien als Erstfall
Der Dengue-Impfstoff ist ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Krankheit. Er basiert auf einem abgeschwächten Lebendvirus und hilft, Komplikationen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle zu verhindern. Allerdings können Schwangere und immunsupprimierte Menschen nicht geimpft werden. Bei Menschen über 60 Jahren ist die Wirksamkeit des Impfstoffs nicht nachgewiesen, und die Verabreichung erfolgt erst ab dem vierten Lebensjahr.
„Viruskrankheiten wie Dengue werden nicht verschwinden, aber wir können die Zahl der Infektionen verringern. Es gibt derzeit experimentelle genetische Ansätze, um die Vermehrung der Mücken zu kontrollieren. Das Wichtigste ist, Komplikationen und Todesfälle zu vermeiden. Dies ist die große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit“, betont Teijeiro.
Die tödlichsten Kreaturen der Welt lassen nicht locker. Ihre Stiche sind wie unsichtbare Waffen, die in einem Sommer voller Unsicherheit und Sorgen zuschlagen.
*Die Autorin: Silvina Friera arbeitet als Journalistin bei der Zeitung Página/12 in Argentinien. Sie schreibt über Literatur, Kultur und Gesellschaft. Sie erhielt, unter anderem, den Konex Award Diploma al Mérito in der Kategorie Literaturjournalismus.
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