Buenos Aires (AT) – Rund 52,9 % der Bevölkerung Argentiniens lebt heute in Armut. Das zeigen die Daten, die das Amt für Statistik Indec Ende letzter Woche für das erste Halbjahr vorstellte. Die Zahlen sind ein Spiegel des harten Transformationsprozesses, den Argentinien zur Zeit durchmacht. Wie berichtet, hatten Stimmen aus dem Regierungsteam von Javier Milei die Statistik schon vorab als “hart und bitter” bewertet. Nach Präsentation der Zahlen trat in den letzten Tagen insbesodnere die Kirche auf den Plan und warnte vor der fortschreitende soziale Krise. Abgesehen von den fast 25 Millionen Menschen, die die Kosten für den Grundnahrungsmittelkorb nicht decken können, wird die Besorgnis durch die Bilanz von 18,1 % der Bedürftigen (8,5 Millionen) verstärkt.
Kirchenvertreter hatten bereits im Juni davor gewarnt, dass seit dem dritten Trimester 2023 rund fünf Millionen Menschen unter die Armutsgrenze gefallen sind. Ende letzten Jahres waren nach Angaben der Indec (argentinisches Institut für Statistik) 41,7 % der Bevölkerung arm, davon 11,9 % bedürftig, wie auch die Zeitung La Nación berichtete.
Papst Franziskus unterstrich dern Ernst der Lage in einer Botschaft am vergangenen Freitag am Rande eines Treffens mit Vertretern sozialer Einrichtungen aus aller Welt. Der Papst unterstrich die Notwendigleit des von Javier Milei eher negativ bewertete Konzept der “sozialen Gerechtigkeit“. Franziskus kritsierte seinerseits die „entmenschlichten Ideologien“, die Meritokratie und die „Kultur der Gewinner vs. Verlierer“.
Parallel kritiserten auch Kirchenvertreter in Argentinien selber die Lage und machten vor allem die Regierung Milei verantwortlich: „Wenn ein Rentner auf die Straße geht, dann deshalb, weil er unter der Gewalt leidet, keine Medikamente kaufen zu können oder nicht über die Runden kommen zu können”, ergänzte etwa der Bischof von San Isidro und Vorsitzende des Episkopats, Monsignore Oscar Ojea, die Botschaft von Papst Franziskus.
Zur Einordnung: Die Krise hat sich in Argentinien vor allem in den ersten Monaten des Jahres zugspitzt. Auslöser waren die harten Eingriffe der Regierung in zahlreichen Dienststellen der Sozialversicherungsanstalten und Behörden. Betroffen war das Vergabesystem sozialer Hilfsprogramme der Óffentlichen Hand auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene und die sich der Vetternwirtschaft und Korruption verdächtigt gemacht hatten. Die Regierung Milei startete gleich nach Amtsantrritt entsprechende Untersuchungen. Dabei kam es auch zur Einschränkung bei der Verteilung von Nahrungsmitteln an die Gemeinschaftsküchen, was auch innerhalb der Regierung kritisiert wurde.
Rund 6.400 Armensiedlungen in Argentinien
Angesichts der neuen Zahlen warnt die Kirche nun vor einer Vervielfachung des Not, vor allem in den 6.400 Armenvierteln des Landes. „Dort konzentriert sich der harte Kern der sozialen Ausgrenzung bei einer Bevölkerung von sechs Millionen Menschen, obwohl im ganzen Land mehr als 18 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben“, so eine Quelle der Kirche.
Bischof Gustavo Carrara, der in der Erzdiözese Buenos Aires für die Pastoral der Armenviertel zuständig ist, forderte deshalb jüngst eine “intelligentere Präsenz des Staates“. Der Kirchenvertreter fordert “die Integration von Arbeitervierteln zu verstärken, um so das Gemeinschaftsleben wiederzubeleben, damit Kinder und Jugendliche nicht Gewalt, Waffen und Drogen ausgesetzt sind“.
Tendenzen und Veränderungen
Trotz der harten Zahlen zeigen sich einige kirchennahe Sektoren optimistisch: Sie setzen darauf, dass dass sich der Rückgang der Inflation, den die wirtschaftliche und soziale Rosskur als erstes positives Resultat vorweist, sich positiv auf die zukünftigen Statistiken auswirken könnte. Die Talsohle ist erreicht, ein Aufschwung könnte beginnen, heißt es aus Kirchenkreisen.
„Vor allem für das zweiten Quartal zeigen die Zahlen einen harten Rückgang, der die Armut bei 49% der Bevölkerung identifiziert. Im dritten Quartal zeigt sich aber eine erste langsame Verbesserung. Ähnlich die Lage der Bedürftigen, die mit fast 20 % ein sehr hohes Niveau erreicht hat“, erklärte eine der Kirche nahestehende Quelle gegenüber von La Nacion. Die überwiegende Wahrnehmung in der Kirche aber ist, dass die Situation kritisch bleibt.
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