Buenos Aires (AT) – Mai 1971 in Monte Carlo. Er galt als das “schönste Gesicht Europas (und vielleicht der Welt)”. Er war Alain Delon und saß in einer der ersten Reihen entlang des Rings, in dem der damalige argentinische Box-Weltmeister Carlos Monzón auf den Italiener Nino Benvenuti traf. Der Argentinier bot einen Rückkampf gegen den Italiener, den er acht Monate zuvor in Rom besiegt hatte. Benvenuti warf in der dritten Runde das Handtuch. Monzón hatte gewonnen.
Der Weltmeister im Mittelgewicht behielt seine Krone, und Delon – der am vergangenen Sonntag im Alter von 88 Jahren verstarb – verließ den Kampf völlig fasziniert vom Boxer aus Santa Fe. Zu diesem Zeitpunkt war Carlos Monzón bereits eine Boxlegende. “Escopeta” (a.d Die Flinte, da seine Schläge wie ein Geschoss im Körper des Gegners waren) weckte in Alain Delon ein besonderes Interesse.
Die Begegnung sollte der Beginn einer lebesnlangen Freundschaft sein, die durch Höhen und Tiefen, die ab den 1970er Jahren bis zum Tode des Argentiniers anhalten sollte. Eine Freundschaft, die heute gerade vor dem Spiegel des Skandals um den ehemaligen Staatspräsidenten Alberto Fernández kaum noch denkbar zu sein scheint. Eine Freundschaft, die in der Rückschau aber auch die ersten Risse eines überholten Gesellschaftsbegriffes aufzuzeigen begann.
“Alain Delon präsentiert: Carlos Monzón – der Macho”
Alles begann 1973, als “Escopeta” den Franzosen Jean Claude Bouttier in einem Rückkampf in Roland Garros, den der französische Filmstar organisiert hatte. Delón hatte neben seinem Star-Leben auch eine Karriere als Boxpromoter, wie er in den Folgejahren unter Beweis zu stellen suchte.
Am 9. Februar 1974 fand einer der wichtigsten Kämpfe in der Karriere von Monzon statt. In einem Zelt in einem Vorort von Paris, vor 11.000 Zuschauern, darunter Julio Cortázar, trat der argentinische Champion gegen seinen venezolanischen Rivalen José Mantequilla Napoles an. Das Plakat des Kampfes hätte nicht verlockender sein können: „Alain Delon präsentiert: Carlos Monzón – Mantequilla Nápoles“. Die Werbeplakate zeigten einen Handschuh aus Ziegelsteinen, wie eine Mauer, und präsentierten den Sportler aus Santa Fe zum ersten Mal so, wie Alain Delon ihn nannte: „El Macho“. Monzón betrat die Bühne mit Carlos Gardels Lied „Silencio“. Eine Idee von Delon. „Ich habe dich El Macho getauft und, Gardel, das ist ideal“, so der Franzose. In der siebten Runde konnte Mantequilla sich nach den Schlägen von El Macho kaum noch aufrecht halten. Monzon hatte seine Krone zum 9. Mal verteidigt. Er schien unbesiegbar.
Aber es war nicht nur die Arbeit, die sie zusammenbrachte. Delon und Monzon waren auch Partyfreunde. Nach den Meisterschaften nahm Alain Delon den Argentinier zu den exklusivsten Partys der Pariser-Szene mit. Orchester, Tänzerinnen, die bekanntesten Promis und viel Campagne. Eine neue Welt für den arm aufgewachsenen Sportler. Im Jahr 1974 wurde Monzón in Frankreich als Sportler des Jahres ausgezeichnet.“ Alain Delon ist ein toller Typ und ein guter Freund. (…) Er ist fleißig, seriös, verantwortungsbewusst und mehr als nur ein Filmstar“, sagte Monzón 1975 gegenüber der Zeitschrift Gente.
“Er ist EL MACHO. Das heißt, die männliche Perfektion (…) Ich bewundere Carlos Monzón, weil er ein Mann ist und weil wir, solange es Männer gibt, diejenigen bewundern müssen, die dort, wo sie sind, die Besten unter uns sind“, schrieb Alain Delon im Vorwort zu Carlos Monzons Autobiografie ‚Yo, Carlos Monzon’.
„Delon hatte eine Vorliebe für die Welt der Gewalt, für Boxnächte, für dunkle Geschäfte, für Männerdinge. Vielleicht war das der Grund, warum er sich mit Carlos Monzón, dem berühmtesten argentinischen Champion aller Zeiten, verband“, analysierte später der argentinische Journalist Rolando Hanglin gegenüber La Nación.
Aus dem Ring ins Gefängnis
Die Männerfreundschaft sollte auch in den dunkelsten Zeiten von Monzons Leben halten. Fernab von Glamour und internationalem Jetset ermordete Monzón 1988 in Mar del Plata mutmaßlich seine Gefährtin, Alicia Muñiz. Die Nachricht von diesem Femizid – ein Begriff, der damals noch nicht galt – schockierte die Welt des Sports und des JetSets. Der Boxer wurde in einem vielbeachteten Prozess zu 11 Jahren Gefängnis wegen Totschlags verurteilt. In Frankreich gab Delon der Zeitschrift Gente ein Interview. Die Schlagzeile war mehr als umstritten und warf kein gutes Licht auf Delon und würde heute undenkbar sein: „Welcher Mann hat noch nie seine Frau geschlagen?”
“Für mich ist es ein Unfall, kein vorsätzliches Verbrechen. Ich habe die gleiche innere Gewalt. Dazu muss man kein Boxer sein”, versucht sich der Schauspieler zu rechtfertigen, “Monzón hat schon immer Gewalt ausgelebt, und genau diese Gewalt hat ihn an die Spitze seines Erfolges und seiner Kunst gebracht.
Im August 1993 besuchte der Schauspieler, der sich mehrmals in Buenos Aires aufhielt, Carlos Monzón in der Strafvollzugsanstalt Las Flores in Santa Fe, wo der Boxer seine Strafe verbüßte. Der Franzose betrachtete Monzon als einen Bruder, trotz der Nachrichten, die die Runde machten. Vor dem Gefängnis, in dem Delon einen wegen Femizid verurteilten Freund besuchte, standen Frauen und brachten dem französischen Schauspieler Blumen. Eine fast schon zynische Szene.
Es war das letzte Mal, dass sich die alten Freunde sahen. Es war das letzte Mal, dass der Macho und der Herzensbrecher einander ihre Liebe und Freundschaft erklärten. Monzón starb 1995 bei einem Autounfall. Delónn folgte ihm am letzten Sonntag in seinem Haus im Kreise seiner Familie.
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