17. 10. 2024

Buenos Aires (AT) – In der argentinischen Agrargeschichte waren Führungspositionen traditionell fest in Männerhand. Doch dieser Trend wandelt sich zunehmend. In den Gewerkschaften steigt nicht nur die Zahl der Frauen, die sich aktiv einbringen, sondern es besetzen auch immer mehr Frauen Schlüsselpositionen. 2024 wird ein Jahr der historischen Neuerungen: Zum ersten Mal wird eine Frau die Präsidentschaft des argentinischen Landwirtschaftsverbands (FAA) übernehmen, und eine weitere Frau wird zur Vizepräsidentin der argentinischen Gesellschaft für den Landwirtschaft “Sociedad Rural Argentina” (SRA) gewählt – eine Institution mit stolzen 158 Jahren Tradition.

Andrea Sarnari (49), Landwirtin aus der Stadt Bolívar, Provincia de Buenos Aires, und Anwalt für Agrarrecht, ist seit September Vorsitzende der FAA (Anm.d.Red.: Argentinischer Landwirtschaftsverband). Ihre Familie engagiert sich seit langem in der lokalen Vertretung des Verbandes. „Schon als Mitglied eines landwirtschaftlichen Jugendzentrums habe ich erkannt, dass die Föderation das wichtigste Werkzeug ist, um die Interessen der landwirtschaftlichen Familien und Produzenten zu vertreten“, erklärt Sarnari. Für die neue FAA-Vorsitzende sind Engagement und Beteiligung der Schlüssel. „Aktives Mitwirken bringt Ergebnisse und zeigt den Nutzen“. 

Andrea Sarnari ist die erste weibliche Vorstandsvorsitzende des Landwirtschaftsverbandes FAA.

Eloísa Frederking (52) ist die erste Frau, die es bis zur Stellvetretenden Geschäftsführerin der argentinischen Gesellschaft für Landwirtschaft (SRA), der ältesten Gewerkschaft des Landes, geschafft hat. Geboren in Junín, Provinz von Buenos Aires hat sie in den USA, Bahía Blanca und Córdoba gelebt, wo sie heute den Familienbetrieb führt und sich um ihre drei Kinder kümmert. In den letzten 15 Jahren leitete sie landwirtschaftliche Betriebe in Buenos Aires und im Süden Córdobas. Ihr Engagement für die Interessen und Bedarfe der Produzenten führten zur Verbandstätigkeit: Über die Arbeit in der lokalen CREA-Gruppe (Anm. d. Red.: CREA ist der Verband der argentinischen Landwirtschaftserzeuger mit Fokus auf Innovation und Produktentwicklung), erkannte sie, wie wichtig Zusammenarbeit ist. „Das Gemeinwohl steht für mich immer an erster Stelle. Mein Ziel ist es, den Agrarsektor zu stärken und dafür zu sorgen, dass Argentinien als landwirtschaftliche Nation anerkannt wird“, erklärte sie im Gespräch mit der Zeitung Clarin

Vanesa Padullés (52) ist Vorsitzende bei Coninagro Córdoba, dem Interkooperativer Dachverband der ländlichen Genossenschaften. Schon in ihrer Kindheit und Jugend in Leones, Córdoba war sie oft die Sprecherin ihrer Arbetisgruppen. Aus einer Familie von Landwirten stammend, studierte sie Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Landwirtschaft, um den Familienbetrieb zu leiten. „Ich habe gelernt, dass ernsthaftes Engagement ohne persönliche Interessen und im Streben nach dem Gemeinwohl zu Ergebnissen führt“, erklärt sie. Ihre Mission, wie sie es selbst definiert: “sichtbar zu machen, dass hinter den landwirtschaftlichen Zahlen Familien stehen, die das Rückgrat des Landes bilden”.

Eloísa Frederking, die Frau, die bei der SRA den Ton angibt und Produzentin im Süden von Córdoba ist.

Noelia Castagnani (37), Agraringenieurin und Geschäftsführerin der Agrar-Gesellschaft der Ortschaft Venado Tuerto, die zur CRA (Agrar Verbände Argentiniens) gehört, ist Landwirtin in vierter Generation. „Ich erkannte, dass es nicht ausreicht, gut zu produzieren – es muss uns auch um das Eintreten für die Interessen der Rechte der Erzeuger gehen“, erklärt sie. Ihr gewerkschaftliches Engagement verdankt sie ihrem Vater, dessen Beispiel sie dazu veranlaßte 2007 in das Ateneo, der NGO der Jugendlichen der argentinischen Landgesellschaft beizutreten. Nach ihrem Studium setzte sie sich verstärkt für den Schutz der Produzenten ein. Später wurde sie in das Leitungsgremium ihres Orts-Verbandes gewählt.

Herausforderungen im Agrarsektor: Chancen und Wege zur Transformation 

In allen Bereichen, nicht nur in ländlichen Gebieten, sind Frauen auch in Argentinien in der Regel “Multitaskerinnen“. Besonders wenn sie neben Arbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung auch noch institutionelle Aufgaben übernehmen. „Die Schwierigkeiten, auf die ich als Frau gestoßen bin, sind die, auf die wir alle irgendwann stoßen: die Zeit für Engagement und Teilhabe zu finden, besonders als ich Mutter wurde“, sagt Sarnari, die zwei Teenager hat. „Die Verantwortung für die Kinder verlangt viel Aufmerksamkeit, was es schwer macht, sich voll zu engagieren. Es war schwierig für Frauen, sich einen Platz zu erkämpfen oder eine Führungsposition zu bekommen“, ergäntzt die FAA-Vorstandsvorsitzende. 

Demgegenüber wuchs Eloísa Frederking in einem Frauen geprägten Umfeld auf. Nach dem Tod ihres Vaters, musste ihre Mutter die Verantwortung für alles übernehmen. Den Familienbetrieb erbte Eloísa von ihrer Großmutter väterlicherseits, die ebenfalls früh verwitwet war, erklärte sie Clarin. „Sie war meine größte Inspiration – eine brillante, starke Frau, die mir alles beigebracht hat“, erzählte sie. „Die Frauen in der Familie haben immer unseren Weg gefunden. Ja, es ist eine Männerdomäne, aber ich hatte nie Probleme. In diesem Sektor sind Egos das wahre Hindernis, wer wütend wird, verliert“. 

Noelia Castagnani ist nur 37 Jahre alt, und Landwirtin in dritter Generation und Präsidentin der Venadan Sociedad Rural.

Eine der Hürden für Vanesa Padullés war, in einer männerdominierten Welt zu zeigen, dass sie ihre Führungsposition aus eigener Leistung verdient hatte, nicht nur als „die Frau von“. „Es war schwer für viele, zu erkennen, dass meine Ideen und Fähigkeiten einen eigenen Wert haben, und ich kämpfe noch immer dagegen an“, sagt sie. Eine weitere große Herausforderung war das Multitasking, die Vereinbarkeit ihrer Rolle als Gewerkschafterin und Mutter. „Männer haben oft mehr Freizeit, während ich diese für die Kinder und Haushaltsaufgaben nutzen muss. Trotz der Unterstützung meiner Familie bleibt die Hauptlast oft bei der Frau“, erklärt sie.

Ihr Traum ist es, den kommenden Generationen ein Land mit einer dynamischen Landwirtschaft zu hinterlassen, die ihr volles Potenzial entfaltet. „Ich möchte ihnen eine hoffnungsvollere Gegenwart und Zukunft bieten, damit sie den ländlichen Raum genauso lieben wie wir und ihn nicht als ständiges Problem wahrnehmen. Landwirt zu sein bedeutet, jeden Tag neu zu beginnen, jede Jahreszeit als neue Chance zu sehen und die Fähigkeit zu besitzen, sich ständig Herausforderungen zu stellen“, so Padullés.

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