Buenos Aires (AT) – Der argentinische Fußball hat eine seiner Referenten verloren. César Luis Menotti ging es nie nur ums Gewinnen, sondern immer auch um den möglichst eleganten Weg zum Sieg. Er war der Schöngeist unter den Fußballlehrern, der Philosoph auf der Trainerbank. „Der Ball ist für den Spieler, was für den Dichter die Worte sind: Am Fuß oder am Kopf kann er sich in ein Kunstwerk verwandeln“, sagte er in einem Interview vor Jahren. Am Sonntag ist die Legende im Alter von 85 Jahren in Buenos Aires, Argentinien, gestorben. Eine Rückblende auf ein Leben rund um the beautifull game.
Menotti definierte seinen Stil als “offensiv, sauber, fröhlich”; eine Spielphilosophie, die zu seinem Vermächtnis wurde. Im Gegensatz zu einem rein ergebnisorientierten Spiel wollte der coach seine Mannschaften zu einem “intelligenten” Fußball antreiben. “In Erinnerung bleiben die Teams, die mit gutem Fussball gewinnen”, sagte er einst der argentinischen Zeitung Clarín.
Eine Figur mit Licht und Schatten
Freunde aber auch Kritiker des für seine Eleganz auch ausserhalb des Spielfeldes bekannte Menotti, erkennen ihm an über zwei der wichtigsten Eigenschaften verfügt zu haben, die ein Trainer haben muss: Er fordert seine Spieler dazu heraus, jederzeit 100% Leistung zu bringen und dabei immer den natürlichsten Fluss des Spiels zu suchen.
Das vielleicht beste Beispiel dieser Spiel-Philosophie brachte Menotti 1978. In dem Jahr verhalf er Argentinien als Nationaltrainer zum größten sportlichen Erfolg. Er führte Menotti die “Albiceleste” (Anm.d.Red: Anspielung auf das Weiss-Helblau des argentinischen Nationaltrikots) vor seinem Heimpublikum zum ersten Weltmeistertitel. Ein Land, das zu jener Zeit unter der Gewaltherrschaft der rechten Militärjunta litt. Der Diktator Rafael Videla wollte mit der Weltmeisterschaft Argentiniens Image in der Welt aufbessern. Es sollte ausgerechnet Menotti sein, ein erklärter Kommunist und Regimekritiker, der ihm den Titel brachte.
Menottis Rolle war nicht unumstritten. Der Trainer kritisierte die Militärs zwar nicht offen, liess seine Ablehnung aber immer wieder durchscheinen. Gleichzeitig war Menotti, der aus einer oberen Mittelschicht-Familie stammte- mit der Tochter eines Bankiers verheiratet. Die Rolle des “linken Kämpfers” nahmen ihm deshalb nicht alle ab.
Werdegang: von Pelé bis zur Nationalmannschaft
Menotti, der wie Lionel Messi aus der Stadt Rosario, in der Provinz Santa Fe, stammte, teilte einst das Spielfeld mit dem brasilianischen Fussballprofi Pelé, beim FC Santos. Für die argentinische Nationalmannschaft absolvierte er elf Länderspiele. 1970 startete er seine eigene Trainerkarriere bei den Newell’s Old Boys, dem Verein seiner Geburtsstadt. 1974 wurde er zum Chef der “Albiceleste” berufen. Zu dieser Zeit befand sich der argentinische Fußball in der Krise. Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland hatte sich sich die Mannschaft durch die Vorrunde gequält. Vier Jahre zuvor, nicht einmal für die Weltmeisterschaft in Mexiko qualifiziert.
“Er ließ uns mehr laufen als die Deutschen”
César Luis Menotti gilt als einer der Entdecker von Diego Armando Maradona, der 1977 dank “El Flaco” (Anm.d.Red.: der Lange; der Dürre) sein Debüt in der argentinischen Nationalmannschaft hatte. In dem Spiel gegen Ungarn, besiegte Argentinien seinen Gegner mit 5:1. Maradona war mit 16 Jahren und 4 Monaten der jüngste Spieler auf dem Feld. ist.
Kurz vor seinem Tod im Jahr 2019 sagte Maradona über seinen Förderer: „Er ließ uns mehr laufen als die Deutschen und schöner spielen als die Brasilianer. Ich trage Dich im Herzen”. Die Bewunderung war beidseitig. „Diego war der größte Spieler der argentinischen Nationalmannschaft. Als sie ihn bei der FIFA nicht in den Griff bekamen, haben sie ihn ‘umgebracht‘”, erklärte El Flaco in einem Interview mit Radio Mitre. Sein Spieler-Herz hat Menotti jedoch weder Maradona noch seinem Nachfolger Lionel Messi geschenkt. Menotti machte nie einen Hehl darus, das für ihn nur einer die Nummer 1 der Fußballgeschichte sein konnte: seine ehemaliger Mitspieler, der Brasilianer Edson Arantes do Nascimento, den alle nur “Pelé” nannten.
Dem Fussballgeschäft blieb Menotti bis ins hohe Alter treu. Noch mit 80 Jahren nahm er einen Job im argentinischen Fussballverband an. Dort war er bis zuletzt Generaldirektor der Nationalmannschaften des südamerikanischen Landes. Seinen letzten Triumph erlebte er vor einem Jahr. “Das Geheimnis dieser Mannschaft ist, dass sie Fussball spielt”, sagte er kurz vor dem WM-Finale in Qatar, wo Argentinien unter seinem derzeitigen Trainer, Lionel Scaloni, im Dezember 2022, gegen Frankreich seinen dritten WM-Titel holte.
Scaloni, der 44 Jahre nach Menotti den Titel nach Argentinien brachte, würdigte in den sozialen Neztwerken die menschliche Nähe seines Vorbildes : „Wir haben einen Meister des Fußballs verloren. Danke für die liebenswerten Gespräche, mit denen Du uns alle geprägt hast“. Scaloni Namensvetter Lionel Messi schrieb in der Nacht zum Montag per Instagram. „Eine der großen Figuren unseres Fußballs hat uns verlassen“. Eine hommage an Menotti, dem Trainer und Vorbild.
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