Buenos Aires (AT) – Es dürfte nicht die beste Woche Javier Mileis werden. Nicht auf der internationalen und nicht auf der lokalen Bühne. Im Ausland sorgt die Rede, die er am Dienstag vor den Vereinten Nationen (UNO) hielt, auch kurz vor Wochenschluss noch für Gesprächstoff. Milei hatte in seinem ersten jour fixe vor der Generalvollversammlung der UNO Argentinien in eine ungewohnte Situation gebracht: Der Präsident stellte eine eigene Entwicklungsagenda für die UNO vor und positionierte darin Argentinien in einer aktiven Rolle bei geopolitischen Herausforderungen. “Die Tage der argentinischen Neutralität sind vorbei”, versicherte der Regoerungschef. Den „Zukunftspakt“, der erst zwei Tage zuvor von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Konsens angenommen worden war, erteilte Milei eine Absage. Sein Kommentar zum Thema: Der Zukunftspakt in seiner jetzigen Form würde nur die „tragische“ Entwicklung der UNO in die Irrelevanz verstärken.
Wie berichtet nutzte Milei seinen Auftritt an dem historischen Rednerpult, um die Staats- und Regierungschefs dagegen aufzufordern mit ihm eine neue Agenda für die Freiheit zu schaffen, ohne dabei ins Einzelne zu gehen. Die Rede dürfte zu Mileis radikalem und – wenn auch manchmal widersprüchlichem – Image beitragen. Doch war es schon kurz nach seiner Präsentation in New York klar, dass seine Vorschlag auf wenig Gegenliebe stoßen wird.
Mileis Argumente gegen eine neue multilaterale Entwicklungsagenda der UN stellten Argentinien in unmittelbare Nachbarschaft mit Russland, Nicaragua, Nordkorea, Iran, Syrien und Sudan – Regime, denen Milei den Rücken gekehrt hat und die sich ausdrücklich gegen Länder wie USA, der Ukraine, Israel und anderer westliche Demokratien gestellt haben. Diese fordern ebenfalls eine Änderung des Paktes. Ihr Argument: „die Vereinten Nationen und ihr System dürfen sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die im Wesentlichen in die nationale Zuständigkeit der Staaten fallen“.
Hiuerzu veralutete in den Folgetagen aus der argentinischen Regerungsdelegation: „Argentinien hat sich dem Konsens der anderen Länder nicht widersetzt. Wir haben die Verabschiedung des Paktes zugelassen uns aber dann davon distanziert“. Sein Team erklärte, dass Mileis Botschaft eher darauf abzielte, die alte Rolle der Vereinten Nationen neu zu denken, um sich wieder mehr auf Frieden und Sicherheit konzentrieren zu können und weniger die wirschaftlichen und sozialen Entwicklungschancen im Alltag der Menschen vorgeben zu wollen.
Mileis Haltung offenbarte einen Bruch mit dem historischen oben angesprochenen Neutralitäts-Anspruch Argentiniens. Dieser ist von allen seinen Vorgängern – zuletzt: Alberto Fernández, Mauricio Macri und Cristina Kirchner – trotz aller ideologischer Differenzen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit nur wenigen Ausnahmen immer wieder bestätigt worden.
Freie Märkte, freie Geister und die “harten” Zahlen der Armut
Der Besuch von Javier Milei in New York hinterließ aber auch positivere Fotos: Auf dem Parkett der Wall Street läutete Milei die Glocke, die den Handelstag eröffnete. Milei wollte seine Stippvisite in Manhattan nutzen, um für seine Vision und sein Regierungsprogramm zu werben sowie Investitionen zu fördern. Nach der Foto-Op traf sich der Ökonom deshalb auch in einem 40-Minütigen Gespräch mit Marktvertretern, um ihnen die nächsten Sationen seines Fahrplan zur Neuordnung der argentinischen Wirtschaft zu erläutern. Zu seinen direkten Gesprächspartnern gehörte auch dieses Mal Elon Musk, mit dem Milei schon zwei Mal konferieren konnte.
Milei traf sich allerdings nicht wie erwartet mit der geschäftsführenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, obwohl beide in New York waren und Argentinien und der Fonds sich auf neue Verhandlungen zu bewegen. Die offizielle Erklärung lautete, dass eine Delegation von Beamten im Oktober zur Jahrestagung des IWF nach Washington reisen werde. Milei nahm auch keine Einladung des Council of the Americas an, wo sich in diesen Tagen mehrere regionale Staatschefs treffen, eine fast obligatorische Station für argentinische Politiker in Manhattan und eines der wichtigsten Foren für Unternehmen, die in Lateinamerika investieren.
Zurück auf dem Boden des argentinischen Tagesgeschehens bereiten sich der Staatschef und sein Team zum heutigen Donnerstag auf bittere Wahrheiten vor: Das Amt für Statistik (Indec) stellt heute um 16 Uhr argentinischer Zeit seinen jüngsten Bericht “Armut in Argentinien” vor. Und die Daten lassen nichts gutes erwarten: Wie die Zeitung La Nacion unter Verweis auf eigene Indec-Quellen vorab berichtet dürfte der Bericht zeigen, dass heute etwa 55% der Argentinier arm sind. Dieser Prozentsatz könnte in der Altersgruppe der 0-17-Jährigen sogar auf 66% ansteigen. Es wäre der höchste Wert seit der Krise von 2002. “Es sind bittere und harte Zahlen”, hieß es aus dem Regierungsteam vorab.
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