Buenos Aires (AT) – Wenn am Montag die neue Regierung um Javier Milei ihre Arbeit aufnimmt, werden die Augen vieler auf einen Sektor blicken: dem Energiesektor. Und hier auf das Potenzial, das die globale Energiewende diesem an Rohstoffen so reich gesegnetem Landes eröffnet. Eines der Hauptfelder: die Produktion und Nutzung von Wasserstoff sowohl für die inländische Energiewende als auch als Exportgut.
Wie das Argentinische Tageblatt berichtet, setzen gerade im Ausland -gerade in den DACH-Ländern- Unternehmen aber auch Regierungen darauf, dass sich Argentinien zu einem globalen Player auf diesem Feld entwickeln kann. Insbesondere als Dienstleister in der Ammoniak-, Kraftstoff- aber auch Stahlproduktion sowie im Raffinerie-Sektor. Bereits in wenigen Monaten dürfte sich abzeichnen wie weit Argentinien diese Hoffnungen erfüllen kann. Dann werden die Anreize und das Regelwerk absehbar sein, die das neue Regierungsteam in der Casa Rosada für den Sektor nicht nur plant sondern auch durchsetzen kann. Inbegriffen, die Vorgaben für die Nutzung der reichhaltigen Lithium-Vorkommen, die zusammen mit der Wasserstoff-Produktion den Umbau der lokalen Energiematrix anführen dürften.
Im Rahmen der Diskussionsrunde “Entkarbonisierung & Wasserstoff”, der vom Medium EconoJournal organiserten Tagung, analysierten die Vertreter von Tecpetrol, Dow, IDB und Hychico die Chancen, die sich Argentinien zudem bieten, um die eigene die CO2-Emmissionen zu reduzieren und seine eigene Wirtschaft auf dem Wege zur Entkarbonisierung voranzubringen.
Wasserstoff: Kosten und billiges Erdgas
Die Produktion von Wasserstoff ist heute weltweit durch ihren hohen Kosten-Aufwand bedingt. Eine Möglichkeit sich da von internationalen Wettbewerbern abzusetzen hat Argentinien heute dank seiner Erdgas-Produktion. Dank der Vorkommen in der 30.000km2 großen Vaca Muerta Region aber auch vor seinen Küsten, kann das Land heute billiges Erdgas zur Wasserstoff-Herstellung in großem Rahmen nutzen, wie die Experten Francisco Grosse, Entwicklungsleiter für Wasserstoff- und Kohlenstoffabscheidungsprojekte bei Tecpetrol; Dolores Brizuela, Vertriebsleiterin für Kohlenwasserstoffe und Energie in Lateinamerika bei Dow; Virginia Snyder, Energie Manager der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), und Ariel Pérez, Manager für Erneuerbare Energien bei Hychico, auf dem jüngst organisierten Energy-Day erklärten.
Bei den Anreizen zur Wasserstoff-Produktion empfahl Grosse das Modell der USA. Die Regierung von Joe Biden hat unter anderem Steuererleichterungen geschaffen, die die Zahlung von bis zu 70% der Investitionskosten für CO2-Abscheidung decken. Das Modell fördere insbesondere die Nutzung von Wasserstoff in der Stahl-Industrie, erkärte Grosse, dessen Unternehmen Teil des argentinischen Stahl-Holdings Techint ist. Der Experte hob zudem hervor, dass der Ausbau von Vaca Muerta der gesamten Wirtschaft zum ersten Mal ermögliche sich von dem teuer importieren Diesel-Öl zu lösen, mit dem Argentinien in den letzten Jahren seinen eigenen Gas-Haushalt bediente.
Brizuela verwies dabei auf die Erfahrung ihres Unternehmens mit dem aus Dampfreduzierung von Erdgas gewonnenen Wasserstoff. Dow baue bereits dank entsprechender Investitions-Anreize eine Anlage in Kanada, die 2027 ihren Betrieb aufnehmen wird, erklärte die Dow-Vertreterin. Demgegenüber betonte Hychico-Manager Pérez – dessen Unternehmen sich auf die Nutzung von Wasserstoff und Sauerstoff sowie die Stromerzeugung auf Grundlage erneuerbarer Energien spezialisiert hat –, den Blick nicht nur auf die Erzeugung von Energie zu begrenzen, sondern das Potenzial der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu fördern. Ein Schritt in die richtige Richtung sei hier die Wasserstoffstrategie, zu der sich Argentinien im September verpflichtet hat und in dessen Rahmen Hychico derzeit ein Projekt für den Export von Ammoniak prüft, erklärte Pérez.
Strompreise und Infrastruktur
Aus der Sicht der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BDI), betonte Snyder die Notwendigkeit, dass die neue Regierung schnell Klarheit bei der Neuregelung von Strompreisen und Tarifen schaffe. Nur dann könne auch eines der größten Schwächen des argentinischen Energienetzes angegangen werden: die Verbesserung und Ausbau des Transportnetzes über Hochleitungen und Erdkabel. “Ohne Netz kann es keinen Übergang zu einem nachhaltigen Energiemodell in Argentinien geben. Heute deckt die Tariflage kaum die Kosten der Unternehmen zum Betrieb ihre Transportanlagen, geschweige denn ihres Ausbaus“, erklärte die BDI-Vertreterin. Gerade für die kommende Elektromobilität aber auch für die Dekarbonisierung der Industrie insgesamt sei ein Ausbau des Hochspannungs-, das Mittelspannungs- und vor allem Niederspannungsnetz von grundlegender Bedeutung.
Eine klare Rechtslage, die entsprechende ausländische Inverstoren ins Land zieht, sowie die Neuaufstellung der lokalen Infrastruktur aufgrund marktbasierter Tarife können Argentinien zu einem regionalen Energie-Player machen, stimmten die Diskussionsteilnehmer zum Schluß überein. „Grundlage dafür ist jedoch, dass die Wirtschaft stabilisiert wird, ihre Unternehmen unter normalen Bedingungen arbeiten können und ohne Probleme importieren als auch Dividenden ohne Auflagen in ihre ausländischen Zentralen zurückgeführt werden können. Zudem muss der Ausbau von Vaca Muerta zu einem Grundbestandteil der Wirtschaftspolitik unseres Landes wird”, fasste Brizuela die Sicht auf die nächsten Monate in wenigen Sätzen zusammen.
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