09. 12. 2023

Buenos Aires (AT) – Am heutigen Sonntag leistet Javier Milei im argentinischen Parlament seinen Amtseid. Die traditionelle Zeremonie der Präsidentschaftsübergabe dürfte allerdings auch dieses Jahr nicht ein “same procedure as every year” sein. Angefangen bei der Ansprache, die das neue Staatsoberhaupt, nicht wie gewohnt im Halbrund der Deputierten-Kammer, dem Unterhaus des argentinischen Kongresses, halten wird, sondern im Freien, auf den Stufen des Gebäudes, das dem US-amerikanischen Vorbild nicht zufällig nachempfunden ist.

Troztdem wird Milei einige protokollarische Regeln beachten müssen, wenn er den sogenannten bastón presidencial -das Päsidenten-Zepter- und die Präsidentenschärpe vo seinem scheidenden Amtsvorgänger, Alberto Fernández, übernimmt. Der Passus ist nicht gesetzlich geregelt, hat aber seit mehr als 150 Jahren Tradition und gilt als eines der symbolträchtigsten in argentinischen Demokratie, um so mehr wo die Erinnerung an die letzte Diktatur (1976 – 1983) noch allzu frisch ist. Und trotzdem, die Zeremonie sorgt alle vier Jahre immer wieder Gesprächstoff und Anekdoten, wie es die letzten zwei Amtsübergaben gezeigt haben.

Die Spannung ist gewaltig: Amtsübergabe 2019 Mauricio Macri verabschiedet sich von der Präsidentschaft und Cristina Fernandez de Kirchner übernimmt das Amt der Vizepräsidentin. (quelle: losandes.com)

Der Streit über den Zeitpunkt des Beginns der Präsidentschaft 2015

Im Jahr 2015 übergab die damals ausgehende Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner den präsidialen Titel nicht an Mauricio Macri, der gerade die damalige Wahlen gewonnen hatte. Die beiden Präsidenten waren sich uneinig darüber, wie die Machtübergabe nach 12 Jahren Kirchner-Regierung stattfinden sollte. Es handelte sich um Diskrepanzen zwischen den Bestimmungen der nationalen Verfassung und den Bestimmungen der Zeremonialordnung der Präsidentschaft über den Zeitpunkt der Machtübergabe. Die Macrismo-Partei behauptete damals, dass der Präsident “am Donnerstag, den 10. Januar, von null Uhr an Präsident sein wird” und dass es daher an ihm liegt, die Zeremonie zu organisieren. Die Regierungspartei wies jedoch darauf hin, dass Cristina Fernández bis zur Amtseinführung von Macri vor dem Kongress regieren würde, und legte ein Dokument des Notars der Nation vor, in dem der Zeitpunkt des Amtsantritts von Macri angeben wurde. Die Präsidentin Fernandez de Kirchner stellte klar, dass sie sich aufgrund eines Gerichtsurteils bei der Zeremonie “fernhalten” müsse. 

Der baston presidencial ist ein Amtsstab, der in Argentinien zusammen mit der Präsidentenschärpe bei der Amtseinführungszeremonie überreicht wird. (quelle: wikipedia)

Der andere Streitpunkt war die Frage, von wem Macri den bastón presidencial und die Präsidentenschärpe entgegennehmen würde. Der Kirchnerismo wollte, dass Cristina Fernández die Attribute am Sitz der Legislative übergibt, wie es bei ihr und ihrem Ehemann Néstor Kirchner 2011 der Fall war. Das Team des Anti-Kirchner-Bündnisses Cambiemos erklärt jedoch, dass es sich um eine zeremonielle Regelung aus den 1960er Jahren handelte, die den Normen des präsidialen Protokolls entspricht. Die Verfassung sah vor, dass Macri vom Präsidenten des Senats und vor dem Kongress eingeschworen werden sollte, wobei die Übergabe von Schärpe und Taktstock, die eher der Tradition entspricht, nicht erwähnt wurden.

Zur sozioökonomischen Situation des Landes im Jahr 2015: Der künftige Präsident Macri konfrontiert nach 12-Jahren Kirchnerismus eine hohen Inflation (11 % nach Angaben der derzeitigen Regierung, 26 % nach Angaben privater Berater), unkontrollierten öffentlichen Ausgaben, einer Konjunkturabschwächung, einem Konflikt mit einer Gruppe von Schuldeninhabern – den Holdouts oder Geierfonds – und niedrigen Devisenreserven in der Zentralbank konfrontiert.

Machtübergabe 2019: Es gab Gesten der Brüderlichkeit, Umarmungen und ein Bild der persönlichen Nähe, wie man es selten zwischen Alberto Fernández und Mauricio Macri gesehen hatte. (quelle: lanación.com.ar)

Die historische Umarmung im Jahr 2019

Fast forward: vier Jahre später. Was am 10. Dezember 2019 geschah, hatte es in der Geschichte Argentiniens noch nie gegeben. Alberto Fernández war der erste peronistische Präsident, der die Präsidentenschärpe rechtzeitig von seinem “Rivalen” erhielt. Dies war ein historisches Ereignis, da es seit 1928 nicht vorgekommen war, dass ein nicht-peronistischer Präsident die Macht ohne eine institutionelle Krise übergeben hat, und sowohl Alberto Fernández als auch Macri selbst betonten den Wert dieses historischen Ereignisses.

Seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1983 gab es nur drei nicht-peronistische Präsidenten. Die ersten beiden, Raúl Alfonsín (1983-89) und Fernando de la Rúa (1999-2001), waren Radikale und hatten beide mit schweren Wirtschaftskrisen zu kämpfen. Beide mussten die Macht frühzeitig abgeben. Macri ist der dritte nicht-peronistische Präsident, der regiert, und der einzige, dem es gelungen ist, das Ende seiner Amtszeit zu erreichen. 

Ein reibungsloser Übergangsprozess: Mauricio Macri erkannt seine Niederlage an und lud Alberto Fernandez zum Frühstück in die Casa Rosada ein. (quelle: lanación.com.ar)

Während es anderswo vielleicht normal ist, dass ein abtretender Präsident seinem “Gegner” gratuliert, der ihn gerade bei den Wahlen besiegt hat, ist dies in Argentinien ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist es, dass er ihn am Morgen nach dem Sieg zum Frühstück in den Präsidentenpalast, die Casa Rosada, einlädt, wie es Macri am 28.Oktober tat. Dieses Treffen wurde in nehreren Fotos festgehalten, die für viele Argentinier einen wichtigen Meilenstein darstellen. 

Protestposter in etwa “Schluss mit dem IWF” im Jahr 2018. (quelle: lavanguardia.com)

Die sozioökonomische Lage Argentiniens im Jahr 2019 war nicht viel besser: Macri verließ das Amt mit einer Inflation von fast 55%, doppelt so hoch wie bei seinem Amtsantritt als Nachfolger von Fernández de Kirchner; ein rasanter Anstieg des Dollars; das Problem der IWF-Schulden, ein von Macri im Jahr 2018 beantragter Kredit, der größte Kredit in der Geschichte des IWF: 57 Milliarden US-Dollar; die schwere Rezession und Arbeitslosigkeit, das Land schloss 2019 mit einem negativen Wachstum von -3,1 % ab, unter anderem. 

Wiederholt sich heut das Bild?

Es könnte dich interessieren

“Alles muss raus”: Der steinige Pfad der Privatisierung in Argentinien

Der Staat verwaltete in Argentinien bis zum Start der Regierung Milei rund 59 Unternehmen. Seit ...
18. 12. 2024

Talampaya-Nationalpark: Zwischen Prähistorie und deutschem Erbe

Der Nationalpark Talampaya in der Provinz La Rioja ist seit dem Jahr 2000 Weltkulturerbe der ...
15. 12. 2024

Logbuch des Klimawandels – Kap. 3: Wenn Räder zu Klimaschützern werden

Der deutsch-argentinische Journalist Esteban Engel hat lange Jahre für die Deutsche Presse-Agentur ...
13. 12. 2024

Javier Milei 2024: Ein Jahr zwischen Himmel und Erde

Javier Milei lässt ein Jahr anch seinem Start kaum jemanden kalt. Von Christian Lindner bis ...
10. 12. 2024
Flavio CannillaVon

Hacé tu comentario

Por si acaso, tu email no se mostrará ;)