19. 08. 2024

Buenos Aires (AT) – Der globale Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erfordert nachhaltige und innovative Lösungen, um den Energiebedarf der Zukunft zu decken. Grüner Wasserstoff, der durch erneuerbare Energien erzeugt wird, gilt als Schlüsseltechnologie, um die Dekarbonisierung der Industrie, des Verkehrs und der Energieerzeugung voranzutreiben. Besonders in den Ländern des Cono SurArgentinien, Chile, Uruguay -, eröffnen sich vielversprechende Chancen für die Produktion und den Export dieses Energieträgers nach Europa und die deutschsprachigen Märkte.

Andrés Labbé Valenzuela, Direktor für Investitionen in grünen Wasserstoff bei der Fundación Chile, gilt als einer der Experten im Spannungsfeld zwischen Erneuerbare Energien, Wasserstoff und Impact Investment zwischen Chile und Argentinien. In Chile ansässig hat sich der gelernte Ingenieur – Universidad Adolfo Ibáñez – Chile – auf die bestmögliche Verbindung zwischen Finanzen und Klimawechsel spezialisiert. Labbé war jüngst auch Teil der Experten-Runde, die German Accelerator, das Förderprogramm der deutschen Bundesregierung zur Internationaliserung der deutschen Gründerszene, zum Thema ClimateTech organisierte.

Aus Anlass der in diesen Tagen zu erwartenden Nachrichten rund um das neue Investitionsprogramm Régimen de Incentivo para Grandes Inversiones (RIGI), dass Argentinien unter anderem auch als Produktionstandort grünen Wasserstoffs zu empfehlen sucht, sprach Argentinisches Tageblatt exklusiv Andreas Labbe. Das Ziel: ein wengi besser zu verstehen wie real die Perspektiven hinter dem hype rund um diese erneuerbare Energiewuelle sind und welche Herausforderungen es noch zu überwinden gilt, um die gesamte Region in ein Wasserstoff-Hub für die Welt zu verwandeln. 

Argentinisches Tageblatt: Sie sind Direktor für Investitionen in grünen Wasserstoff bei der Fundación Chile. Was ist die Fundación Chile und wie lange gibt es sie schon?
Andrés Labbé:
Die Fundación Chile ist eine öffentliche und private Einrichtung, die es seit knapp 50 Jahren gibt. Sie ist eine einmalige Institution, weil sie einerseits vom chilenischen Staat und andererseits von dem größten privaten Bergbauunternehmen in Chile, BHP, unterstützt wird. Die Idee dieses Bündnisses, das nun schon seit vielen Jahren besteht, ist die Förderung der nachhaltigen Entwicklung der chilenischen Wirtschaft. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Diversifizierung der Produktion und der Möglichkeit, neue oder hochentwickelte Industrien zu entwickeln. Wir haben eine sehr wichtige Rolle bei der Mobilisierung des Ökosystems der Unternehmen und des Unternehmertums in Chile gespielt und waren an der Schaffung von Branchen wie der Lachs- und der Solarindustrie beteiligt. Wir sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, die Entwicklung neuer Technologien und neuer Industrien in Chile zu beeinflussen und zu unterstützen.  

Andrés Labbé, Direktor für grüne Wasserstoffinvestitionen bei Fundación Chile.

Welche Ziele verfolgt die Stiftung heute? Welche Erfahrungen hat die Fundación Chile gemacht?
Wir befinden uns heute in einem sehr schwierigen Umfeld. Wir stehen vor mehreren Herausforderungen, aber wir konzentrieren uns vor allem auf drei. Die eine ist die Bekämpfung des Klimawandels, wobei wir uns bewusst sind, dass es sich um eine globale Herausforderung handelt, zu der wir auf lokaler Ebene mit Lösungen beitragen können. Auf dieser Ebene können wir auch über Themen sprechen, die insbesondere mit grünem Wasserstoff in Verbindung stehen. Wir stehen auch vor der ganz konkreten Herausforderung, die Wirtschaft umzugestalten, um diese neuen Industrien zu schaffen und auch die Schlüsselindustrien des Landes umzugestalten, von der Digitalisierung bis hin zur Dekarbonisierung und dem Übergang zu einer nachhaltigeren Industrie. Und das dritte große Ziel, an dem wir sehr hart arbeiten, ist die Entwicklung des Humankapitals und vor allem die berufliche Laufbahn der Menschen. Wir arbeiten also an verschiedenen Projekten, die vom frühesten Schulalter bis zur Umschulung auf dem Arbeitsmarkt, der neuen digitalen Wirtschaft reichen.

Ihre Schlüsselbegriffe sind Klimawandel und grüner Wasserstoff. Warum konzentrieren Sie sich auf diese Themen? 
Generell kann man sagen, dass Chile schon immer ein Land war, das fossile Brennstoffe genutzt hat und sich hauptsächlich auf mineralgewinnende Industrien mit geringer Wertschöpfung wie Kupfer konzentriert hat. Die Herausforderung des Klimawandels und der Bedarf an sauberer Energie haben jedoch das Potenzial für die Entwicklung erneuerbarer Energieressourcen in Chile deutlich gemacht. In dieser Hinsicht haben wir sogar die Möglichkeit, die derzeitige Energiekapazität allein in Chile im Bereich der erneuerbaren Energien um das 70-fache zu steigern. Die Frage ist, wie wir diese Ressourcen nutzen können, um unser Unternehmen und unsere Wirtschaft zu dekarbonisieren, aber auch um der Weltwirtschaft zu helfen. Und genau hier liegt die Chance des erneuerbaren Wasserstoffs. Vor allem für einige Sektoren, die schwer zu dekarbonisieren sind, wie Stahl, Transport oder Logistik. Die Fundación Chile sieht eine Chance, diesen Prozess zu unterstützen, denn es handelt sich um einen hochkomplexen Prozess, die Wertschöpfungskette ist sehr lang und erfordert eine Menge Koordination und Maßnahmen in verschiedenen Bereichen.

Wie sehen Sie das Potenzial für grünen Wasserstoff in Chile und der Region insgesamt und welche Herausforderungen und Chancen gibt es da konkret? 
Es gibt Sektoren, die die Ziele des Pariser Abkommens nicht erreichen, vor allem in den Industrieländern, die ihre Wirtschaft dekarbonisieren müssen. Es ist mehr als nur Elektrifizierung erforderlich, und es gibt Sektoren, die Wasserstoff benötigen, um die Dekarbonisierung zu erreichen. Konkret würde ich sagen, dass es zwei Regionen gibt, die sehr an der Entwicklung dieser Energieform interessiert sind. Da ist zum einen Asien, insbesondere Japan und Korea, Länder, die sehr intensiv an der Entwicklung ihrer Industrien arbeiten und in gewisser Weise diese Energie benötigen, die sie nicht haben. Zum anderen Europa, als großer Wirtschaftsblock, zu dem auch recht industrialisierte Länder wie Deutschland, Frankreich und andere gehören. Ich würde sagen, dass sich diese Situation seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine noch verschärft hat, da Europa in gewisser Weise beschlossen hat, nicht mehr von den fossilen Brennstoffen aus Russland abhängig zu sein, und versucht, seine Energiequellen zu diversifizieren. Dies eröffnete die Möglichkeit, dass ein Teil dieser Energie von dieser Seite der Welt kommt.

Grünes Wasserstoff aus Chile für die Welt: Das Land hegt grosse Pläne.

Welche konkreten Beispiele gibt es, die die Region in Bezug auf Politik und Regulierung folgen könnte?
Ich würde sagen, dass eine der Herausforderungen, die wir heute bei der Weiterentwicklung dieses Sektors sehen, darin besteht, die Vorschriften so anzupassen, dass sich dieser Sektor in der richtigen Weise entwickeln kann. Um einerseits Investitionen und die Entwicklung dieser Art von Projekten zu fördern und andererseits sicherzustellen, dass diese Projekte im Einklang mit der Umwelt und den Gemeinden entwickelt werden und langfristig nachhaltig sind. Ich würde sagen, dass eines der wichtigsten Themen, das zum einen auf großes Interesse, aber auch auf Besorgnis stößt, darin besteht, dafür zu sorgen, dass das Genehmigungsverfahren zügig und vernünftig abläuft, wenn man bedenkt, wie dringend diese Projekte sind. 

Wie trägt Chile beim Thema Klimawandel und grünem Wasserstoff in Lateinamerika bei und welche Lektionen kann Chile seinen Nachbarländern mit auf den Weg geben?
Einerseits verfügen wir über natürliche Ressourcen, und insofern ist es selbstverständlich, dass wir dieses Potenzial nutzen. Andererseits haben wir aus der Vergangenheit heraus gelernt wie wichtig eine seriöse Politik und die Schaffung eines soliden und stabilen wirtschaftlichen Umfelds sind, um Investitionen, insbesondere aus dem Ausland, für die Entwicklung dieser Großprojekte in hohem Maße nicht nur zu begüsntigen sondern nachhaltig anziehen zu können. Wir wissen, dass dies in der Region nicht immer geschieht, so gesehen haben wir das Gefühl, dass wir Vorreiter sind und von hier aus auch anderen Ländern in der Region helfen können, diesen Weg zu gehen. Der dritte Punkt ist, dass wir als Land seit einiger Zeit die Notwendigkeit erkannt haben, bei der Schaffung dieser Industrien einen Mehrwert zu schaffen. Es ist nicht sinnvoll natürlichen Ressourcen auzubeuten, ohne in der Lage zu sein, uns in die Wertschöfpungskette zu integrieren, um diese Technologie zu integrieren und einen zusätzlichen Wert zu erzielen. Wir arbeiten also intensiv an der Entwicklung von Innovationsinitiativen im Zusammenhang mit eben Energiequellen wie grünen Wasserstoff und eben insbesondere an der Verknüpfung mit der Industrie. 

So soll der von Fundación Chile finanzierte Start-Up Campus in Santiago de Chile aussehen.

Wo liegen also die reellen Chancen für Unternehmer in diesen Bereichen?
Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten in dieser Hinsicht. Wir verfügen über grundlegende Elemente, aber man braucht auch Ideen und Erfahrungen, um sie nutzen zu können. In letzter Zeit haben wir ein großes Interesse am Unternehmertum und an Startups gesehen, die sich in die Wertschöpfungskette dieser sauberen Energieindustrien integrieren. Teil der Initiativen, die wir in letzter Zeit in der Fundación Chile gefördert haben, sind im Wesentlichen zwei Projekte. Eine davon ist die Entwicklung eines Accelerators, der sich auf Startups mit innovativen Lösungen zu Klimafragen, insbesondere zu Fragen der Dekarbonisierung, konzentriert, genannt Decarb-Volution. Zum anderen hat Corfo, die chilenische Agentur für wirtschaftliche Entwicklung, vor kurzem die Fundación Chile beauftragt, eine Initiative namens Startup Campus zu entwickeln. Dabei handelt es sich im Grunde um ein Hub in Santiago, an dem wir das Ökosystem für Innovation und Unternehmertum zusammenbringen werden, um Unternehmer, die sich auf wissenschafts- und technologiebasierte Unternehmen konzentrieren, mit Kapazitäten, Labors, Netzwerken und Schulungsmöglichkeiten zu unterstützen. 

Wie hat sich die Arbeti mit dem German Accelerator diesebzüglich ergeben? 
Seit etwa einem Jahr stehen wir in Kontakt mit dem German Accelerator. Der German Accelerator interessiert sich zunehmend für die Region und sucht gezielt nach Kontakten. Wir sehen hier Gemeinsamkeiten, vor allem weil es möglich ist, Kräfte zu bündeln und Synergien zwischen beiden Regionen zu suchen, um gemeinsam Lösungen für die Dekarbonisierung und die Anpassung an den Klimawandel voranzutreiben. Und so sind wir auch dabei, Verbindungen nach Deutschland aufzubauen. 

Was kann die Region tun, um sich diesem europäischen Interesse anzunähern und umgekehrt?
Europa hat im Allgemeinen deutlich gemacht, dass es mit Lateinamerika bei der Entwicklung bestimmter Industrien zusammenarbeiten will, um seinerseits die Energieversorgung und auch bestimmte Rohstoffe zu sichern. Und in diesem Sinne sind sie bereit, die Entwicklung dieser Industrien mit Kooperationsmitteln und auch mit potentieller Nachfrage zu unterstützen. So haben sie zum Beispiel auch Programme entwickelt, die in Chile und in Europa mit der Team Europe Initiative besonders aktiv waren, um die Entwicklung der erneuerbaren Wasserstoffindustrie zu unterstützen. Ich glaube, dass es gerade in Lateinamerika viele Möglichkeiten gibt. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir in der Lage sind, zu Worte zu kommen, dass wir auch von öffentlicher Seite in der Lage sind, Unternehmen und Lösungen zu fördern. Es ist notwendig, die Absichten und die Unterstützung der EU willkommen zu heissen und anzupassen, um endlich in der Lage zu sein, Geschäfte zu machen und Lösungen zu finden, die für beide Seiten nützlich sind.

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