Am 6. September 2025 fand im Rahmen der Hannah-Arendt-Tage in Buenos Aires eine Podiumsdiskussion statt, organisiert vom Goethe-Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Vertreter deutscher Stiftungen nahmen daran teil. Einer der Hauptredner war Hans-Dieter Holtzmann, Politikwissenschaftler und Kenner der liberalen Tradition. Er stellte zentrale Bezüge zwischen Arendts Werk und aktuellen Herausforderungen in Argentinien her.

Freiheit als aktives Handeln
Holtzmann erinnerte daran, dass Hannah Arendt Freiheit nicht nur als Abwesenheit von Zwang verstand. Inspiriert von Isaiah Berlin sah sie Freiheit als die Fähigkeit zu handeln, seine Meinung zu äußern und am öffentlichen Leben teilzunehmen. Diese Rechte müssten nicht nur in Verfassungen verankert, sondern durch Institutionen garantiert werden. „Eine Verfassung, gedruckt auf dem schönsten Papier, ist wertlos, wenn die Rechte im Alltag verletzt werden“, erklärte Holtzmann mit Blick auf Arendts eigene Erfahrungen von Verfolgung und Exil.

Wachsamkeit gegen Populismus und Extremismus
Ein weiterer Schwerpunkt war die Fragilität demokratischer Systeme. Arendt habe gezeigt, dass Freiheit nie endgültig gesichert sei, sondern ständiger Verteidigung bedürfe. Holtzmann wies darauf hin, dass der Vormarsch populistischer Bewegungen in verschiedenen Teilen der Welt ein deutliches Warnsignal darstelle. Demokratien müssten „Tag für Tag durch die aktive Beteiligung der Bürger verteidigt werden“.
Gleichheit und Freiheit kein Widerspruch
Holtzmann hob hervor, dass Arendt die vermeintliche Gegensätzlichkeit von Gleichheit und Freiheit zurückwies. Gesellschaften, die sich auf Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat stützen, hätten laut Holtzmann mehr Stabilität und Wohlstand erreicht. Als Beispiele nannte er Uruguay, Chile und Costa Rica, im Gegensatz zu Venezuela, Nicaragua und Kuba, die unter autoritären Regimen leiden.

Das argentinische Dilemma
Besonderes Augenmerk richtete Holtzmann auf die Lage in Argentinien. Das Land stehe „vor einer entscheidenden Herausforderung“: Es brauche weniger polarisierende Kulturkämpfe und mehr Konsens, um die Abhängigkeit von einem paternalistischen Staat zu verringern. Stattdessen müsse Eigenverantwortung gestärkt werden. Holtzmann betonte, dass der klassische Liberalismus ein Gleichgewicht suche, in dem Bürger ihre Freiheit verantwortungsvoll ausüben, während der Staat klare, begrenzte Aufgaben wahrnimmt. Als Modell nannte er die soziale Marktwirtschaft, die in Deutschland nach 1945 das „Wirtschaftswunder“ ermöglichte.

Pluralität und Meinungsfreiheit
Holtzmann erinnerte zudem an Arendts Warnung vor dem Zwang zu einer einzigen Wahrheit. Pluralität und Meinungsfreiheit seien die Grundlagen jeder offenen Gesellschaft. Angriffe auf die Presse oder die Zensur kritischer Stimmen widersprächen liberalen Prinzipien. Einschränkungen der Freiheit dürften nur auf juristischem Weg erfolgen, nicht aus politischer Opportunität. „Die beste Antwort auf fragwürdige Ideen ist die offene Debatte“, so Holtzmann.
Verantwortung in Zeiten von Fake News
Doch Freiheit bringe auch Verantwortung mit sich. Besonders im Journalismus sei es notwendig, Quellen sorgfältig zu prüfen – gerade im Wahlkampf. Holtzmann warnte, dass Desinformation und sogenannte Fake News für Demokratien ebenso gefährlich seien wie Zensur. In einer vernetzten Gesellschaft, in der Wahrheit und Meinung mit einem Klick verschwimmen, sei die Verteidigung der Meinungsfreiheit keine Nebensache mehr, sondern eine „unverzichtbare Voraussetzung jeder Demokratie“.




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