Buenos Aires (AT) – Claudio Zuchovicki ist gelernter broker. Nach einer langjährigen Karriere an der Börse, ist “Zucho”, wie ihn seine Freunde nennen, heute eine der gesuchtesten Stimmen, wenn es darum geht, eine klare und vor allem emotionsfreie Lagebeurteilung der argentinischen Wirtschaft zu bekommen. In dieser Woche gab er sein Urteil über die Lage des lokalen Marktes ab, aber auch wie die jüngste Entwicklung der argentinischen Innenpolitik zu verstehen sind. Insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftsprogramm das Regierung und Opposition derzeit in den verschiedenen Kammern des argentinischen Parlament “ausfechten”. Im Mittelpunkt: das Gesetzespaket Ley Bases, mit angehänger Steuerrefrom und Investitionsprogramm RIGI. “Endlich sehe ich, dass neue Themen und Zukunftsfragen diskutiert werden. Wir fangen tatasächlich an, über alles zu sprechen, von der Arbeitsreform bis hin zu Investitionsanreizen”, urteilte Zuchovicki im Interview mit dem Radiosender Radio Rivadavia nur wenig Tage Javier Milei Abflug nach Madrid, Berlin und Prag.
Der Analyst erklärte vor allem dem Modell eines “Väterchen Staat” seine Absage. “Das ist das Modell, das wir in den letzten 30 Jahren erlebt haben. Es ist das Modell eines Staates, der alles für uns tut; der der uns über immer neue Subventionen “hilft”, um Zölle zu bezahlen genauso wie um Sozialpläne zu kassieren. Ein Staat, der festlegt zu welchem Preis wir was verkaufen müssen; zu welchem Preis wir wann und was wir exportieren müssen; zu welchem Preis wir wann und was importieren können und wann und was, nicht. Das kann und macht die Privatwirtschaft viel besser und effizienter”.
Der Analyst stellte demgeneüber auch die Wirkung des Gesetzespaket “Ley Bases”, das derzeit die verschiedenen Instanzen im Parlament durchläuft und wo es am kommenden Donnerstag zur letzten Abstimmung kommen soll. Zuchovicki hob die ordnungspolitischen Aspekte der Gesetzes-Vorlage. Gerade ihr Einwirken würde bei einem positiven Ausgang in den nächsten Tagen, den Markt weiter beruhigen und Stabilitätsfördernd wirken. “Die Aussichten auf einen sprunghaften Anstieg der zahlreichen geltenden Parallelkurse halte ich für begrenzt. Es ist viel wahrscheinlicher, das sich der Wechselkurs auf dem derzeitigen Niveau stabilisiert”, erklärte der ex broker.
Hintergrund der Debatte um die Dollar-Peso-Entwicklung ist die Tendenz, die der Greenback seit Mai wieder aufweist. Nach einem einem mehrmonatigen “Dämmerschlaf” auf konstanten AR$ 1000 pro US$, steht die argentinische Münze im marktrelevanten Parallelkurs des sogenannten “Blue”, heute auf AR$ 1.300 por US$. Wirtschaftsminister Luis Caputo hatte Anfang Mai für das Gesamtjahr 2024 ein Leitziel von rund AR$ 1266 por US-Dollar ausgegeben.
Zuchovicki begrüßte im Interview auch die Pläne der Regierung Milei, entgegen allen Widerstands für mehr Wettbewerb auf dem Markt zu sorgen. “Wettbewerb ist das, was unsere Welt nach vorne treibt. Wettbewerb dient im Endeffekt auch immer dem Verbraucher“, fügte er hinzu.
Vor wenigen Tagen hatte der Analyst in einem Gespräch mit der Medienplattform Neura Media zudem angedeutet, dass bis 2025 auch die Artikel der Ley Bases, die der Parlamentsdebatte zum Opfer gefallen sind, ein gutes Ende finden könnten. Zur Erinnerung: das ursprüngliche Ley Bases zählte 644 Neuerungen, der Entwurf, der in der kommenden Woche von den Abgeordneten des Unterhauses das endgültige plazet bekommen könnte, zählt bei Redaktionsschluss 232 Artikel. “Wichtig ist, was wir uns erspart haben, nicht was erreicht wurde. Deshalb war die Stimmung auf den Märkten verhalten positiv. Die Angst schwebte immer mit vor dem was passiert wäre, wenn es am Ende nicht gut gehen würde”, so Zucho.
Ein Markt und die Nachrichten
Zuchovickis Analyse gilt unter argentinischen Marktbeobachtern als die Kulisse in der sich Milei als auch die gesamte argentinische Wirtschaft in den nächsten Tagen sowohl auf seiner Europatour -Madrid, Hamburg, Berlín, Prag- als auch nächste Woche bei der entscheidenden Abstimmung der Ley Bases in der Abgeordenten-Kammer bewegen wird.
Hinter Milei und sein Team liegen für viele Beobachter die bisher härtesten Wochen der bisherigen Amtszeit. Immerhin: als Resultat kann die Regierung nicht nur auf eine fast als sicher geltende Annahme des Gesetzespaketes Ley Bases zurckblicken sondern auch auf grünes Licht aus Washington (IWF-Überweisung), Peking (Swap Neuverhandlung) einen weiteren Rückgang der monatlichen Inflationsrate (4,2 %) sowie einen Haushaltsüberschuss zum fünften Mal in Folge.
Zuchovicki erinnerte etwa auch daran wie der Markt auf die Verabschiedung der Ley Bases und des Steuerpakets im Senat vor knapp einer Woche in seine Indikatoren eingepreist hat: argentinische Aktien legten im Ausland um bis zu 10 % zu und das Länderrisiko sank um mehr als 60 Punkte. Und: unter den an der New Yorker Börse notierten argentinischen Aktien (ADRs) führten Bank- und Energieaktien den Handel an.
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