Buenos Aires (AT) – Der zweite Generalstreik unter der erst fünf Monaten alten Regierung Milei hinterließ keinen Sieger; nur zwei Verlierer: die argentinischen Verbraucher und ihre Volkswirtschaft.
Mehr als sechs Millionen Menschen sahen sich -gewollt oder ungewollt- am Donnerstag im Alltag von der Arbeitskampfmaßnahme beeinträchtigt; konnten nicht oder nur Stunden später zum Arbeitsplatz, Schule oder Sportverein gelangen. Vom Donnerstag 00.00 Uhr bis Freitag 00.00 Uhr standen im ganzen Land, Busse, Züge, Flüge und andere Transportmittel still. Geschäfte blieben geschlossen. Viele öffentliche Einrichtungen, ebenfalls.
Demgegenüber verbuchten jeweils Gewerkschaften und Regierung den Ausgang des Streiks als Erfolg. Das Syndikat der CGT – Dachverband det argentinischen Arbeitnehmervertretungen – erklärte, man habe der Regierung “die Macht der Arbeitnehmerschaft” demonstriert. Wie vom Argentinischen Tageblatt berichtet, hatte der Verband, der laut Statistik mehr als sechs Millionen eingetragene Mitglieder zählt, die Arbeitskampfmaßnahme organisiert, um die Abstimmung des Reformpaketes “Ley Bases” zu boykottieren. Doch in Zeiten von homeoffice und Videokonferenzen bestätigt die Aktion in Wahrheit nur eines: dass das Denkmuster der argentinischen Gewerkschaftsbosse weiterhin den Regeln der 70er und 80er Jahre folgt und noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist.
Zwischen Home-Office und Videokonferenz
Bestes Beispiel: in Städten und Ortschaften Argentiniens, deren Alltag nicht von großen Distanzen geprägt sind oder nicht auch auf ein komplexes Nahverkehrsnetz angewiesen ist, war von Streik nur wenige bis gar nichts zu spüren. Aus vielen der ländlichen Regionen des Landes berichteten Bauern und Unternehmen über die sozialen Netzwerke ein ähnliches Bild: business as usual. “Wir arbeiten ganz normal. Wir streiken nicht; auch unsere Mitarbeiter nicht. Unabhängig von unserer Ideologie glaubt keiner von uns, dass dies der richtige Zeitpunkt für diese Art von Aktionen ist. Streiks sind heute weder sinnvoll noch zweckmäßig. Sie sind nur dazu da, die Macht der Gewerkschaft darzustellen. Nichts weiter”, erklärte der Farmer Ariel Bianchi, auf X unter dem hashtag #YoNoParo stellvertretend für viele seiner Kollegen.
Selbst in der Hauptstadt hatten sich viele Unternehmen im Vorfeld des Streiks mittels digitaler Plattformen oder privaten Zubringerdiensten wie Uber auf den Tag vorbereitet, wie der Journalist und Berater Carl Moses in einer Umfrage bestätigen konnte.
Einschüchterungsversuche und anonyme Anrufer
Die Regierung vermeldete ihrerseits die Arbeitskampfmaßnahme als einen “Erfolg” für ihre Vision einer Bevölkerung, die nach Jahrzehnten “der Erpressung der Gewerkschaften müde geworden ist” und die “ihrem Alltag und ihren Verpflichtungen in Frieden nachkommen will”. Das Ministerium für Innere Sicherheit gab vor wenigen Stunden bekannt, im Verlaufe des Streik-Tages mehr als 3.000 anonyme Anrufe und Botschaften erhalten zu haben, in denen über Einschüchterungsversuche oder auch “expliziten Drohungen” aus dem Umfeld der Gewerkschaften hingewiesen wird. Tatsache ist allerdings auch, dass es die Regierung nicht geschafft hat, den Konflikt vorab zu entschärfen. Immerhin, sie konnte sie ihre Position der Stärke vor dem für die nächsten Tage noch andauerden Debatte zu der Ley Bases unterstreichen.
Die vielleicht wichtigste Nachricht des gestrigen Tages ist vielleicht, dass es das Land geschafft hat, ohne Zwischenfälle und Gewalt in einer so emotionsgeladenen Debatte und trotz einer sich täglich vertiefenden Rezession den Tag durchzustehen. Für ein Land wie Argentinien ist das ein nicht unbedeutender Schritt in Richtung Zukunft.
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