Buenos Aires (AT) – Ualá-Gründer Pierpaolo Barbieri studierte Geschichte und Wirtschaft in Harvard und absolvierte ein Masterstudium in Cambridge. Trotzdem beschloss er danach nach Argentinien zurückzukehren. Nicht nur aus familiären Gründen. Barbieri wollte Dinge bewegen in seinem Heimatland und seiner Region. Der Finanzasektor war eines der Bereiche wo er das größte Potenzial sah und hier insbesondere das Umfeld, das bis dahin von Banken und anderen Finanzinstituten größtenteils ignoriert worden war: die Basis der Gesellschaft. Das sind die Einkommensschichten, deren Zahlungsverkehr oder Ertragshöhe traditionelle Banken für zu gering oder für nicht kreditwürdig genug befinden. Rund 100 Millionen Menschen verfügen in Lateinamerika über kein Bankkonto und verbleiben damit ausserhalb des alltäglichen Finanzverkehrs, nach Schätzungen des Consulting-Unternehmens Finance Magnates.
Barbieri gründete Ualá, eine Fintech, die zunächst nicht mehr als eine digitale debit card und wallet anbot. Um ein zughöriges Konto eröffnen zu können, brauchten seine Kunden lediglich einen Personalausweis; keine Einkommensbelege oder polizeilichen Führungszeignisse.
Das 2017 gegründete Unternehmen ist heute eines derjenigen player, die das Finanzwesen in Lateinamerika neu denken aber auch herausfordern. Uala bot seinen Kunden von Beginn an Prepaid-Bankkarten von Mastercard sowie über seine App, Zugang zu Finanzdienstleistungen wie dem Senden und Empfangen von Geld, Online-Shopping, Nutzung von Geldautomaten.
Neben der Landung in Mexiko und Kolumbien kündigte Ualá jüngst eigene Investitionen von 150 Millionen US-Dollar für die nächsten 18 Monate in der Region an. Mit derzeit mehr als 5 Millionen Kunden in den drei Ländern hat es sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, in den nächsten fünf Jahren zwischen 25 und 30 Millionen Kunden in Lateinamaerika zu erreichen. Zu seinen Investoren zählt Barbieri Namen wie George Soros, dem japanischen Risikokapitalgeber Softbank sowie Chinas Technologiekonzern Tencent. Seit Gründung konnte Ualá mehr als US$ 450 Millionen an Investitionen aufnehmen.
Ualá hat nicht zufällig einen Akzent. Der Namen will das englische “wallet” -spanisch ausgesprochen- und das französische “voilà” verbinden. “Wenn man über Finanzen spricht, muss man vor allem Vertrauen aufbauen. Das ist das, was wir mit unserem Namen signalisieren wollen: die Magie von voilà, der Lösung, aber mit einem lokalen Aspekt”, erklärte der heute 34-jährige Gründer vor einigen Monaten gegenüber der argentinischen Zeitung El Cronista.
Mehr als 900 Mitarbeiter in Argentinien und 90 weitere in der ganzen Welt arbeiten an Ualás Ökosystem, das inzwsichen Zahlungs- und Aufladefunktionen, Überweisungen, Investitionen, Kredite, Abhebungen, Ausgabenanalysen und auch QR-Zahlungen anbietet und ermöglicht. “Wir möchten, dass Sie Ihr gesamtes Geld mit einer App verwalten können: einfach, kostenlos und sicher“, erklärt Barbieri das Geschäftsziel auf der Unternehmens-Website.
Von Lanús in die Schweiz
Ähnlich und doch anders ist die Geschichte von Guillermo Rauch. Der wanderte aus eigenem Antrieb noch in jungen Jahren in die Vereinigten Staaten aus. Nicht irgendwohin, sondern gezielt ins Silicon Valley. Dort, im Mekka der Innovation, gründete er drei start-ups. Das jüngste ist Vercel, eine Cloud-Plattform für Webentwickler. Das Unternehmen beschäftigt heute mehr als 400 Mitarbeiter und wird mit 2,5 Milliarden Dollar bewertet. Doch wer denkt, dass dahinter der übliche Werdegang mittels Studium mit anschließendem MBA steht, der irrt.
Rauch brachte sich die Webentwicklung im Alter von 11 Jahren selbst bei und lernte Englisch “durch das Lesen von Softwareanleitungen”, wie Rauch selbst im Gespräch mit Forbes Argentina erklärte. Der Autodidakt spezialiserte sich auf das Frontend-Programmierung studiert jedoch nie.
Als Teenager begann er sich in einer Gruppe von Linux-Programmierern zu engagieren. Der Ort: Lanús, ein typisches Viertel von Buenos Aires. Im Alter von 15 Jahren galt er als Experte. So sehr, dass er im Alter von 17 Jahren eine Stelle in der Schweiz angeboten bekam, die er nutzte, um sich drei Jahre später in San Francisco, USA, niederlassen zu können und 2015, Vercel zu gründen. “Unser Ziel ist es, Entwickler und ihre Teams dabei zu unterstützen, faszinierende und angenehme Web-Erlebnisse für ihre Kunden zu schaffen”, erklärte Rauch damals seine Geschäftsidee.
Von Anfang an zog das Unternehmen die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich. Im Juni 2022 gab das Unternehmen bekannt, dass er im Rahmen einer von Bedrock Capital angeführten Serie-C-Finanzierungsrunde US$ 102 Millionen aufnehmen konnte. Damit übertraf es die 1-Milliarde-Dollar-Bewertung und wurde zum sechsten Einhorn Argentiniens. Noch im selben Jahr gab das Unternehmen dann bekannt, dass er weitere 150 Mio. USD aufgenommen hatte. Die Bewertung des Unternehmens errreichte damit nach einem Jahr US$ 2,5 Mrd.
Vercel hat Büros in San Francisco, USA. Doch sein Gründer betont, dass das Unternehmen eine “argentinische DNA” hat. Alle Mitglieder des Design-Teams, ein Schlüsselfaktor bei jeder Programmierung, arbeiten in Argentinien. Vor Vercel hatte Rauch bereits zwei Start-ups in den USA gegründet, von denen er eines an die Firma WordPress verkaufen konnte. Rauch war einer der ersten Investoren von Auth0, dem fünften argentinischen Einhorn, das vor einigen Wochen für 6,5 Milliarden US-Dollar verkauft wurde. Doch das ist eine andere Geschichte.
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