23. 04. 2024

Stuttgart / Buenos Aires – Im März enthüllte die Bundesregierung das sogenannte Generationenkapital: Dabei geht es um einen zusätzlichen Kapitalstock, den der Staat in Aktien investiert, um mit der Rendite die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken. Zur Finanzierung nimmt die Bundesregierung einen Kredit auf. Solange die Rendite des Aktienportfolios längerfristig die Finanzierungskosten übersteigt – und davon ist auszugehen – macht die Rentenkasse Gewinn. Und der soll dabei helfen, die Beitragssätze zur Rentenversicherung zu stabilisieren. Das Generationenkapital ist auf Dauer angelegt. Der aufgebaute Kapitalstock soll dauerhaft bestehen bleiben. Lediglich die Erträge sollen dabei helfen, die Renten zu finanzieren. Doch das Generationenkapital ist nur homöopathische Beimischung.

Die gesetzliche Rentenversicherung in Schieflage

Es ist allseits bekannt, dass Deutschland schnell altert. Es gibt zu viele in den 1960er Jahren geborene Babyboomer, die ihrerseits kollektiv zu wenige Kinder in die Welt gesetzt haben. Das bedroht die finanzielle Nachhaltigkeit der Rentenfinanzierung im Umlagesystem, bei der die arbeitende Generation durch laufende Beiträge für die Renten der Ruheständlerinnen aufkommt. Die Folge der demografischen Unwucht Deutschlands: Während2020 noch drei Junge einen Alten durchbrachten, müssen dasschon 2040 weniger als zwei Junge stemmen (siehe Abbildung).

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Nach Schätzung der Ratingagentur S&P Global werden die Kosten für die deutsche Rentenversicherung von 10,6 % des BIP (2022) auf 12,5 % im Jahr 2060 klettern. In entwickelten Volkswirtschaften insgesamt steigen die Kosten nur von 8,4 % auf 9,6 %. Ohne Gegensteuern würde die Gesamtverschuldung des deutschen Staates im Lauf der Jahre auf mehr als 125 % des BIP anwachsen (Annahme: 2 % Zinsen auf Staatsschulden). Das System braucht also dringend eine Stärkung.

Zu wenig und zu spät

Das Generationenkapital reicht dafür aber nicht aus. Es kommt zu spät und ist zu klein dimensioniert, um das wackelige öffentliche Rentensystem fundamental zu ändern. Die Alterung derGesellschaft ist schon zu weit fortgeschritten, um die Weichennoch einmal grundlegend neu zu stellen.

Das lässt sich leicht nachrechnen: die gesamten Ausgaben der Rentenversicherung betragen fast 400 Mrd. Euro, wovon mehr als ein Viertel durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt finanziert ist. Die avisierten jährlichen 12 Mrd. Euro Aktienkäufe entsprechen 3 % oder, anders gesagt, weniger als zwei Wochen der jährlichen Ausgaben des Systems. Da ja nur die Erträge aus den Aktieninvestitionen die Rentenversicherung stützen sollen, ist der tatsächliche Beitrag zu den Rentenkosten noch viel geringer. Das Generationenkapital ist also mehr eine homöopathische Beimischung als ein echter Systemwechsel. Für letzteren ist der Zug abgefahren. Siehe Demografie. Das Kapital, das dafür nötig wäre, kann niemand aufbringen.

Mehr Menschen länger in Arbeit bringen!

Das Rentensystem muss deshalb zwingend reformiert und stabilisiert werden. Die Politik muss stärkere Anreize dafür schaffen, dass mehr Menschen länger arbeiten. Sie muss das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln und gezielteImmigration erleichtern. Auch das unzureichend genutzte Arbeitskräftepotenzial sollte noch mobilisiert werden – ich denke dabei nicht zuletzt an die Teilzeitepidemie vor allem bei Frauen. Das sind die Hauptrollen im Reformfilm. Im Vergleich dazu spielt das Generationenkapital nur eine unterstützende Nebenrolle.

Dr. Moritz Kraemer,
Chefvolkswirt und Leiter Research

LBBWResearch@LBBW.de

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