31. 05. 2024

Stuttgart / Buenos Aires – Kein Tag des Jahres 2024 dürfte für die Zukunft der Weltwirtschaft, ach was, der Welt so entscheidend sein wie der 5. November. Dann wählen die Vereinigten Staaten ihren neuen – oder alten – Präsidenten. Nach der Berechnung eines Wahlmodells des LBBW Research liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Donald Trump den Amtsinhaber Joe Biden besiegen wird, bei mehr als 50 % (siehe Abbildung). Kein Wunder also, dass zuletzt keine Frage so oft gestellt wurde wie die nach den Konsequen- zen einer zweiten Amtszeit Trumps. Zurecht! Denn selten lagen die zur Wahl stehenden Politikansätze zwischen den Kandidaten so weit auseinander. Deshalb hat das LBBW Research eine um- fangreiche Studie zu den möglichen Folgen der US-Wahl für Wirtschaft, Geopolitik und Kapitalmarkt erstellt.

Medidor de probabilidad de vuelta de Donald Trump a la Casa Blanca, Status: Abril 2024

Ein unsteter Geist ist schwer zu prognostizieren

Selbst wenn Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, ist sein zukünftiger wirtschaftspolitischer Kurs schwer zu prognostizieren. Dies liegt vor allem an ihm selbst, denn seine Aus- und Ansagen erscheinen bisweilen sehr flatterhaft und von momenta- nen Launen gesteuert. Es ist also durchaus möglich, dass eine Trump 2.0 Präsidentschaft gar nicht so radikal verläuft, wie er sie bei seinen gepfefferten Wahlkampfreden anzukündigen scheint. Denn Trump versteht sich als „Dealmaker“. Statt unilateralen Keulen sind möglicherweise doch Verhandlungslösungen vor- stellbar, etwa bei der Handelspolitik.

„Trump entfesselt“: unser Negativszenario

Ebenso ist bei alledem wahrscheinlich, dass Trump tatsächlich die Dinge umsetzen wird, die er ankündigt (androht?). Dies würde zu einer viel radikaleren Politikausrichtung führen als während seiner ersten Amtszeit. Dafür spricht, dass Trump keine Rücksicht mehr darauf nehmen muss, eine Unterstützung in der Bevölkerung zu erhalten, die breit genug ist, um eine Wiederwahl zu ermöglichen. Denn nach zwei Amtszeiten ist bei US-Präsidenten unwiderruflich Schluss. Dafür spricht auch, dass der innere Zirkel um Donald Trump ausnahmslos aus loyalen Ja-Sagern zu bestehen scheint. Die sogenannten „Erwachsenen im Oval Office“, die auf Trump nach 2016 moderierend einwirkten, dürften Hausverbot erhalten.

Europa droht die Rezession

Der Trumpsche Maßnahmencocktail im entfesselten Szenario dürfte aus einem Mix aus hartem Protektionismus und Ausweitung der staatlichen Defizite aufgrund nicht gegenfinanzierter Steuersenkungen bestehen. Trumps größtes Anliegen ist zwei- fellos, „unfaire“ internationale Handelsstrukturen zu korrigieren. Dabei steht das große US-Handelsbilanzdefizit nicht nur mit China im Fokus. Auch der Euroraum erwirtschaftet regelmäßig große – und wachsende – Überschüsse (siehe Abbildung). Ein unhaltbarer Zustand für jemanden, der internationale Handelsbeziehungen als Nullsummenspiel betrachtet.

Déficit comercial EEUU - Eurozona, LBBW, Abril 2024

Die USA werden Zollmauern errichten, um Importe einzudämmen. Europa trifft dies besonders hart, denn die USA sind die Hauptdestination unserer Ausfuhren. Der Euroraum könnte im kommenden Jahr in eine Rezession von 1,5% fallen, in Deutschland wären es 2 %. Die europäischen Aktienmärkte wür- den vorhersehbar leiden, die EZB aggressiv die Zinsen senken.

So muss es zwar nicht kommen. Dass Trump doch nicht wie ein Rumpelstilzchen regiert (oder dass Biden obsiegt), ist insgesamt wahrscheinlicher. Aber es ist höchste Zeit, sich auf ein negatives Szenario einzustellen. In der Politik, aber auch im Portfolio.

Dr. Moritz Kraemer,
Chefvolkswirt und Leiter Research

LBBWResearch@LBBW.de

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