10. 02. 2024

Buenos Aires (AT) – Der Tango ist die kulturelle Visitenkarte Argentiniens. Auch der argentinische Folklore und Rock sind weltbekannt. Doch Argentinien ist nicht nur Tango: Astor Piazzolla, Alberto Ginastera, Martha Argerich, Daniel Barenboim stehen repräsentativ für das Komponieren vor allem aber für das Darstellung klassischer Musik in der Welt. Doch allzuoft bleibt ihr Beitrag und Bedeutung hinter dem anderer Kunstformen verborgen. 

Lucio Bruno Videla ist ein Kenner argentinischer klassischer Musik. Komponist, Orchester-Dirigent, Musiker und Lehrer ist Videla auch Direktor des Instituts für ethnomusikalische Forschung des Kultusministeriums und Präsident des argentinischen Komponistenverbands (Asociación Argentina de Compositores). Sein Interesse an der Verbreitung der argentinischen klassischen Musik geht auf das Jahr 1990 zurück, als er Geiger war. Ab 1996 erweiterte er sein Orchesterrepertoire und arbeitete als Dirigent. Später organisierte er auch Konzerte, leitete ein auf argentinische Musik spezialisiertes Plattenlabel, das viele Werke zum ersten Mal auf Tonträger veröffentlichte.

Im Gespräch mit dem Argentinischen Tageblatt bringt Videla ein wenig Licht in die kaum bekannte Welt der klassischen Musik Argentiniens.

Bruno Videlas Ziel: nach den vergessenen Seiten unserer Musikgeschichte zu suchen. (quelle: cultura.gob.ar)

AT: Wann hat Ihre Leidenschaft für das Komponieren und die klassische Musik begonnen?

Bruno Videla: Nun, wie so oft, fing es an, als ich noch sehr jung war. Ein altes Klavier von meinen Tanten, Musikunterricht, Chor in der Schule. Die Komposition begann ganz natürlich: Ich erinnere mich noch an einige Melodien, die ich im Alter von zehn Jahren komponierte und die ich in späteren Stücken verwendete. Mit anderen Worten, ein rein sensibles und funktionales Bedürfnis, das Leben zu verschönern und auch den Intellekt zu entwickeln.

AT: Wie wichtig ist die argentinische klassische Musik für Sie? Wie ist die argentinische klassische Musikszene heute aufgestellt? 

Bruno Videla: Auf einer rein subjektiven Ebene ist Musik für mich eine Lebenseinstellung. Schlecht oder gut, ich weiß es nicht. Sie ist meine Realität. Was unsere lokale Produktion betrifft, so konnte Argentinien ihre Musik zwischen den 30er und 60er Jahren zu einem international beachteten Niveau entwickeln. Dann, nach und nach, und nicht wegen der Musik, sondern wegen unserer Gesellschaft, wurde diese immense Arbeit nicht mehr beachtet. In den letzten 20 Jahren hat sich jedoch ein neues nationales sowie internationales Interesse in Bewegung gesetzt. Es bleibt noch viel zu tun: vor allem im Bereich der musikalischen Bildung und in der Entwicklung einer nicht-sektiererischen Musikpolitik. Das heißt, dass die Musik für einen guten Profi objektive Kompetenzen erfordert, die nichts mit der eigenen Weltanschauung zu tun haben. 

AT: Was ist die Grundlage Ihrer Arbeit mit dem argentinischen Komponistenverband?

Bruno Videla: Die Asociación Argentina de Compositores (AAC), deren Präsident ich bin, ist eine der ältesten Musikinstitutionen Argentiniens. Obwohl wir eine NGO sind und als solche keine Parteipolitik betreiben dürfen, verfolgen wir seit der Gründung im Jahr 1915 eine ganz klare Kulturpolitik: die Entwicklung und Verbreitung der von argentinischen Komponisten stammenden klassische Musik, die wir als ein identitätsstiftendes und nationales Kulturgut verstehen. 

Bruno Videla möchte die neuen Generationen überzeugen, “den großen Schatz der klassischen Musik” zu lieben. (quelle: operaargentina.com)

AT: Welche Beziehung haben Sie zu Deutschland und Österreich und zur klassischen Musik in der Region? 

Bruno Videla: Zunächst einmal habe ich eine eher deutsche Musikausbildung, obwohl ich in der Öffentlichkeit als Spezialist für argentinische Musik bekannt bin. Ich arbeite seit fast 33 Jahren mit deutschen und österreichischen Kultureinrichtungen. Ich bin in diesen Ländern aufgetreten und fühle mich in der Kultur wie zuhause. Andererseits hat mir meine Begeisterung für die argentinische Musikkunst geholfen, einen schönen kulturellen Dialog in der Musik zu etablieren, den Deutschland und Österreich mit viel Respekt und Aufmerksamkeit aufgenommen haben. 

AT: Wie kann man heute in Argentinien wirtschaftlich von klassischer Musik leben?

Bruno-Videla: In Argentinien haben Musiker meistens mehrere Jobs gleichzeitig: Lehrer, Konzerte, kulturelle Organisationen oder administrative Funktionen. Argentinien unterscheiden sich im Grunde nicht von den Möglichkeiten im Rest der Welt, mit der Ausnahme, dass es in anderen Ländern – wie etwa in einigen europäischen Ländern – immer noch möglich ist, als “freelance” Künstler zu leben, ganz zu schweigen davon, dass die typischen Arbeiten besser bezahlt werden. Es genügt, daran zu denken, dass Argentinien seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele ausländische Musiker aufnahm, weil das Verhältnis umgekehrt war: Argentinien zahlte im Allgemeinen besser als Europa für professionelle musikalische Tätigkeit. 

Zurzeit beendet Lucio Bruno Videla seine Oper Zanni mit einem Libretto von Ricardo Monti, das von Giuseppe Zanni aus Italien in Auftrag gegeben wurde. Für das nächste Jahr plant er außerdem, die Aufnahme seiner Stücke mit dem Sinfonieorchester Bratislava fortzusetzen. Außerdem wird der Film “Hedy Crilla, Maestra de actores” von Luciana Murujosa, dessen Musik Bruno Videla gehört, im April 2024 in Wien in die Kinos kommen.

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