08. 02. 2024

Buenos Aires (AT) – Der frühere chilenische Präsident Sebastián Piñera ist am Dienstag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Er wurde 74 Jahre alt. Über die Absturzursache war zunächst nichts bekannt. “Mit großem Bedauern geben wir den Tod des ehemaligen Präsidenten der Republik Chile bekannt“, hieß es in der Erklärung von Präsident Gabriel Boric, der zudem Staatstrauer ausgerufen hat. Viel ist in den letzten Tagen über den Ingenieur, Geschäftsmann und zweimaligen Staatschef berichtet worden, doch nur wenig über seine Relevanz bei dem Versuch, die poltische Rechte in ganz Lateinamerika zu einen.

Piñera regierte Chile von 2010 bis 2014 und erneut von 2018 bis 2022. Von den 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre arbeitete er in unterschiedlichen Branchen als Geschäftsmann. Er galt als Besitzer des fünftgrößten Vermögens in Chile mit einem geschätzten Wert von US$ 3 Milliarden, wie das chilenische Medium La Tercera berichtet. Zudem war Akademiker und unterrichtete an verschiedenen Universitäten aber auch als Berater für die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) und die Weltbank.

“Chile wird immer für den Freihandel und den Multilateralismus stehen”, so Piñera. (quelle: lavoz.com.ar)

Obwohl er in der Öffentlichkeit oft als strenger und kämpferischer Konservativer auftrat, brachte es Piñera zu großer Anerkennung, als dank einer geglückten Aufbaupolitik, Chile und dessen Wirtschaft, nach dem starken Erdbeben im Februar 2010, realtiv schnell wieder auf die Beine kommen konnten. So erlebte Chile in seiner ersten Amtszeit ein Wirtschaftswachstum von 5,4% und einen Rückgang der Inflation, was das Land zu einem Erfolgssymbol für die freie Marktwirtschaft und strenge Steuerkontrollen machte. 

Während seiner ersten Amtszeit -zwischen 2010 und 2014- gewann Piñera an Relevanz in der Region als er 2011 zum ersten Präsidenten pro tempore der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) ernannt wurde. Sein erster grober Wurf gelang ihm 2012 als er gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Mexiko, Kolumbien und Peru die Pazifik-Allianz, ein Bündnis, das im Gegensatz zu anderen regionalen Organisationen vor allem der wirtschaftlichen Integration dient, ins Leben rief. 

Piñera trat sein Amt in Chile nach starken Erdbeben an. (quelle: cnn.com)

Für Michael Shifter, ehemaliger Präsident des think-tanks Inter-American Dialogue und Professor an der Georgetown University, “spielte Präsident Piñera eine Schlüsselrolle bei der Schaffung eines konservativen Blocks in Lateinamerika als Gegengewicht zu den damals dominierenden linksgerichteten regionalen Gruppierungen”. 

Innenpolitische Schatten

Piñera gewann seine zweite Amtszeit 2017 unter dem Slogan “Únete de tiempos mejores (Anm. d. Red.: Werde Teil einer besseren Zukunft)”, doch konnte er innenpolitisch nicht trumpfen. Es wurden vier Jahre sozialer Konflikte, eines zusammenbrechenden Vertrauens in die Institutionen und einer tiefen Spaltung zwischen der Gesellschaft und den Eliten, wie die BBC berichtete. Innenpolitisch wird sein politisches Vermächtnis vom gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten im Oktober 2019 getrübt bleiben. Die Proteste richteten sich gegen das Bildungs-, Gesundheits- und Rentensystem des Landes. Internationale Organisationen verwiesen auf massive Menschenrechtsverletzungen bei der Niederschlagung der Proteste.

2019 machte Piñera jedoch aussenpolitisch wieder von sich Reden bei der Gründung von Prosur, einem zentrum-rechts orientierten Forum, das sich von “übermäßigem Ideologismus und Bürokratie” dem Länderverban Unasur abzusondern suchte, der von den eher links orientierten Regierungen Lateinamerikas 2008 gegründet worden war.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera. (quelle: shutterstock.com)

Beziehung mit Deutschland 

Auf einer Arbeitsreise nach Deutschland im Jahr 2018 wurde Piñera von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen. Bei einem Treffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern wurden die bilateralen Beziehungen zwischen Chile und Deutschland, die regionale Situation und die Beziehungen zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union (EU) erörtert. Während des Treffens brachte Piñera die Möglichkeit eines neuen Freihandelsabkommens mit der EU ins Gespräch.

Das Ziel: das Freihandelsabkommen auf mehr Produkte auszudehnen und es in einen Vertrag zu verwandeln, der auch die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Technologie und politischer Kooperation umfasst. Laut Quellen der ZDF dankte er der Bundeskanzlerin für ihre Bereitschaft, “die Beziehungen zwischen Deutschland und Chile zu stärken, mit einem einzigen Ziel: die Chancen und die Lebensqualität unserer Völker zu verbessern”. Die Europäische Union (EU) hat am Dienstag der Familie und den Angehörigen des ehemaligen chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera ihr Beileid zum “tragischen Tod” ausgesprochen.

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