Es klingt harmlos: Die Bundesagentur für Arbeit hat einen 18-seitigen „Methodenbericht“ zur Arbeitslosenstatistik vorgelegt. Eigentlich ein Dokument für Fachkenner. Und so liest er sich auch. Er steckt voller komplexer Begriffe und ist ohne wissenschaftliche Vorkenntnisse kaum genießbar. Trotzdem schlug er in den Medien wie eine Bombe ein: BILD berichtete reißerisch und zum Teil irreführend, die FAZ dagegen ausführlich und treffend.

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Ein unscheinbarer Bericht zur Arbeitslosenstatistik schlug medial wie eine Bombe ein.

Die entscheidende Botschaft: Dauer der Nichtbeschäftigung

Die politisch wichtigste Botschaft des Methodenberichts betrifft die „Dauer von Nichtbeschäftigung“ seit dem letzten Zeitpunkt, zu dem ein Hartz IV- bzw. Bürgergeld-Empfänger gearbeitet hat. Diese Maßzahl war bisher statistisch nicht erfassbar, ist aber seit Neuestem durch eine Kombination zweier Quellen – zum einen der Statistik der Leistungsempfänger von Hartz IV bzw. Bürgergeld, zum anderen der Statistik der Beschäftigten – tatsächlich recht präzise zu ermitteln, und zwar über einen sehr langen Zeitraum, der bis in die späten neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts (1997) zurückreicht, also sogar noch weiter zurück geht als 2005, dem Jahr der Einführung von Hartz IV im Gefolge der Arbeitsmarktreformen der Regierung von Gerhard Schröder.

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Fast 40 Prozent der Leistungsbezieher sind länger als zwei Jahre beschäftigungslos.

Ernüchternde Zahlen zur Langzeitarbeitslosigkeit

Die Ergebnisse sind in hohem Maße ernüchternd und übertreffen noch die Befürchtungen all jener Beobachter, die schon vorher zutiefst skeptisch waren gegenüber der Integrationskraft des deutschen Systems der Arbeitslosenunterstützung. So waren im Dezember 2023 rund 363.000 erwerbsfähige Bezieher von Bürgergeld seit über zehn Jahren ohne Beschäftigung, das sind 12 Prozent aller; seit über fünf Jahren beschäftigungslos waren sogar 717.000 (das sind 24 Prozent), also ziemlich genau doppelt so viele; seit über zwei Jahren beschäftigungslos waren es 1.163.000, also 39 Prozent.

Bedenkt man, dass von Langzeitarbeitslosigkeit gemeinhin schon gesprochen wird, wenn ein Arbeitsloser nach einem Jahr der Suche keine Beschäftigung gefunden hat, lässt sich tatsächlich feststellen: Das Bürgergeld (und früher Hartz IV) ist eine Art Sammelstelle für Super-Langzeitarbeitslose (und war es möglicherweise schon immer). Dabei ist das Gesamtbild wahrscheinlich noch dramatischer als hier skizziert, weil von den 2.971.000 erwerbsfähigen Leistungsempfängern für 1.187.000 aus einer Vielzahl im Einzelnen unbekannter Gründe keine Angaben über frühere Beschäftigungen vorliegen, sich dahinter also wohl auch noch viele befinden, die längerfristig arbeitslos sind.

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Zugewanderte und jüngere Menschen finden deutlich schneller Arbeit.

Flüchtlinge weniger betroffen als ältere Deutsche

Wichtig ist dabei festzustellen, dass die hohen Zahlen der Langzeitarbeitslosigkeit nur wenig zu tun haben mit der Ankunft von großen Flüchtlingswellen. Die Statistiken zeigen nämlich, dass unter Zugewanderten und jüngeren Menschen, davon überdurchschnittlich viele Ausländer, die Suche nach Arbeit erfolgreicher ist und Fälle langfristiger Beschäftigungslosigkeit weit weniger zu Buche schlagen als bei – im Durchschnitt älteren – deutschen Leistungsbeziehern.

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Eine Rückkehr zu Hartz IV wäre keine Lösung der strukturellen Probleme.

Reformbedarf über Parteigrenzen hinaus

Fazit: Es führt kein Weg an der Schlussfolgerung vorbei, dass die Form der Unterstützung von erwerbsfähigen Arbeitslosen hierzulande eine katastrophal schlechte Integrationsbilanz vorweist. Reformen sind dringend geboten, zumal gleichzeitig die Zahl der offenen Stellen durch die demografische Entwicklung weiter zunehmen wird, auch im Bereich einfacher Arbeit.

Eine politische „Rolle rückwärts“ vom Bürgergeld zu Hartz IV wäre dabei noch lange keine Lösung, denn die Statistiken zeigen, dass die mangelnde Integrationskraft des Systems schon lange vor der Einführung des Bürgergelds zu beobachten ist. Es braucht also weit mehr als den nostalgischen Blick auf die eigene deutsche Vergangenheit und auf die Reformen eines Gerhard Schröder, die jüngst vom SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, dem Bundesfinanzminister, als vorbildhaft beschworen wurden.

Von Karl-Heinz Paqué, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

*Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Präsident von Liberal International und ehemaliger Landesminister.

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