29. 05. 2024

Buenos Aires / Neuquén – Der Schlüssel jeder Unternehmung ist ihre Wettbewerbsfähigkeit. Vaca Muerta hat in dieser Hinsicht in den letzten zehn Jahren Fortschritte gemacht, aufgrund einer beschleunigten Lernkurve aber auch einer Steigerung seiner Fördermengen bis auf Weltklasseniveau. Dennoch bleibt der Abstand groß zu vergleichbaren Vorkommen in den Vereinigten Staaten, dem wichtigsten Referenzmarkt, mit dem sich das Neuquén-Schiefergestein messen muss.

Eine vertrauliche Analyse, die dem Portal Más Energía / La Mañana de Neuquén vorliegt, belegt den Wettbewerbsnachteil. Die Studie wurde im Auftrag der in der Region tätigen Erdölunternehmen erstellt und vergleicht die Bedingungen, unter denen sich Vaca Muerta heute entwickelt, mit denen des Permian-Beckens in den USA. Das in Westtexas gelegene Vorkommen gilt als Hauptkonkurrenten Vaca Muertas und als die produktivste und bis dato reichste Formation für unkonvetionelle Energieträger (Schieferöl und -gas) der Welt.

Der größte Unterschied liegt im Entwicklungsstand und Aktivitäts-Umfang der texanischen Formation. Permian gilt als Pionier im Schiefergeschäft und stellt einen Großteil der Technologie und Anlagen, die in Neuquén zur Wiederbelebung der argentinischen Ölindustrie eingesetzt wurde. Permian hat mehr als 400 aktive Bohranlagen, verglichen mit den 38 Anlagen Argentiniens. Die texanische Formation erhält jährlich Investitionen von mehr als US$ 40 Milliarden pro Jahr, verglichen mit den fast US$ 10 Milliarden, die dieses Jahr in Neuquén zum Einsatz kommen werden, der allerdings gleichzeitig auch einen Rekordwert für den argentinischen Produktionssektor darstellt.

Zu den größten Unterschieden zwischen beiden Vorkommen zählt auch die Betriebs-Effizienz bei den Bohrungen. Ein Bohrloch wird in den USA in nur fünf Tagen fertiggestellt, während es in Vaca Muerta 20-30 Tage dauert. Außerdem hat jedes Bohrloch im Permian sechs oder mehr Bohrungen im Vergleich zu den vier pro Standort im Añelo-Gebiet, im Herzen von Vaca Muerta.

Effizienz in Permian

In der Fertigstellungsphase ist die Produktivität in Vaca Muerta mit sechs gegenüber 10 fracks (Risse) um 40 % niedriger. Natürlich hat Permian mit mehr als 100 aktiven Rigs ein viel größeres Angebot an Spezialdienstleistungen als die zehn Fracking-Sets, die im Untergrund von Neuquén arbeiten und wo der Markt von fünf Unternehmen bestimmt wird. Die Bohr- und Fertigstellungsanlagen in den USA sind technisch fortschrittlicher, effizienter und erfordern geringere Kosten. Der Grund: sie sind gasbetrieben oder elektrifiziert. In Neuquén geht es in dieser Hinsicht langsamer. Das Unternehmen Vista etwa hat in diesem Jahr seine erste Bohranlage elektrifiziert. Seit 2023 testet die Firma zudem gasbetriebene Pumpen des Dienstleisters Eco2Power.

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Die Entwicklungsgeschichte und das Aktivitätsvolumen Permians werden noch deutlicher, beim Vergleich der Fördermengen. Das US-Vorkommen produziert fast 6,2 Millionen Barrel Öl pro Tag und ist damit 16 Mal höher als die 390.000 Barrel, die in Neuquén täglich gefördert werden und die -bis dato- Vaca Muertas höchstem Stand entsprechen.

Ergiebigere Bohrungen in Vaca Muerta

Diesem im Vergleich ungünstigerem Szenario zum Trotz und mit einem unendlich kleineren Markt, kann Vaca Muerta mit einigen der ergiebigsten Bohrungen der Welt aufwarten. Ursache sind vor allem die günstigere geologische Voraussetzungen in Neuquén, belegt die herrschende Meinung innerhalb der Branche. Die Bodenbedingungen ermöglichen Bohrungen, deren Produktivität rund 25-30 % über denen vergleichbarer Unternehmungen in Permian liegt. Hier liegt deshalb auch der wichtigste Wettbewerbsvorteil der argentinischen Shale-Industrie.

Um den notwendigen Schub im Export zu schaffen aber auch um das nötige Kapital anzuziehen, das die Shale-Industrie erfordert – kontinuierliche Bohrtätigkeit- und Bohrlochfertigstellung- ist der Weg noch weit. Wie die Studie belegt, liegt der Schlüssel in der kontinuierlichen Annährung an das Kosten-Niveau der nordamerikanischen Unternehmungen, insbesondere im Entwicklungsbereich. Heute kostet eine unkonventionelle Bohrung in den USA zwischen US$ 10 und US$ 12 Millionen, verglichen mit dem Mittel von US$ 12 bis US$ 14 Millionen für eine Bohrung in Neuquén.

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Vaca Muerta-Öl ist gegenüber Permian-Rohöl steuerlich benachteiligt. (Foto: LMN)

Die Entwicklung der Erdölaktivitäten in der führenden Wirtschaftsmacht der Welt mit denen eines krisengeprägten Landes wie Argentinien zu vergleichen könnte als unverhältnismäßig gelten. Doch dient der Vergleich auch das Produktivitäts-Wachstum zu belegen mit dem Vaca Muerta in den letzten Jahren aufwarten konnte und das nach herrschender Meinung der Industrie kurz vor dem Durchstarten steht, wenn die entsprechenden Bedingungen umsetzen lassen, wie es die Studie zeigt. In diesem Sinne weckt die Regierung von Javier Milei große Erwartungen innerhalb der Branche. Grundlage ist die Liberalisierung des Ölmarktes das im Grundlagengesetz „Ley Bases“ enthalten ist und das derzeit im Senat diskutiert wird. Die Vorlage sieht unter anderem eine weitreichende Reform des Kohlenwasserstoffgesetzes vor, das sowohl von Unternehmensseite wie auch der Politik unterstützt wird.

Die Last der Steuern

Trotz der Deregulierung und des von der Regierung geförderten Trends zu internationalen Preisen ist heute jedes Barrel Öl aus Vaca Muerta steuerlich benachteiligt im Vergleich zum Rohöl aus Permian. Grundsätzlich zahlen Unternehmen heute in Argentinien eine Exportsteuer von 8 %. Diese wird in den USA nicht erhoben. Gleichzeitig wird auf Importe ein sogenannter „Landesteuerzuschlag“ (Impuesto Pais) von 17,5 % erhoben. Zusammen mit der Dollarbindung und den verschiedenen Wechselkursen, bilden diese die größten Hindernisse, um die ausländischen Investitionen anzuziehen, die notwendig sind, um die Förder-Marke von einer Million Barrel pro Tag zu erreichen.

Zu den Nachteilen kommen Steuern auf Bankabbuchungen und -gutschriften sowie Einfuhrzölle auf Ausrüstungen und Ersatzteile, die in Permian entfallen. Ausserdem zahlt die nordamerikanische Ölindustrie mit 25% Einkommenssteuer, rund zehn Prozent-Punkte weniger als ihre Wettbewerb in Argentinien. Weitere Vorteile sind die beschleunigte Abschreibung der Einkommensteuer und die unbefristete Insolvenz.

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Der größte Vorteil von Vaca Muerta: die Lohn- und Arbeitskosten sind viermal niedriger sind als in den USA. (Foto: LMN)

Preisindex für jedes von einem US-Produzenten verkauften Barrels Öls ist der WTI-Index. In Vaca Muerta hingegen wird im Verhältnis zum Nordseeöl Brent abzüglich der Ausfuhrzölle bezahlt. In den letzten zehn Jahren haben Regierungen unterschiedlicher politischer Couleur zudem die lokalen Preise vom internationalen Markt entkoppelt. Das Ziel: die Kraftstoffpreise auf dem heimischen Markt zu stützen und Inflationsspitzen einzudämmen.

Niedrigere Arbeitskosten in Vaca Muerta

Die Más Energía / La Mañana de Neuquén vorliegen Studie belegt das der größte Vorteil von Vaca Muerta heute die Lohn- und Arbeitskosten sind. Sie sind viermal niedriger sind als in den USA. Die Abwertung von 118% zu Beginn der Regierung von Javier Milei führte zu einer Verflüssigung der Lohnkosten, gemessen am US-Dollar-Wechselkurs. Der Studie zufolge, liegt das Einstiegsgehalt eines Arbeiters in der Permian-Ölindustrie bei US$ 85.000 pro Jahr, das eines Arbeiters in der Neuquén-Ölindustrie hingegen bei US$ 20.000 pro Jahr.

Cristian Navazo, Más Energía / La Mañana de Neuquén

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