15. 01. 2024

Buenos Aires (AT) – Wenn Javier Milei heute um 14.00 Uhr Ortszeit mit der Linienmaschine von Lufthansa Flug LH1190, nach Zwischenstopp in Frankfurt am Main, in Zurich landet, wird er nicht der erste argentinische Staatspräsident sein, der sich aufmacht, um am Weltwirtschafts-Forum (WEF) in Davos teilzunehmen. Vor ihm taten es bereits Carlos Menem (1998), Fernando de la Rúa (2000) und Mauricio Macri (2016). Doch Milei dürfte der Argentinier sein, der die größte Neugier unter den rund 2.900 erwarteten Gästen aus 120 Ländern beim globalen powermeeting in den Schweizer Alpen weckt.

Auf der internationalen Weltbühne nährt der newcomer derzeit im gleiche Maß Verwunderung wie Neugier. Die schlimmsten Befürchtungen, die sich vor der Amtsübernahme am 10. Dezember rund um seine Figur und seinem Regierungs-Programm spannen, haben sich bisher nicht bewahrheitet. Weder zeigt sich der 53-jährige Ökonom als billige Kopie Donald Trumps oder Brasiliens ex-Präsident Jair Bolsonaros noch als fanatischer Monetarismus-Gläubiger, dem die soziale Gratwanderung egal ist, die er mit seinem Wirtschaftsprogramm den 45 Millionen Argentiniern abverlangt.

Diskussion um Dekret und Omnibus-Gesetz

Seit Amtsantritt hat Milei die Devise der Sparsamkeit zum Staatsprogramm erklärt. Grundlage ist ein 30-Punkte-Dekret und ein sogenanntes Omnibus-Gesetz, das mittels 664 neuer Gesetzes-Artikel Bereiche wie Arbeit, Soziales, Handel und Innerer Sicherheit bis hin zur Meinungsfreiheit neu aufstellen will.

Wie es die argentinische Verfassung vorschreibt, prüft die Justiz die Verhältnismäßigkeit des Dekrets während der argentinische Kongress, die Mammut-Gesetzesvorlage debattiert. Die Regierung signalisierte Gesprächsbereitschaft für Änderungen, insbesondere im Sozialen. Doch zeigt sie sich konsequent strikt bei der Schuldenbremse. Milei selber erklärte in verschiedenen Radio-Interviews in den letzten Tagen: „Wir können über alles reden, doch am Null-Defizit wird nicht gerüttelt“. Er zeigt sich optimistisch, diesen ersten Teil seiner Schocktherapie Ende Januar von Legislative und Judikative abgesegnet zu bekommen.

Argentiniens Bevölkerung müht sich indes so gut es geht, mit den Folgen einer restriktiven Geldpolitik und monatlichen Inflationsraten von 25% klarzukommen. Mileis Zustimmungswerte bleiben indes hoch: jüngsten und unabhängigen Umfragen zufolge liegt die Akzeptanz der Regierung nach 30 Tagen Amtszeit bei über 56% und bis zu 60%, je nach Umfrage.

International stößt sein harter Sparkurs auf Anerkennung. Wirtschaftsminister Luis Caputo gab letzte Woche bekannt, dass der International Währungsfonds (IWF), bereit ist, das im Dezember ausgesetzte Kreditpaket wieder aufzunehmen, wenn der Vorstand des multilateralen Kreditinstitutes die Empfehlung seiner Techniker annimmt.

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Davos ist Gastgeber des 54. Weltwirtschafts-Forums.

Im Ausland wächst das Interesse und belegt was im Vorfeld allein Welt-Chefredakteur zu deuten wusste als er Mileis Wahlsieg Ende November mit folgendem Titel kommentierte: „Das wohl größte Freiheitsexperiment seit Jahrzehnten“.  Die rund 60 bis 80 Gesprächs-Anfragen ausländischer Regierungen und Unternehmen, die die Casa Rosada anlässlich Mileis Davos-Visite erhielt, zeigen das Ausmaß der Neugier an dem Experiment.

Zehn Stunden Davos

Mileis Mannschaft ließ im Vorfeld wissen, der „Chef“ werde außer mit WWF-Gründer Klaus Schwab nur noch mit Kristalina Georgieva, Vorsitzende des Internationalen Weltwährungs Fonds (IWF), konferieren können. Dazwischen bleibe allein Zeit, für seine Teilnahme am „Country Strategy Dialog“ am Mittwoch morgen und danach -zur Primetime, um 15.50 Uhr- vor der WEF-Plenarsitzung.

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Doch zu sehr hat sich das neue argentinische Staatsoberhaupt als Kommunikator gezeigt, um die Gelegenheit zu verpassen, sich in kleinster Runde, mit playern wie Frankreichs Emmanuel Macrón, Israels Präsident Isaac Herzog, UNO-Generalsekretär António Guterres, EU-Kommisionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Kollegin Annalena Baerbock oder auch Chinas Vize-Premier Li Qiang zu verständigen. Insgesamt erwarten die WEF-Organisatoren bis zu 60 Staats- und Regierungschefs.

Wie Argentinisches Tageblatt berichtete, bestätigte Scholz-Regierungssprecher Steffen Hebestreit vor wenigen Tagen, dass der Kanzler und Milei letzte Woche ausführlich telephonierten, unter anderem auch über die Notwendigkeit den EU-Mercosur-Deal eindlich voranzubringen. Macrón spricht dagegen unmittelbar nach Milei vor dem WWF – Plenum. Zeichen will Milei im Rahmen seiner Reise so auch nach Argentinien schicken. Die Reise, die heute um 17.50 vom international Flughafen Ezeiza aus startet, vollzieht sich allein über Linien-Flüge. Der Aufenthalt im schicken Steigenberger Icon Grandhotel Belvédère-Hotel Davos dauert nicht mehr als 24 Stunden. Mit von der Partie sind allein Schwester Karina, seine engste Vertraute; Kabinettschef Nicolás Posse; Außenministerin Diana Mondino; und Wirtschaftsminister Luis Caputo. Die Botschaft: sparen ist alles.

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Flavio CannillaVon

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