Buenos Aires (AT) – Javier Milei hat am heutigen Mittwoch mindestens zwei Rekorde gebrochen. Rekord 1: der 53-Jährige ist der argentinische Präsident, dem der mächtige Gewerkschaftsverband CGT nach nur 45 Tagen im Amt einen landesweiten Streik widmet. Vorher lag der Rekord bei 79 Tagen, den sein Vorgänger Fernado de la Rúa (1999 – 2001) hielt. Die CGT kann für Initiativen dieser Art auf über 6 Millionen eingetragene Mitglieder zurückgreifen. Rekord 2: es war ein Generalstreik, der mehr oder minder in geordneten Bahnen und nach europäischen Maßstäben ohne größere Zwischenfälle verlief. Nach Angaben der Organisatoren nahmen allein in der Hauptstadt Buenos Aires rund 350.000 Menschen an dem Streik teil. Nach Angaben der Sicherheitskräfte waren es dagegen zwischen 80.000 und 40.000.
Doch mehr als die absoluten Zahlen, standen an diesem 24. Januar die Formen im Vordergrund. Argentinien ist ein Land, dass eine lange Tradition bei Streiks und Arbeitskampfmaßnahmen hat. Seit 1983 gab es kaum ein Staatsoberhaupt, das aus Protest einen Teil- wenn nicht gar den absoluten Stillstand der drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas erdulden mußte, wie es der Lateinamerika-Experte und Berater Carl Moses in seinem LinkedIn-Account durchleuchtet.
Rekordhalter ist Raúl Alfonsín (1983 – 1989) mit insgesamt 13 Generalstreiks. Nach Alfonsín gab es nur einen, den die Gewerkschaften verschonten: Alberto Fernändez (2019 – 2023). Für den unmittelbaren Vorgänger Mileis blieb der Terminus „Streik“ ein Fremdwort.
Neu war an diesem Mittwoch auch der Umstand, dass die öffentlichen Verkehrsmittel mehr oder minder ihren normalen Dienst erfüllten. So fuhren Busse und Züge bis in den frühen Nachmittag nach Plan, was auch Demonstranten dankbar und gesittet zu nutzten wußten, um sich bis vor den Kongress -Zentrum der größten Demontsration– im Herzen der Hauptstadt fahren zu lassen.
Regeln und Protokoll
Auch Handel und Geschäfte waren über den größten Teil des Tages geöffnet. Ganz und gar nicht, business as usual für einen klassischen Generalstreik made in Argentina. Bei Redaktionsschluss, gegen 19.00 Uhr vermeldeten die Sicherheitskräfte wenige bis kaum Zwischenfälle mit Demonstranten. Mit ein Grund war das erstmals landesweit praktizierte „Protest-Protokoll“, das vom Ministerium für Innere Sicherheit entwickelte Demonstrations-Regelwerk für Sicherheitskräfte. Dieses sieht vor dass die Polizei spontane oder nicht genehmigte Straßen-Blockaden und -Sperren unterbinden und mit Haftstrafen gegen die Urheber vorgehen kann.
Der Einkommenseinbruch für die gesamte Volkswirtschaft dürfte sich in Grenzen halten. Der Volkswirtschaftler Fernando Marull hatte im Vorfeld in einem Interview mit der Zeitung La Nacion berechnet, dass der Streik bei einer massiven Beteiligung und einem absoluten Stillstand des Produktionsapparates zu Verlusten von rund US$ 1,5 Milliarden führen könne. Bei einer Beteiligung von bis zu 30% der CGT-Mitglieder und ihrer angeschlossenen Arbeitnehmerorganisationen läge das Minus bei US$ 430 Millionen. Wenige Stunden nach dem Abzug der letzten Protestanten hieß es aus dem Umfeld einer erleichterten Regierung, die Beteiligung hätte bei knapp über 1% gelegen.
Bleibt abzuwarten, wie der Argentinier zu Fuß diesen ersten Streik-Tag der Ära Milei verarbeit, bewertet und interpretiert. Sicher ist, dass dieser kein normaler (Streik)-Tag war – für argentinische Verhältnisse.
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