Buenos Aires (AT) – Uhrzeit, Datum und Handlungsort waren bewußt gewählt: die Unterschrift des von Javier Milei lang angekündigten -und geforderten- “Pacto de Mayo” (Mai-Pakt) fand um 00.00 Uhr des Dienstags statt. Schauplatz war San Miguel de Tucumán, die Hauptstadt der Provinz Tucumán, im Norden des Landes. Zur Erinnerung: Am 9. Juli gedenkt Argentinien jedes Jahr seiner Unabhängikeitserklärung: An diesem Tag unterzeichneten im Jahre 1816 in Tucuman die Vertreter der damals “Vereinten Provinzen des Río de la Plata” ihre Lossagung vom spanischen Königreich.
Mit der Unterschrift des Mai-Paktes am Geschichtsschwangeren Tag und Ort setzt Javier Milei darauf, den Argentinien auf einen “neuen Gesellschaftsvertrag” verpflichten zu können. Die Charta hat nach Angaben von Beobachten das Potential mehr zu sein als reines Polit-Marketing. Die Unterzeichnung durch die große Mehrheit der argentinischen Landesfürsten gibt dem Mai-Pakt einen nicht geringen Symbolcharakter. Es ist das ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Landes in der sich die mächtigen Provinzgouverneure öffentlich zu einer gemeinsamen Marschrichtung bekennen. Wohl bleibt abzuwarten als wie verbindlich sie ihre Unterschrift ansehen, doch geben sie auch mit dem Mai-Pakt insbesondere vor der krisengeschüttelten und leidenden argentinischen Bevölkerung ein klares Bekenntnis zu Wirtschaftsordnung und Neuanfang ab.
Anwesend waren bei dem nächtlichen “Neustart” das gesamte Kabinett -einzige Ausnahme, Vizepräsidentin Victoria Villaroel, die mit einer Grippe in Buenos Aires geblieben war-, 18 Gouverneure, Delegierte von Wirtschaftskammern sowie auch Mauricio Macri, der als einziger ehemaliger Präsident die Einladung angenommen hatte. Zudem: mehr als 700 geladene Gäste.
Im Vorfeld hatte die Regierung Milei im gewohnten Pathos erklärt: “An dem Ort, an dem vor 208 Jahren die Unabhängigkeit unseres Landes unterzeichnet wurde, kommen wir zusammen, um die Zukunft der argentinischen Nation zu neu schmieden und den Pakt zu unterzeichnen, der den Geist der Freiheit, die Hoffnung der Mai-Revolution und die Entschlossenheit unserer Gründerväter in sich trägt”.
Wie es zum Pacto de Mayo kommen konnte
Die Unterschrift hatte lange auf sich warten lassen. Der Präsident hatte den Pakt für den 25. Mai, der nationale Feiertag anlässlich der ersten Schritte zur Unabhängigkeit von Spanien, in Córdoba geplant, da er für Argentinien einen “Neugründungscharakter” haben sollte. Die Unterzeichnung verzögerte sich jedoch immer wieder, da Milei seinen Vollzug von der Verabschiedung seines nicht kinder ambitionierten Reformpakets “Ley Bases” und der angehängten Steuer- und Fiskalreform abhängig gemacht hatte.
Zum 25. Mai war die Initiative jedoch nur von der Abgeordnetenkammer gebilligt worden. Am 13. Juni kam es zum knappen Erfolg im Senat. Die dort erfolgten Änderungen des Reformpaketes machten eine Rückführung der Initiative und nochmalige Schluss-Abstimmung ins Unterhaus zwingend, woe die Ley Bases schließlich am 28. Juni verabschiedet werden konnte.
Bereits im März im Rahmen der Eröffnung der Legislaturperiode 2024 hatte Milei die Notwendigkeit einen “neuen Gesellschaftsvertrages” ins Rampenlicht der argentinischen Öffentlichkeit gestellt. Dieser werde zehn klare Leitlinien und -ziele festlegen, mittels derer sich die politischen Verantwortlichen des Landes aber auch die Bevölkerung insgesamt auf einen wirtschaftspolitischen und gesellschafltichen Kurs verpflichten sollten. Im Gegenzug und bei Einhalt dieser gesellschaftpolitischen Kennzahlen vepflichtete sich die Regierung gegenüber den Provinzen, den “Neubau” mit erforderlichen Mitteln zu unterstützen.
Am 3. Juli kündigte der Präsidentensprecher Manuel Adorni eine Aktualisierung der 10 Punkte an, wobei der Punkt “Politische Strukturreformen, die das derzeitige System verändern und die Interessen der Abgeordneten und der Repräsentierten neu ausrichten” unter anderem durch einen Punkt zu Bildung und Alphabetisierung ersetzt wurde.
Die 10 Punkte des Pacto de Mayo
Die Grundlage, unter denen die Regierung ihr Programm für eine Neuordnung Argentiniens verbindlich machen will, ordnet isch entlang der zehn folgenden Vorgaben:
1. Die Unantastbarkeit des Privateigentums.
2. Ein nicht verhandelbares finanzielles Gleichgewicht.
3. Die Reduzierung der Staatsausgaben auf ein historisches Niveau von etwa 25 % des Bruttoinlandsprodukts.
4. Eine sinnvolle und moderne Vorschul-, Primar- und Sekundarschulbildung mit vollständiger Alphabetisierung und ohne Schulabbrüche.
5. Eine Steuerreform, die die Steuerlast verringert und den Handel fördert.
6. Die Wiederaufnahme der Diskussion über die föderale Mitbeteiligung an den Steuern
7. Die Verpflichtung der argentinischen Provinzen, bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen.
8. Eine moderne Arbeitsreform, die formelle Beschäftigung fördert.
9. Eine Rentenreform, die dem System Nachhaltigkeit verleiht und diejenigen respektiert, die Beiträge geleistet haben.
10. Eine Öffnung für den internationalen Handel, damit Argentinien wieder zu einem Protagonisten auf dem Weltmarkt werden kann.
Verpflichtung zur Dringlichkeit
Entsprechend war auch der Ton, den Milei für seine Rede anläßlich der Unterzeichnung gewählt hatte. “Argentinien befindet sich an einem Wendepunkt. Wendepunkte in der Geschichte einer Nation sind keine Momente des Friedens und der Ruhe, es sind Momente der Herausforderungen und Konflikte, in denen alles bergauf zu gehen scheint. Es sind Momente, in denen der Abgrund so nahe kommt, dass der Wandel zu einer Verpflichtung und Dringlichkeit wird”, begann Milei.
“Aus diesem Grund möchte ich allen Anwesenden dafür danken, dass sie zusammengekommen sind, um nach dem jahrzehntelangen dauernden Pendel zwischen antagonistischen Projekten, die uns nur ärmer gemacht haben”, fuhr er fort. “Dass dies heute möglich ist, ist zweifelsohne ein Symbol für einen Zeitenwechsel”, fügte er hinzu.
Der gelernte Ökonom Milei ließ es sich nicht nehmen, die finanziellen Herausforderungen zu betonen, die auf die Länderregierungen zukommen: “44% der Staatsausgaben entfallen auf die Provinzen und Gemeinden. Auf jeden Staatsangestellten kommen fünf Provinzangestellte. Um das Ausmaß der öffentlichen Verwaltung und des Staatsapparates auf eine vernünftiges maß von 25 Punkten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zurückfahren zu können, müssen alle Ebenen des Staates ihren Beitrag leisten. Ein kleiner Staat, aber mit klaren und abgegrenzten Aufgaben, ist mehr wert als ein riesiger Staat, der die Ressourcen der Argentinier für Aufgaben verschwendet, die ihm nicht entsprechen”, erklärte Milei.
“Diese zehn Ideen dürfen nicht nur symbolisch bleiben”, forderte der Präsident zum Abschluss und erinnerte daran, daß die Unterschrift auch die Schaffung einer Ratsinstanz vorsieht. Ihre Aufgabe wird es sein, die Verpflichtungen des Maigesetzes in Gesetzesvorlagen umzusetzen. Der Rat setzt sich zusammen aus: einem Vertreter der Gouverneure, jeweils einem aus Abgeordnetenhaus und Senat sowie einem Verterter der Arbeitgeberschaft, Gewerkschaften und Regierung.
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