Buenos Aires (AT) – Die Preissteigerungsrate ist in einer normalen Volkswirtschaft üblicherweise kein Grund zur Freude. In Argentinien ist es anders: Seit Dezember 2023 sinkt der Inflations-Wert nahezu alle vier Wochen. Im Oktober war es erneut soweit: Die Preise stiegen „nur“ um 2,7 %, wie das Nationale Amt für Statistik Indec am Dienstagabend meldete. Im Vormonat, September, hatte der Preisanstieg zum August noch 3,5 % betragen. Vor zehn Monaten waren es knapp 25 % gewesen.
Kurz vor seinem einjährigen Amtsjubiläum am 10. Dezember haben der argentinische Staatspräsident Javier Milei und sein Wirtschafts- und Finanzminister, Luis Caputo, ein zunehmend greifbares Beispiel, um den rund 45 Millionen Argentiniern zu zeigen, was eine konsequente Ordnungspolitik für eine Volkswirtschaft bewirken kann. Sollten sie es schaffen, die monatliche Preiskurve bis Jahresende näher an die psychologisch wichtige Marke von 1 % zu bringen, könnten selbst die krisengewohnten argentinischen Verbraucher vorsichtig anfangen, wieder an eine bessere Zukunft zu glauben. Dies könnte auch den für September 2025 anstehenden midterm elections ein deutlich stärkeres Mandat für den 53-jährigen Milei und sein Team bescheren. Die montalichen Inflation von 1% wäre vergleichbar mit den Erflogen der Stabilitätsmaßnahmen in Brasilien nach den Reformen der 1990er Jahre.
Die Preisentwicklung im Oktober stützt diesen Optimismus. Chronologisch betrachtet muss man bis zum November 2021 (+2,5 %) zurückgehen, um ähnlich niedrige Werte wie im Oktober zu finden. Dennoch: In diesem Jahr ist die Inflation bisher um 107 % gestiegen und liegt damit bereits über dem Wert, den der Haushaltsentwurf 2025 für dieses Jahr vorgesehen hatte.
Ein “historisches Tief” auf Argentinisch
Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Preise um 193 % und lagen damit unter den Werten der beiden vorangegangenen Monate (im September waren es noch 209 %). Die Kerninflation – die volatile Komponenten wie Energie- und Lebensmittelpreise ausschließt- lag im Oktober bei 2,9 %, während sie im September noch bei 3,3 % gelegen hatte. Auch hier zeigt sich ein Tiefstand, vergleichbar nur mit September 2020, dem Pandemie-Jahr.
Unter den Warenkörben verzeichneten die Bereiche Wohnen, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe mit einem Anstieg von 5,4 % die höchsten Preissteigerungen im vergangenen Monat. Preistreiber waren vor allem die steigenden Wohnungsmieten sowie damit verbundene Ausgaben für Strom, Gas und Wasserversorgung. Dahinter folgten Bekleidung und Schuhe (+4,4 %) sowie Restaurants und Hotels (+4,3 %).
Nahrungsmittel hingegen stiegen lediglich um 1,2 %. Dies ist der niedrigste Anstieg bei Lebensmitteln seit Juni 2020, als die damalige Regierung Fernández-Kirchner während des Höhepunkts der Pandemie alle Preise eingefroren hatte. Pikant: Gegen den ehemligen Staatspräsident (2019 – 2023), Alberto Fernández, läuft ein Verfahren wegen des Verdachts der Mißhandlung und Körperverletzung. Und: am heeutigen Mittwoch bestätigte die argentinische Strafkammer die Verurteilung der ehemaligen Staats- und Vizepräsidentin, Christina Fernández de Kirchner, zu sechs Jahren Haft wegen Veruntreuung.
Das Ende der Devisenbeschränkungen
Präsident Javier Milei und Wirtschaftsminister Luis Caputo nutzten die positive Nachrichtenlage umgehend: Noch am Dienstag stellte der Staatschef ein Ende des Crawling-Peg-Mechanismus (Anm. d. Red.: Beim Crawling-Peg gibt die Zentralbank eines Landes bekannt, mit welchem Prozentsatz der Wechselkurs wöchentlich oder monatlich im Verhältnis zu einer Leitwährung automatisch abgewertet wird. In Argentinien sind es derzeit 2 % zum US-Dollar) in Aussicht – sobald die monatliche Inflationsrate bei 1 % angekommen sei. Caputo sieht für das kommende Jahr das Ende der Devisenbeschränkungen immer näher rücken. „Je mehr Zeit vergeht, desto mehr lassen wir die negativen Auswirkungen der schrecklichen Geldpolitik der vorherigen Regierung hinter uns, und desto stärker setzt sich unsere Geldpolitik durch“, erklärte er.
Trotz der Erfolge bleibt die Stabilisierung der Inflation in einem Land wie Argentinien eine Herausforderung. Experten warnen vor Rückschlägen, falls externe Faktoren wie Wechselkurs-schwankungen oder ein Rückgang der Rohstoffexporte auftreten. Für Caputo zeigen die Ergebnisse dagegen, dass es sehr wohl möglich ist, mit einer geordneten und konsequenten Geldpolitik zu wachsen. Er bekräftigte: „Wir gehen davon aus, 2025 mit 5 % oder mehr zu wachsen.“
Ob seine Erwartungen langfristig Bestand haben, wird jedoch nicht nur von der Regierungspolitik, sondern auch von der Widerstandsfähigkeit der argentinischen Bevölkerung abhängen. In jedem Fall aber ist Caputo, bekannt für seinen nüchternen Stil, nicht jemand der derartige Aussagen leichtfertig in die Welt setzt.
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