25. 09. 2025

Von Dr. Ulrich A. Sante*

Angesichts politischer Mächte, die nur nach ihrer eigenen Logik handeln, die Gewalt und wirtschaftliche Erpressung als legitime Mittel betrachten, muss sich Deutschland einer historischen Frage stellen: Will es sich der Logik dieser Mächte unterwerfen? Oder will es mit anderen ein Gegenmodell aufbauen, das zeigt, dass eine regelbasierte Zusammenarbeit auch weiterhin möglich ist?

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Das EU-Mercosur-Abkommen könnte Europa und Lateinamerika enger zusammenbringen als je zuvor.

Exportnation ohne Alternativen

Die Exportnation Deutschland hat eigentlich keine Wahl. Sie sollte mit strategischer Diplomatie und vorausschauendem Denken verlässliche bilaterale und regionale Beziehungen aufbauen. Es ist an der Zeit, gezielt auf „Schwellenländer“ zuzugehen, die nicht zwischen den neuen Machtblöcken aufgerieben werden. Länder Lateinamerikas sind Europa nicht nur durch Geschichte, Kultur und Migration auf das Engste verbunden, sondern teilen ein gemeinsames Schicksal: Weder die EU noch Lateinamerika sind militärische Supermächte. Beide Regionen leben vom Handel und sind auf verlässliche internationale Regeln angewiesen.

Das Spielfeld der Großmächte

Das Ringen der Großmächte um Einfluss ist in Lateinamerika im vollen Gange, und es stellt sich die Frage, ob Europa mit auf dem Spielfeld stehen will. Der im Bau befindliche chinesische Containerhafen Chancay im Norden Limas oder die Eisenbahnprojekte, die China als neue „Seidenstraßen“ zwischen Atlantik und Pazifik in Lateinamerika plant, sollten Warnsignale sein. Am wirkungsvollsten könnte Europa seinen Handlungswillen durch das baldige Inkrafttreten des EU-Mercosur-Vertrags unter Beweis stellen.

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Chinas Projekte in Häfen und Eisenbahnen zeigen den wachsenden Einfluss in Lateinamerika.

Handelsvolumen und Chancen

Lateinamerika und die Karibik sind weltweit führend im Nettoexport von Lebensmitteln. Ihre Lebensmittelexporte erreichten 2022 einen Rekordwert von 349 Milliarden Dollar. Fossile Brennstoffe, Metallerze sowie Agrarprodukte bilden weiterhin die Basis der regionalen Exporte. Gleichzeitig wächst eine digitale Start-up-Szene, die Milliarden an Investitionen anzieht.

EU-Unternehmen exportierten 2024 Waren in die Mercosur-Länder im Wert von 55 Milliarden Euro und 2023 Dienstleistungen im Wert von 29 Milliarden Euro. Schätzungen zufolge könnten die EU-Investitionen nach Inkrafttreten des Abkommens um fast 40 Prozent steigen. Bis zu 440.000 neue Arbeitsplätze wären in der EU möglich.

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Start-ups wie Nubank, Rappi oder Mercado Libre prägen die digitale Revolution in Lateinamerika.

Mehr als Rohstoffe: Digitalisierung und Innovation

Lateinamerika ist längst mehr als nur ein Rohstofflieferant. Start-ups wie Nubank, Rappi oder Mercado Libre zeigen das neue Selbstbewusstsein der Region. Während Lateinamerika junge Märkte und eine digitalaffine Jugend bietet, bringt Europa technologische Kompetenz, Regulierungserfahrung und industrielles Know-how mit.

Partnerschaften bis ins All

Auch die Luft- und Raumfahrt eröffnen neue Chancen: Brasilien baut Regionalflugzeuge, Argentinien Satelliten, Mexiko etabliert sich als globaler Player. Peru betreibt einen Erdbeobachtungssatelliten und kooperierte 2024 beim UN World Space Forum in Bonn. Solche Kooperationen wären mehr als Technikprojekte – sie wären Symbole langfristigen Vertrauens.

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Das Lithium-Dreieck ist für die Energiewende Europas von zentraler Bedeutung.

Das Lithium-Dreieck und strategische Rohstoffe

Argentinien, Chile und Bolivien verfügen über mehr als die Hälfte der weltweiten Lithiumreserven. Lateinamerika deckt 40,5 Prozent der globalen Kupferproduktion ab. Brasilien liegt bei Nickel und Seltenen Erden weltweit auf Platz drei. 2023 erreichte die Minenproduktion strategischer Metalle in Lateinamerika rund 100 Milliarden Dollar.

Im Mai 2024 trat das europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen in Kraft, um Win-win-Partnerschaften zu fördern. Die EU und Argentinien vereinbarten 2023 eine Partnerschaft für nachhaltige Rohstoff-Wertschöpfungsketten.

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Lateinamerika war 2023 führend bei der Produktion strategischer Metalle im Wert von 100 Milliarden Dollar.

Fazit: Ein Muss für Deutschland

Europa und Lateinamerika sollten ihre Zusammenarbeit in internationalen Organisationen enger abstimmen, um die regelbasierte Ordnung zu stärken. Für Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, sind vertiefte Beziehungen zu Lateinamerika kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – und ein geopolitisches Signal.

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*Dr. Ulrich A. Sante ist Botschafter a. D. und Vice Chairman Auslandsaktivitäten der Landesbank Baden-Württemberg LBBW.

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