Buenos Aires / Kopenhagen (AT) – Die Nachricht las sich wie eine klassische Zeitungsente: „Argentinien bewirbt sich um NATO Partnerschaft“. Doch es war Luis Petri, amtierender Verteidigungsminister von Argentinien, der die vermeintliche Falschmeldung bestätigte. Auf seinem X-Account (Twitter) gab Petri bekannt, er habe in Dänemark einen entsprechenden Antrag an Mircea Geoan übergeben. Geoan ist der stellvertretende Generalsekretär der NATO. Zu den „globalen Partnern“ der Nordatlantischen Allianz zählen heute: Australien, Kolumbien, Irak, Japan, Südkorea, die Mongolei, Neuseeland und Pakistan zählt. Petri war letzte Woche in Dänemark, um den Kaufvertrag von 24 US-Kampfflugzeugen des Typs F-16 der dänischen Luftwaffe zu unterzeichnen. Die Zusammenarbeit mit der NATO würde vier Bereiche umfassen, wie die Zeitung La Nacion berichtet: Friedensoperationen, Sicherheit und Überwachung der Ozean, Cyberkrieg und Informationsaustausch.
Und täglich grüßt das Murmeltier
Die Nachricht des Antrages ging im krisengeschüttelten Argentinien unter. Zu sehr müssen die Menschen zwischen Iguazú und Feuerland den Blick nach innen richten; sich aufs Überleben konzentrieren; sprichwörtlich auf das tägliche Brot. Die Inflation geht zurück, doch die Preise steigen jeden Monat weiter zweistellig (+13% im März); im Jahresvergleich, dreistellig (+290% im März). Die Gehälter bleiben trotz immer neuer Tarfiverhundlungenn zurück. Rund 60% der Erwerbstätigen steht in keinem festen Arbeitnehmerverhältnis.
Die Rezession ist allgegenwärtig. Von der Produktion bis zur Bildung. Für kommenden Dienstag, 23. April, hat die staatliche Universität von Buenos Aires (UBA) zu einem Protest-Marsch aufgerufen. Mit rund 24.000 Beschäftigten und mehr als 300.000 Studierenden dürfte die Aktion Teile der Hauptstadt Buenos Aires stilllegen. Grund der Proteste, die harschen Sparpläne der Regierung Milei, wie das Argentinische Tageblatt bereits berichtete. Für den 9. Mai hat der größte Gewerkschaftsverband des Landes -die CGT- einen landesweiten Streik ausgerufen. Es wäre der zweite Generalstreik seit Jahresbeginn. Die CGT hat über 6 Millionen eingetragene Mitglieder.
Ein eigene Stimme, ein neuer Partner
Außerhalb Argentiniens sollte die NATO-Partnerschaft aber in ihrer Bedeutung und Symbolkraft nicht unterschätzt werden. Er bestätigt nicht nur die radikale aussenpolitische Neuausrichtung, der sich Argentiniens Regierung verschrieben hat. Zur Erinnerung: Noch im September letzten Jahres galt das Lateinamerikas drittgrößte Volkswirtschaft als neues Mitglied der BRICS, dem von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gebildeten geopolitischen Block. Nach Brasilien ist China zweitgrößter Handelspartner Argentiniens. Zwischen Januar und November 2023 verkaufte Argentinien Waren im Wert von US$ 4.921 Millionen ins Reich der Mitte und importierte für US$ 13.711 Millionen. Nicht von ungefähr galt Argentinien seit 2003 in Foren wie der G-20 -mit Ausnahme der Jahre 2014 bis 2019- immer wieder als inoffizieller Wasserträger Pekings und Moskaus.
Nach nur zwei Wochen im Amt, lehnte Präsident Milei jedoch die BRICS-Einladung dankend ab. Gleichzeitig nahm Außenministerin Diana Mondino die Verhandlungen zum Eintritt Argentiniens in die OECD wieder auf. Nun der Antrag zum „globalen Partner“ der NATO. Deutlicher geht es kaum.
Eine zügige Abwicklung des NATO-Antrages jedoch würde mehr als nur Signal sein. Nicht nur für die über 45 Millionen Argentinier, die sich -wieder einmal- fragen, ob die Sorgen des Alltages dieses Mal ausreichen, um sich endlich nachhaltig neu zu erfinden.
Der globale Süden spricht heute mit einer eigenen, immer deutlicheren Stimme. Brasilien und Indien sind die Wortführer. China und Russland, bereitwillige souffleusen. Geheimdienste verweisen in Südamerika zudem seit Jahren auch auf eine sich stetig ausweitende iranische Präsenz.
Erst im letzten Jahr schloß der Iran einen bilateralen Verteidigungspakt mit Bolivien (2023) und stationierte eigene Marineeinheiten anläßlich der Zweihundertjahrfeier der venezolanischen Streitkräfte auf dem Kontinent (2023). Beides sind die jüngsten Beispiele einer mehr als vier Jahrzehnte andauernden und systematischen Durchdringung Lateinamerikas. Das Mittel ist die Positionierung nachrichtendienstlicher, militärischer und rüstungstechnischer Mittel des Irans. Das Ziel: der Aufbau eines Netzwerks verbündeter staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Lateinamerika.
In diesem globalen Süden ist das westliche Bündnissystem mehr denn je auf eigene und neue Partner angewiesen.
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