10. 11. 2024

Buenos Aires (AT) – Das Instituto Torcuato Di Tella, bekannt als „Di Tella“, war ein künstlerisches “Experiment”, das das kulturelle Leben von Buenos Aires insbesondere in den 60er- und 70er Jahren geprägt hat. Gegründet 1958 von der Stiftung DiTella wurde es von der Militärregierung unter Juan Carlos Ongania geschlossen. Seine Inspiration und Kunst wirken bis heute nach: Das Di Tella war die „Keimzelle“ großer Künstler, bot umstrittene Ausstellungen und schuf ein kulturelles Erbe, das über Argentinien hinaus die Kunstszene in ganz Lateinamerika georägt hat. In diesem Jahr wäre das DiTella 66 Jahre alt geworden. Ein Rueckblick.

Das Instituto Di Tella (ITDT) funktionierte wie ein gemeinnütziges Zentrum für kulturelle Forschung in Buenos Aires. Es wurde von den Brüdern Guido und Torcuato S. Di Tella zu Ehren ihres Vaters, des italo-argentinischen Ingenieur und Gründer des argentinischen Unternehmens SIAM Di Tella (Hausgeräteunternehmen), Torcuato Di Tella, am 22. Juli 1958 gegründet. Die Brüder waren sich zwar noch nicht sicher, wie sie das Institut organisieren würden, verfolgten jedoch ihr Ziel, eine unabhängige Forschungseinrichtung im Bereich der Sozialwissenschaften und der Kunst zu schaffen.

Das Institut entstand zum perfekten Zeitpunkt: Es gab genügend finanzielle Mittel, viele Talente und eine große Lust zu experimentieren.

„Die Forschung in den Sozialwissenschaften und der zeitgenössischen Kunst waren zwei kulturelle Bereiche, die in Argentinien sehr vernachlässigt wurden. Daher wählte das Institut diese beiden Felder als vorrangige Bereiche“, so Enrique Oteiza, Direktor des ITDT von 1960 bis 1970, in einem Interview mit Canal 7

Das ITDT verfügte über keine eigenen Finanzmittel, da es eine gemeinnützige akademische Institution war. Es erhielt daher eine Subvention von seiner eigenen Stiftung – obwohl beide von unterschiedlichen Personen geleitet wurden– sowie Unterstützung von den Ford- und Rockefeller-Stiftungen.

An der Straße Florida 936 gelegen, im Herzen der Hauptstadt – bekannt als „Der verrückte Block“ – verfügte das Gebäude über mehrere Ausstellungsräume und ein Auditorium mit 244 Sitzplätzen. Der Höhepunkt des Instituto Di Tella erlebte es zwischen 1965 und 1970, als es als „Tempel der Avantgarde“ galt. 

Das Instituto Di Tella existierte nur etwas mehr als ein Jahrzehnt, aber es veränderte für viele für immer das Kunstverständnis des Landes.

„Das Di Tella war ein Ergebnis der Expansion des Unternehmens SIAM Di Tella in den Kulturbereich; zunächst mit einer einzigartigen Kunstsammlung in Argentinien, geleitet vom italienischen Historiker Lionello Venturi. Als man einen Ort zur Unterbringung dieser Sammlung suchte, eignete sich das frisch gegründete Institut hervorragend“, erklärt der Journalist Fernando García, Autor des Buches “El Di Tella. Historia íntima de un fenómeno cultural”, im Gespräch mit dem Kulturministerium.

Kunst, Kunst, Kunst 

In seinen Anfängen beherbergte das Institut die Avantgarde des Theaters, der Musik und der bildenden Künste. Hier machten später berühmte Künstler ihre ersten Schritte und leiteten eine neue Ära der lokalen Kunst ein. Das Di Tella war Zuhause für zahlreiche Künstler*innen, darunter Marta Minujín, Julio Le Parc, León Ferrari, Hugo Midón, Antonio Seguí, Juan Carlos Distéfano, Antonio Berni, Tulio Halperin Donghi, Clorindo Testa, Norman Briski, Natalio Botana, Federico Manuel Peralta Ramos, Roberto Aizenberg, Nacha Guevara, Les Luthiers, Marilú Marini und sogar Luis Alberto Spinetta, unter anderen. Unter der Leitung von Jorge Romero Brest, einer der bekanntesten argentinischen Kunstkritiker und -historiker, konnten die jungen Künstler*innen ihre Ideen freien Lauf lassen. 

„Das Di Tella hatte keine vergleichbare Institution, nicht nur in Lateinamerika, sondern vielleicht weltweit. Es war eine private Einrichtung, die der Avantgarde ihrer Zeit freien Raum zur Entfaltung bot – das ist eine ganz besondere Eigenschaft“, betont García.

Die Generation Di Tella war nicht nur für Argentinien, sondern für die gesamte Region von großer Bedeutung.

Im Mai 1970, unter dem De-facto-Regime von Juan Carlos Onganía, wurde das Institut stark bekämpft, was letztendlich zur Schließung der Kunst- und Musikzentren führte. Es wurden Verfolgungen durchgeführt und eine umfassende Zensur gegenüber Fernsehprogrammen, Theateraufführungen, Filmen und Printpublikationen verhängt. Zudem wurden einige Jahre zuvor die externen Finanzierungen aufgrund der Erhöhung des US-Budgets für den Vietnamkrieg weitgehend gestrichen. Die anderen sozialwissenschaftlichen Zentren setzten ihre Arbeit fort und führten zur Gründung der Universidad Torcuato Di Tella, die heutige Universität die ihren Familiennamen trägt.

Im Institut gingen damals junge Nachwuchstalente aus der Region ein und aus, die später sowohl national als auch international bedeutende Karrieren machten. Es brachte neue, avantgardistische Strömungen nach Argentinien, die zu dieser Zeit in vielen anderen Ländern noch nicht weit verbreitet waren. Ein Beispiel ist Marta Minujín und ihre enge Freundschaft zur Pop-Ikone Andy Warhol in den Vereinigten Staaten. Oder auch andere Namen, die vielleicht weniger bekannt sind, wie etwa David Lamelas, der argentinische Künstler und Pionier der konzeptuellen Kunst, der heute zwischen Los Angeles, Berlin und Paris lebt.

“Meiner Meinung nach hatte der argentinische Komponist Alberto Ginastera internationale Bedeutung und natürlich ist Marta Minujin heute eine internationale Referenz der „Pop Art“, hebt Salvador Orsini, derzeit Generalkoordinator am Instituto Torcuato Di Tella im Gespräch mit dem Argentinischen Tageblatt vor.  “Zum Erbe der Di Tella Generation muss ich erwähnen, dass die neuen Studiengänge der Uni, die im Bereich Design unterrichtet werden, die innovative Ditella-Tradition fortführen. Gerade die Kunstabteilung fördert weiterhin junge Künstler”.

Das Institut Di Tella war ein bedeutender Impulsgeber für die moderne Kunst in Argentinien und ganz Lateinamerika in den 1960er und 1970er Jahren. Kunst war schon immer ein Zufluchtsort und ein Mittel zur Reflexion, um gesellschaftliche und politische Themen zu hinterfragen. Das Di Tella war ein solcher Raum für kreative Ausdruckskraft und Widerstand und hinterließ ein bleibendes Erbe, das bis heute als Inspirationsquelle dient.

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Flavio CannillaVon

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