Buenos Aires (AT) – Kaum ein Fall bewegt Argentinien so sehr wie der von Loan. Die Suche nach dem 5-jährigen Loan Danilo Peña, der seit letzter Woche in Corrientes vermisst wird, verdrängt für viele selbst die allgegenwärtige Politik und Wirtschaft in den Hintergrund des täglichen Alltags. Knapp zehn Tage nach der ersten Vermissten-Anzeige hat sich der Fall zu einer Mischung aus Politikum und Verschwörungsdynamik entwickelt, der Familienmitglieder, Gemeindebeamte, pensioniertes Militär und die Polizeikommissar einbezieht aber auch eine ungeschlossene Wunde im argentinischen Sozialgefüge aufbrechen läßt.
Suche auf 12.000 Hektar
Loan Danilo Peña verschwand am 13. Juni in der Provinz Corrientes, im Nordosten Argetiniens. Der Junge wollte an dem Tag seine Großmutter in der Ortschaft 9 de Julio besuchen. Ersten Vermutungen zu Folge hatte sich Loan auf dem Weg verlaufen. Inzwischen gehen die Sicherheitskräfte jedoch eher davon aus, dass das Kind entführt und Opfer eines Menschenhändlerrings geworden ist.
Mehr als 1.000 Sicherheitsbeamte, Polizei- und Militäreinheiten haben die Provinzregierung von Corrientes aber auch das Ministerium für Innere Sicherheit in den letzten Tagen aufgeboten, um nach Spuren des Jungen in dem mehr als 12.000 Hektar großen Gebiet zu suchen. Die Region in der Loan zum letzten Mal gesehen wurde – Algarrobal– gilt als schwer zugänglich, bergig und dicht bewachsen. Für die Justiz gilt jedoch die These, dass sich Loan im Busch verirrt hat, nahezu als ausgeschlossen.
Eine Orangenernte, die keine war
So lesen sich auch die ersten Aussagen der Hauptverdächtigen wie ein schlechter Roman: Antonio Benítez, der Onkel des Jungen, sowie Daniel “Fierrito” Ramírez und Mónica del Carmen Millepi, ein befreundetes Ehepaar, wollen am 13. Juni mit Loan und anderen Kindern nach dem Mittagessen zum Orangenpflücken begleitet haben. Gegen 14.20 Uhr sei der Junge dann einfach verschwunden. Spuren des Kindes, die von Spürhunden gefunden werden konnten, widerlegten die Version der “Orangenernte”.
Ein vor wenigen Tagen aufgetauchtes Foto kam erschwerend hinzu und deutet für die Behörden auf einen ganz anderen Tatverlauf. Das Foto zeigt Loan beim Mittagessen umringt von sieben Erwachsenen am Tisch. Die Aufnahme rückte zwei neue mögliche Tatverdächtige ins Zentrum der Untersuchung Carlos Pérez, ein ehemaliger Militär, und seine Frau María Victoria Caillava, eine pensionierte Kommunalbeamtin. Polizeihunde konnten Spuren von Loan in ihren Autos auffinden. Im Verdacht steht zudem auch Walter Maciel, Polizekommissar der Ortschaft. Es soll Kleidungsstücke des Kindes, einige Kilometer vom Haus der Großmutter entfernt, “platziert” haben, um die Aufmerksamkeit vom Ehepaar Pérez-Caillava abzulenken und dafür die Großmutter zu belasten. Alle fünf Tatverdächtige stehen inzwischen in Untersuchungshaft. Von Loan fehlt jedoch weiterhin jede Spur.
Menschenhändler: ein allzu bekanntes Tatmotiv
Der Fall Loan gewinnt nicht nur wegen seiner Dramatik an landesweiter Aufmerksamkeit. Er läßt die Diskussion um eines der noch ungelösten soziale Probleme insbesondere in ärmeren Bevölkerungsschichten und Regionen Argentiniens wiederaufleben. Seit Jahren kommt es gerade in diesem Umfeld zu häufigen Vermisstenmeldungen von Kindern und Jugendlichen. Missing Children Argentina listet derzeit etwa 115 Kinder und Jugendliche auf, die bis heute vermisst werden.
Das Ministerium für Innere Sicherheit hat deshalb seit einiger Zeit ein eigenes Frühwarnsystem aktiviert: “Alerta Sofia“. Die Plattform verbreitet nach einer Vermisstenanzeige in Echtzeit Bilder des Opfers, sowie Orientierungs- und Kontaktinformationen zum Fall über Smartphones, TV, Radio, E-Mail und soziale Netzwerke im ganzen Land. Der Name bezieht sich auf Sofía Herrera, die am 28. September 2008 auf einem Campingplatz in der Stadt Río Grande (Provinz Tierra del Fuego, Patagonien) verschwand und bis heute als vermisst gilt. Auch im Fall Loan aktivierte die Provinzregierung von Corrientes Alerta Sofia.
Die Staatsanwälte Guillermo Barry und Juan Carlos Castillo gaben inzwischen bekannt, dass der Fall an die Bundesjustiz übergeben wurde, nachdem gegen fünf der sechs Inhaftierten Anklage erhoben wurde. Der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft für Menschenhandel und Ausbeutung (Protex) übergeben, die sich nun mit dem Fall befasst. Währenddessen geht die Suche nach Loan weiter.
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