22. 02. 2024

Buenos Aires (AT) – Der Wertverlust der Einkommen der Argentinier aufgrund einer nun schon Jahre andauernden und galoppierenden Inflation sowie die radikale Preisanpassung in der Wirtschaft der letzten zwei Monate zeigt immer spürbarere Folgen auf der empfindlichsten Seite des Geldbeutels. Der Konsum privater Haushalte sank im Januar um 3,8%. “Die ersten Februartage zeigten ebenfalls negative Indikatoren, zwischen 8 und 9 Punkten. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dürfte auch der Februar negativ ausfallen”, sagte Osvaldo Del Río, Geschäftsführer von Scentia, einem spezialisierten Beratungsunternehmen.

Der Rückgang ist allerdings “moderat” im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren, die stärker unter der Schockpolitik der derzeitigen Regierung leiden. Im Dezember brach etwa das Baugewerbe laut der zugänglichen Marktdaten dum 12,2% ein und die Industrie um 12,8%. Im Januar gingen die Autoverkäufe um 33% und die Motorradverkäufe um 18,7 % zurück. Auch die Zementlieferungen fielen um 20% zurück, während der Einzelhandelsumsatz der Kleinen und Mittelstädischen Unternehmen (KMU) um 28,5% einbrach.

“Precios Justos” war eine Kampagne, die Preise konstant zu halten, die die Regierung Fernández (2019 – 2023) und die Konsumgüterherstellern und -Anbietern ausgehandelten, um die Nachfrage hoch zu halten. (inforegion.com)

Der Rückgang des Konsums zeigt damit eine klare Trendwende zur zweiten Jahreshälfte 2023, wie die Tageszeitung La Nación hervorhebt. Im zweiten Halbjahr letzten Jahres trieb der “Plan Platita die angesichts der Abwertungserwartungen die Argentinier zum Einkaufen. Zur Erinnerung: mit dem Plan Platita hatte die Vorgängerregierung (Anm. d. Red: unter dem damaligen Präsidenten Alberto Fernández und seinem Wirtschaftsminister Sergio Massa) 2023 mittels Preiskontrollen und Ratenmodellen auf der Angebotseite sowie einer per Dekret verfügten Erhöhung der Einkommen auf Verbraucherseite eine Ankurbelung des privatens Verbrauches angeschoben.

Die Abschaffung der Preiskontrollen ab Dezember führt seit einigen Wochen dazu, dass etwa die Preisunterschiede zwischen Supermärkten und anderen Verbraucherzentralen allmählich verschwindet. Im Vorjahr hatten war etwa der Einkauf in den argentinischen Supermärkten um bis zu 50% günstiger.

Vom Angebotsmarkt zum Nachfragemarkt

Damit vollzieht der argentinische Konsumsektor derzeit den Wandel von einem Angebotsmodell, auf dem derjenige gewinnt, der über Vorräte verfügt, zu einem Nachfragemodell, der denjenigen belohnt, der am besten die gesunkene Einkommenslage der Verbraucher zu bedienen vermag. Hinzu kommt: der expansiven Geldpolitik der Vorjahre, die zu einem “Fluten” des Marktes mit Peso und damit zu Inflation führte, hat die Regierung Milei unter Wirtschaftsminister Luis Caputo eine strikt restriktiven Geldpolitik entgegengesetzt, die Peso aus dem Markt nimmt. Waren Verbraucher 2023 noch getrieben, ihr Geld in Konsum, Reisen oder ähnlichem zu investieren, um den Wertverfall zu vermeiden, sind sie heute gezwungen, ihr Einkommensverhalten neu anzupassen.

Großer Shock im Supermarkt: Der Massenkonsum ist im Januar zurückgegangen. (cadenaser.com)

Landesweit und über alle Vertriebskanäle hinweg, waren im Januar fast alle Artikel rückläufig, so die Zahlen von Scentia: Nahrungsmittel (-2,6%), Frühstück + Snacks (-4,5%), Frischwaren (-0,5%), Haushalts- und Wäschereinigung (-6,6%), Hygiene + Kosmetik (-7,2%) und alkoholische Getränke (-11,3%). 

Allerdings: nach 18 Monaten des Rückgangs durchlebten die vor allem kleine Einzelhändler im Januar eine leichten Anstieg ihrer Umsätze um +0,5%. Die Supermärkte, die mehr als zwei Jahre lang positive Zahlen verzeichneten, mussten dagegen einen Umsatzeinbußen von mehr als 8% hinnehmen. “In der Regel war früher der Supermarkt etwa 8 bis 9% billiger als der Laden in der Nachbarschaft. Im Dezember 2023 lag diese Differenz bei 49%, d. h. im Supermarkt war es fast 50 % billiger als im Tante Emma Laden um die Ecke”, erklärte Del Rio.

“Der Markt ist wieder da”

Für den Inhaber der Beratungsfirma W, Guillermo Oliveto, lässt sich die heutige “Milei-Logik” in einem Satz zusammenfassen: “Der Markt ist wieder da”. Angesichts der von Scentia veröffentlichten Daten ist Oliveto der Ansicht, dass der Massenkonsum besser standgehalten hat als andere Bereiche, die in den zwei Monaten von Januar bis Dezember zweistellige Rückgänge verzeichneten. “Es ist moderat für den Kontext und war zu erwarten. Die Unternehmen müssen jetzt ihre Preisstrategien neu kalibrieren, die sehr unausgewogen waren. Die Regierung hat die Preise gelockert und der Markt hat sich angepasst”, so Oliveto.

Wirtschaftsminister Luis Caputo. (perfil.com)

Nach der Abwertung im Dezember und der Preisliberalisierung lag die Inflation im letzten Monat des Jahres bei 25,5 %. Im Januar verlangsamte sie sich auf 20,6%. Wie das Argentinische Tageblatt berichtete, erwartet Wirtschaftsminister Caputo, dass die Inflation im Februar “eher bei 10% als bei 20% liegen dürfte.

In jedem Fall rechnen alle Beteiligten, dass das noch junge Geschäftsjahr 2024 in Argentinien von Inflation und Rezession geprägt sein wird -zumindest im ersten Halbjahr. Der Konsum zeigt wohin die Richtung geht.

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