Buenos Aires (AT) – Die Weinkellerei Humberto Canale in der Provinz Neuquén war vor wenigen Wochen Treffpunkt für Winzer, Unternehmer und Vertreter der Weinindustrie aus ganz Argentinien. Anlaß war die „Konferenz für die Weinentwicklung Südargentiniens”. Hier sollte über alles gesprochen werden, was es über Weinproduktion südlich des 38º Breitengrades -der inoffiziellen nördlichen Grenze Patagoniens- zu wissen und zu hören gibt: Indikatoren zu Konsum, Produktion und Export; über Wachstumspotenziale genauso wie über die Herausforderungen des Sektors; vor allem aber über eines: die Zukunft der Wein-Marke und potenzieller Ursprungsbezeichnung (DOC) “Patagonia”.
„Ich freue mich sehr über dieses Branchentreffen, denn es belegt wieder einmal, dass in der Weinindustrie eine große Dynamik und der Wille zum Fortschritt vorhanden sind aber auch dass gerade Patagonien über ein enormes Potenzial verfügt. Von allen Weinbauregionen Argentiniens ist sie die Region, die in den letzten Jahren am stärksten gewachsen; sie hat sich enorm entwickelt“, eröffnete Mario González, Geschäftsführer der Corporación Vitivinícola Argentina (Coviar) das Treffen, wie das Portal LM Neuquén berichtet.
Mit “Patagonien” bezog sich González auf die Region, die Argentinien im Süden des Kontinents mit Nachbar Chile teilt. Auf argentinischer Seite sind es “patagonische” Provinzen: La Pampa, Río Negro, Neuquén, Chubut, Santa Cruz und Tierra del Fuego (Feuerland). Patagonien ist nicht nur wegen seiner Naturschönheiten -Perito Moreno Gletscher oder Beagle Kanal- bekannt. Immer stärker sind es auch die Weine aus Patagonien, die das Intreresse im In- aber auch im Ausland auf sich ziehen.
Mehr als 18 argentinische Provinzen bauen heute von Norden bis Süden Trauben an. “Unser Wein ist ein Produkt, das uns längst international repräsentiert“, strich Carlos Banacloy, Wirtschaftsminister der Provinz Rio Negro, auf dem Kongress hervor. Die “Weinregion” Patagonien umfasst etwa 3.730 Hektar Weinberge (1,8 % der gesamten argentinischen Rebfläche), von denen 90 % am Zusammenfluss der beiden Flüsse Neuquén und Limay liegen. Während der Pinot Noir im Landesvergleecih nur 1 % der argentinischen Rebfläche ausmacht, sind es in Patagonien 11 %, wie der Journalist Joaquín Hidalgo von LM Neuquén ermittelt hat.
Roberto Schroeder, Geschäftsführer der Bodega Familia Schroeder, nutzte seinen Auftritt bei dem Treffen um die Bedeutung einer einheitlichen und landesweiten Datenerfassung zu betonen, die es den lokalen Winzern helfen soll, ihre Interessen auch über die eigenen Grenzen hinaus zu vertreten. „Es ist heute wichtiger denn je einheitliche Informationen für unseren Sektor Regionenübergreifend also Landesweit zur Verfügung zu haben. Wir müssen die Ausgangsbedingungen der einzelnen Weinbauregionen bewerten und bekunden können. Denn das erste, was ein Käufer oder ein Importeur aus dem Ausland nachfragt, sind Daten zu Lage, Klima oder Terroir. Und da sind wir darauf angewiesen, daß diese Informationen so qualifiziert und glaubwürdig sind wie nur möglich. Deshalb ist es wichtig, unsere Bedingungen nicht nur zu beschreiben sondern auch zu bekunden“, sagte Schröder, dessen Familie seit über 30 Jahren in Patagonien Wein anbaut.
Der Nachdruck mit dem der deutschstämmige Winzer, um eine einheitliche Marschrichtung bei den patagonischen Winzern warb kam nicht von ungefähr. Seit Jahren streiten die Produzenten um den Schutz den Namens “Patagonia”, der auch als Grundlage für eine eigene Ursrprungsbezeichnung (DOC, in der italinischen Abkürzung) dienen könnte.
Der Zankapfel
Jüngstes Beispiel ist etwa der Rechtstreit zwischen der Kammer der exportierenden Weinkellereien von Patagonia Argentina mit Viña Concha y Toro SA aus Chile und Patagonia Inc., der aus den Vereinigten Staaten vom Unternehmer Yvon Chouinard gegründeten Firma. Schwerpunkt: die Verwendung der Marke Patagonia bei Weinen für den Export. Der Streit reiht sich in eine lange Reihe von Prozessen, die auch international ausgefochten werden. Ende 2022, gab etwa die britische Richterin Catrin Williams den argentinischen Erzeugern Recht, als sie gegen die erwähnte Bodega Concha y Toro auf Widerruf der Marke Patagonia klagten. Die Chilenen hatte einen eigenen Wein unter dem Namen Patagonia auf den Markt gebracht. Williams gab den Klagenden Recht.
Denn: Seit 2002 ist die geografische Angabe Patagonia eine von der argentinische Rechtsprechung geschützten Bezeichnung für die gesamte Region. 2014 erließ daraufhin das Berufungsgericht von General Roca das Urteil, das die Eintragung und Nutzung der Marke Patagonien in Argentinien verbietet. Auf internationaler Ebene hängt der Schutz der Bezeichung Patagonia von lokalen Gerichten ab. Im Vereinigten Königreich etwa wurde Patagonia etwa im Jahr 2001 registriert. Im Falle des Williams-Urteils, kam die Richterin kam zu dem Schluss, dass die Marke Patagonia nicht benutzt wurde und dass der Markeninhaber die Gründe, nicht nachweisen konnte , warum das nicht geschehen war.
Wein aus Patagonien in der Welt
Wie es das Williams – Urteil belegt, war “Patagonia” in den letzten Jahren in der Kategorie Weine und Spirituosen, Gegenstand von 14 offenen Rechtsstreitigkeiten in verschiedenen Ländern, von Korea über Finnland, Taiwan, Schweden, Polen und China bis hin zur Europäischen Union.
Alfredo Ghirardelli, Eigentümer der Bodega Agresti, resumierte auf dem Treffen in General Roca: „Heute ist klar, wo Patagonien liegt und wer in Patagonien Wein produziert. Doch ledier gibt es immer wieder Unternehmen, die dagegen angehen können. Unsere Stärke liegt darin, unser Produkt vorzustellen und zu zeigen, wo wir es produzieren; unsere Herkunft“.
Rückgänge im In- und Ausland
Doch auch insgesamt befindet sich der argentinische Weinanbau heute vor einem herausfordernden Marktumfeld. Weder der Inlandsmarkt noch der Auslandsmarkt zeigen eine nahmhafte Erholung der Nachfrage. Daniel Rada, Wirtschaftsexperte des Consultingunternehmens Coviar, gab in General Roca zu bedenken: „Der Sektor leidet insbesonder bei der Inlandsnachfrage unter einem Kaufkraftverlust. Grund sind die Einkommensverluste bei den Verbrauchern, die insbesondere bei Waren sparen, die sie nicht als Grundbedürfnisse ansehen”.
„Was den Export betrifft, hatten wir 2023 ebenfalls einen starken Rückgang von etwa 25 % zu verzeichnen. Dafür gab es mehrere Gründe, einer davon ist der Einfluss des Wechselkurses, der einen sehr starken Einfluss auf die argentinischen Exporte hat. Andererseits war es das Verhalten der internationalen Märkte“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler in General Roca.
Merkbar lastet auf den lokalen Winzer aber auch die unterschiedliche Preisentwicklung innerhalb Argentiniens. Die Preise in Patagonien sind im Allgemeinen höher als die durchschnittlichen argentinischen Exportpreise, wie Rada belegte. “Wir sprechen hier von über US$ 7 pro Liter für den Export gegenüber US$ 4,50, dem landesweiten Durchschnitt”, unterstrich der Experte.
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