02. 06. 2025

Stuttgart – Am Mittwoch, 14. Mai, hat Bundeskanzler Friedrich Merz seine erste Regierungserklärung abgegeben. Er hielt in vielerlei Hinsicht eine beeindruckende Rede, die Zuversicht ausstrahlte. Besonders bemerkenswert waren die beinharten Bekenntnisse zu einer vertieften europäischen Integration und zu einer unverrückbaren Unterstützung („ohne Wenn und Aber“) der Ukrainerinnen und Ukrainer, die auch für unsere Werte und Freiheit kämpfen. Merz machte klar, dass Deutschland in diesem Konflikt kein „unbeteiligter Dritter“ sei und verwies zurecht auf die multidimensionale Aggression durch Putins Russland – von Cyberangriffen über Spionage bis hin zu gezielter Desinformation – mit der Intention, unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterwandern.

Merz trifft bei der Sicherheitspolitik den Nagel auf den Kopf.

Auch beim Thema Wirtschaftspolitik drückte Merz die richtigen Knöpfe. Dass Deutschland wieder zur „Wachstumslokomotive“ wird, auf die die Welt „mit Bewunderung“ blickt, scheint in Anbetracht der vom LBBW Research dokumentierten vielfältigen Wachstumshemmnisse aber fest im Reich des Wunschdenkens verankert. Trotzdem: Alles in allem eine starke Rede.

In einem Bereich allerdings fiel der Kanzler noch hinter die ohnehin geringen Erwartungen zurück. Beim Themenkomplex Klimapolitik. Um es noch einmal klar zu sagen: Dabei geht es mitnichten darum, dass wir das Klima schützen wollen. Es geht vielmehr um den Schutz der Menschen, die dem Klima ausgesetzt sind. Denn dem Klima ist es egal, wie heiß oder kalt es ist, und ob es Dürreperioden oder Überschwemmungen gibt.

Klima als Randerscheinung in Merz‘ Regierungserklärung.

In seiner etwa einstündigen Rede widmete der Kanzler dem Klimaschutz gerade einmal eine Minute. Er sprach nebulös von „neuen Wegen“ und „unideologischer“ und „technologieoffener“ Politik. Was sich hinter diesen Floskeln verbirgt, blieb unklar. Statt den Ausbau von erneuerbaren Energien voranzutreiben, spekuliert die neue Regierung auf die Speicherung von CO2. Hauptsächlich schien es Merz beim Bereich Klima und Energie um die Senkung der Preise zu gehen. Dass eine effektive Klima- und Energiepolitik auch die sicherheitspolitischen Risiken reduziert, denen Merz zurecht so viel Platz einräumte, scheint die Regierung trotz der Erfahrung des Erdgasschocks nach dem Angriffskrieg Russlands nicht verinnerlicht zu haben.

Aber auch bei einem anderen Leib- und Magenthema des Kanzlers, nämlich der Migration, kann eine effektive Klimapolitik unterstützend wirken. Denn wenige Regionen der Welt werden voraussichtlich so stark von Dürren und Wassermangel betroffen sein wie Nordafrika und der Nahe Osten. Wenn dort aufgrund des Klimawandels die Lebensgrundlagen wegbrechen: Wohin wird die dortige Bevölkerung wohl wandern?

Temperatura media, Alemania, 1980, 2022

Manche mögens heiß? Willkommen in Europa

Auch dieses Jahr ließen sich die Eisheiligen mal wieder nicht blicken – sind Mamertus, die kalte Sophie und ihre Kumpel vielleicht an den verschärften Grenzkontrollen gescheitert? Im ersten Quartal lag die Durchschnittstemperatur in Deutschland etwa zwei Grad höher als im langjährigen Mittel. Begleitet von einem zuletzt beharrlichen Mangel an Niederschlägen. Acht der zehn heißesten je gemessenen Jahre lagen in der zurückliegenden Dekade. 2024 war in Deutschland und Europa das heißeste Jahr aller Zeiten, wieder mal (Abb. 1&2). Extremwetterereignisse nehmen rasant zu – auch bei uns.

Mapa de temperaturas, Europa

Das ist nicht Ideologie. Das ist Wissenschaft. Deutschland muss bei der Klimapolitik nachsteuern, denn die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels werden kontinuierlich steigen. Wenn’s tatsächlich so kommt, dann wird sich Merz sein Wirtschaftswunder endgültig abschminken müssen.

Deutschland muss bei der Klimapolitik nachsteuern, denn die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels werden kontinuierlich steigen.

Dr. Moritz Kraemer, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Dr. Moritz Kraemer,
Chefvolkswirt und Leiter Research

LBBWResearch@LBBW.de

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