Hitzewellen. Überschwemmungen, Lawinen, Starkregen, Dürren, Waldbrände: Die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels sind in den letzten Jahren deutlicher denn je geworden. Überschwemmungen in Brasilien, extreme Hitzewellen in Indien, Hungersnöte in Ostafrika. Gleichzeitig leiden Europa und Nordafrika unter einer historischen Dürre, Flüsse trocknen aus, viele Länder haben den Notstand ausgerufen. Dringender Handlungsbedarf.
Die Klimakrise kennt keine Grenzen – sie betrifft sowohl den globalen Norden als auch den Süden. Doch wie nehmen wir diese Veränderungen wahr, und wie reagieren wir darauf? Welche Lösungen sind bereits in Sicht, und welche Maßnahmen müssen dringend ergriffen werden, um die Erderwärmung zu stoppen? In unserer Serie “Logbuch des Klimawandels” beleuchten wir die Auswirkungen der Klimakrise in Lateinamerika und Deutschland. Dabei lassen wir die Stimmen derjenigen zu Wort kommen, die von den Folgen persönlich betroffen sind, um ihre Perspektiven und Erfahrungen in den Mittelpunkt zu rücken.
„Logbuch des Klimawandels“ (Bitácora del cambio climático) ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut Buenos Aires und dem Argentinischen Tageblatt, um unsere Gegenwart zu analysieren und einen Blick auf die Zukunft zu werfen. In dieser Ausgabe: Wie auch die kleinste Frucht ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann.
Von Anna M. Goretzki (*)
Buenos Aires (AT) – Ausgerechnet heute fällt seit Wochen der Trockenheit der erste Regen auf das Feld im südlichen Brandenburg. Es schüttet wie aus Kübeln. Die Kiefern am Feldrand lassen sich nur erahnen. Schon nach wenigen Schritten schwappt das Wasser in den Schuhen. „Bei Regen ernten – das haben wir ja noch nie gemacht!“, lacht Isabella Krause. Die Nässe trübt ihre Laune nicht. Sie entwickelt eine Wertschöpfungskette für Kichererbsen in Brandenburg, einer der trockensten Regionen Deutschlands. Verschiedene Forschungsinstitutionen, LandwirtInnen, LebensmittelhändlerInnen und Netzwerke sind an dem Kichererbsen-Ring beteiligt. Das gemeinsame Ziel: den Anbau von Kichererbsen auf den sandigen Böden im Bundesland Brandenburg im Osten Deutschlands voranzutreiben.
Die Ernte heute dient Forschungszwecken. Durch die krautigen Kichererbsen, die zur Familie der Leguminosen gehört, kämpfen sich zusammen mit Isabella Krause der Umweltwissenschaftler Marvin Teschner von der Agrargenossenschaft Trebbin und die Leguminosen-Expertin Elisabeth Berlinghof vom ZALF, dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung. Sie wollen die Pflanzen, die in wenigen Tagen mit dem Mähdrescher geerntet werden sollen, bonitieren, also genauer untersuchen. Eine nach der anderen ziehen sie aus dem Boden, zählen, wie viele es in einem Quadratmeter genau sind und bestimmen ihre Eigenschaften. Die Bonitur ergibt: die Pflanzen sind sehr gleichmäßig und dicht gewachsen und die Anzahl der Erbsen in den Hülsen ist vergleichsweise hoch. Ergebnisse, mit denen sie zufrieden sind.

Eine “Superpflanze”
Eigentlich ist die Hülsenfrucht, die beispielsweise als Grundlage für Falafel, Humus und viele andere Gerichte unverzichtbar ist, auf Brandenburger Äckern bisher ungewöhnlich. Die zunehmende Trockenheit aber, die der Klimawandel mit sich bringt, macht ihren Anbau nun auch hier möglich. Der Kichererbsen-Ring setzt sich dafür ein, dass die Hülsenfrucht, auch regionale AbnehmerInnen finden und vernetzt verarbeitende Firmen, Handelsunternehmen, Forschungseinrichtungen mit Landwirtschaftsbetrieben wie zum Beispiel der Agrargenossenschaft Trebbin. Marvin Teschner steckt die geernteten Pflanzen in weiße Säcke. Er ist von der Kichererbse sehr begeistert: „Sie ist eine super Pflanze, die auch unter Klimawandelbedingungen super zurecht kommt. Die hat nicht so hohe Ansprüche an den Boden, die wächst super hier auf unseren Brandenburger Böden, braucht wenig Wasser.“
Und nicht nur das: wie auch andere Leguminosen, wie zum Beispiel Sojabohne, Erbse, Bohnen, hat sie die Eigenschaft, in Symbiose mit bestimmten Bakterien Stickstoff aus der Luft an ihren Wurzeln anzulagern und sich so selbst mit dem unverzichtbaren Nährstoff zu versorgen. Das macht sie sehr klimafreundlich, denn für ihren Anbau muss kein künstlicher Stickstoffdünger ausgebracht werden, der mit hohem Energieeinsatz hergestellt wird. So lassen sich Treibhausgasemissionen mindern.

Nahrungsmittel der Zukunft
Für Elisabeth Berlinghof – und mit dieser Meinung ist sie in guter Gesellschaft – sind Hülsenfrüchte daher „das Nahrungsmittel der Zukunft“, denn sie schonen Ressourcen und sind gleichzeitig sehr eiweißreich und gesund. Kichererbsen seien „ein Riesengeschenk“, begeistert sich ihre Kollegin Isabella Krause, weil sie auch für die Folgefrucht noch wertvollen Stickstoff im Boden hinterlasse. Sie sei auf vielen Agrar-Veranstaltungen, auf denen LandwirtInnen verzweifelt Antworten auf ihre Frage suchen, was sich in Zeiten des Klimawandels noch anbauen lässt. Krause antworte dann immer: „Kichererbsen! Brandenburg ist wirklich prädestiniert für den Anbau der trocken- und hitzeresistenten Feldfrucht.“ Den regionalen LandwirtInnen könnte sie Ertragssicherheit in der Zukunft geben, ist sie überzeugt.
Mehrere große Säcke schleppen die Drei an den Feldrand. Elisabeth Berlinghof wird ihren Inhalt noch besonders genau untersuchen. Bis 2030 strebt die deutsche Bundesregierung wegen ihrer Klimafreundlichkeit 10 Prozent Leguminosen auf deutschen Äckern an. Die Kichererbse könnte dabei eine wichtige Rolle spielen, ist Berlinghof überzeugt. Meist bedeutet Klimaschutz Verzicht auf lieb gewonnene Gewohnheiten. Selten wird es leichter sein, fürs Klima etwas Gutes zu tun: einfach regionale Kichererbsen essen.
(*) Anna M. Goretzki ist Ethnologin und Journalistin. Über Klima, Landwirtschaft und Ernährung schreibt sie immer wieder für deutsche Medien.
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