14. 03. 2024

Buenos Aires (AT)Rosario ist Geburtstadt, von Lionel Messi und Che Guevara; Rosario ist Handelszentrum, von Argentiniens Weizen- und Agrarindustrie; doch Rosario ist heute vor allem eines, eine Stadt im Ausnahmezustand. Der Grund: der Kampf gegen den internationalen Drogenhandel. In der mit knapp 1,5 Millionen Einwohner drittgrößten Stadt des Landes zählen Schießereien, Morde und Entführungen zum Alltag. Mehrere Banden ringen um die Kontrolle des Drogenhandels in der Stadt, die sich aufrgund ihrer Lage und und Fluganbindung zum Hauptknotenpunkt für Transporte zwischen Kolumbien und Europa entwickelt hat. Seit Jahren tobt hier Krieg zwischen Drogen-Dealern untereinander aber auch immer wieder mit der Stadt- und Provinzregierung (Santa Fe). 

Der im Dezember neugewählte Gouverneur, Maximiliano Pullaro, hat den Dealern jetzt den Kampf angesagt. Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Am Wochenende, ermorderten Auftragkiller im Namen der Dorgenbosse wahllos Tankstellenbetreiber und Passanten. Staatspräsident Javier Milei und Patricia Bullrich, Ministerin für Innere Sicherheit, schickten kurz danach weitere Polizeikräfte und Mitglieder des Heeres. Das Ziel: Rosario davor zu bewahren sich in ein argentinisches Sinaola (Méxiko) zu verwandeln.

Der Auslöser

Die Anzahl der Morde in Rosario wuchsen seit Wochen. Im Vergleich zu den Hinrichtugsähnlichen Morden des Wochendes waren die Fälle präzedenzlos. Um so mehr als die Täter eine Botschaft an den Tatorten hinterließen: “Dieser Krieg ist kein Revierkrieg. Wir werden uns zusammeschliessen, um so mehr Unschuldige im Jahr töten zu können”, warnten sie in einer Nachricht, die an Gouverneur Maximiliano Pullaro und Pablo Cococcioni, seinem Minister für Justiz und Sicherheit in der Provinz Santa Fe, adressiert war. Die Unterschrift “Verinigte Nordzone, Südzone und Westzone (von Rosario, Anm. d. Red.)”.

Nach vier Verbrechen in weniger als einer Woche, haben nun auch die Bewohner Maßnahmen ergriffen. Rosario startete die Woche ohne Nah- und Fernverkehr, mit wenigen Taxis auf den Straßen, ohne Unterricht in den öffentlichen Schulen, ohne Müllabfuhr, mit Ausnahme von Krankenwagen und Streifenwagen. 

Die Einwohner protestieren auf den Straßen. “Rosario Blutet” steht auf ihren Plakaten. (urgente24.com)

Die Eskalation

Maximiliano Pullaro, der seit seinem Amtsantritt als Gouverneur im Dezember letzten Jahres an vorderster Front im Kampf gegen die organisierte Kriminalität steht, besuchte Sicherheitsminister Patricia Bullrich in Buenos Aires, um die Bedingungen zu vereinheitlichen und die operativen Einzelheiten zur Bekämpfung der Drogengewalt festzulegen. Die Casa Rosada, Sitz der argentinischen Regierung, kündigte die Gründung eines “Krisenkomitees ” an, um in der drittgrößten Stadt Argentinien mit vereinten Sicherheit-Kräften aus dem ganzen Land sowie mit Unterstützung des Heeres vorgehen zu können.

(v.l.n.r) Patricia Bullrich, Sicherheitsministerin und Maximiliano Pullaro, Gouverneur von Rosario. (diarioelnorte.com)

Bullrich traf am Montag in Rosario ein, um den Einsatz zu leiten und das erste gemeinsame Kontingent von Gendarmerie und Bundespolizei zu empfangen. Sowohl die Sicherheitsministerin als auch Pullaro erklärten, dass die vier Morde darauf abzielten, soziale Unruhe durch Terrorismus zu verursachen, was ihnen die rechtliche Grundlage gibt, den Sicherheitsb edingen Notstand auszurufen. Dieser erlaubt es ihnen, die Militärkräfte auf dem Staatsgebiet zur Bekämpfung der Drogenbanden einzusetzen und den Einsatz des Militärs juristisch zu legitimieren. “Wir müssen ihnen klar machen, dass der Staat viel stärker ist als das organisierte Verbrechen”, so der Gouverneur Pullaro.

Rosario, Lionel Messis Heimatstadt. (vivo247.com)

Der Hintergrund 

Die Stadt Rosario am Fluss Paraná, rund 300 Kilometer nordwestlich von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, ist ein wichtiges Industrie- und Handelszentrum. Von hier aus werden Soja, Mais und Rinderhälften in die ganze Welt verschifft. Allerdings herrscht vor allem in den Außenbezirken oft bittere Armut, hier finden die Drogenbanden leicht sowohl Rekruten als auch Kunden. Im Jahr 2023, kam es in Rosario 259 Morde.

Rosario ist in den vergangenen Jahren zu einer Drehscheibe für den lateinamerikanischen Kokainhandel geworden. Der Konsum des Rauschgifts in der Stadt stieg. Zwischen den am Rauschgifthandel beteiligten Gruppen kommt es regelmäßig zu bewaffeneten Konfrontationen. Das Problem ist seit Jahren ungelöst, wozu auch strukturelle Korruption beiträgt. 

Die Kämpfe zwischen den Gangs um den lukrativen Kokainmarkt machen Rosario zur gefährlichsten Stadt Argentiniens. (politicaargentina.com)

Doch, warum gerade Rosario? Ariel Larroude, Direktor der Beobachtungsstelle für Kriminalpolitik Observatorio de Política Criminal, nennt drei Dinge, die seiner Ansicht nach diesen Gewaltswandel wesentlich begünstigt haben: der Paradigmenwechsel beim Konsum und der Kommerzialisierung von Drogen, die Konsolidierung einer klandestinen und gewalttätigen Wirtschaftsordnung und die Atomisierung der territorialen Kontrolle durch die Polizei.

Der Jurist schlägt daher unter anderem die Änderung des argentinischen Drogengesetzes, die Verringerung der Waffendichte in der Zivilgesellschaft und die Einrichtung eines Krisenstabs vor. Nach Untersuchungen des Observatorio, steht hinter der Mehrzahl der Morde nicht eine „gewöhnliche“ Art der Kriminalität, sondern ein organisierter Apparat und insbesondere internationle Drogenkartelle.

Über 75% der Morde wurden sorgfältig geplant. In 85 % der Fälle kamen Schusswaffen zum Einsatz, belegen die Daten der Behörde. “Das heißt, die Konflikte werden auf offener Straße und vor den Augen der Polizei ausgetragen. Das wiederum lässt vermuten, dass die Polizei offenbar (freiwillig oder unfreiwillig) einen Teil ihrer Macht an kriminelle Banden abgetreten hat”, so Larroude. Das jetzt vereinte Vorgehen zwischen Provinzregierung und Landesregierung ist die erste koordinierte Initiative der letzten Jahre, um das Leben in der drittgrößten Stadt Argentiniens von der Gewalt zu befreien.

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