Buenos Aires (AT) – Schluss mit Lustig: sechs Monate nach Javier Mileis Amtsantritt entscheidet der Senat heute über das Gesetzespaket der “Ley Bases” sowie die angeschlossene Steurereform (“Fiskalabkommen”) der Regierung Milei. Die Abstimmung, die sich in die Nacht von Buenos Aires ziehen dürfte, hat das Zeug zum Polit-Thriller, wie so oft in der jüngeren Geschichte des Landes. Bis in die frühen Stunden des Mittwochs verhandelte Innenminister und Kabinettschef Guillermo Francos mit den im Oberhaus des argentinischen Kongresses vertretenen Parlamentsvertretern, um sich die nötigen Stimmen zu sichern. Doch das Ergebnis ist auch kurz vor dem Beginn der Sitzung in Buenos Aires alles andere als garantiert.
Die Ausgangslage
Mindestens 37 der insgesamt 72 Senatoren zählenden Kammer braucht die Regierung, um nach monatelanger Verandlung das sogenannte “Grundalegengesetz zur Neuordnung der argentinischen Wirtschaft” und ein neue Stuerreform, die unter anderem auch die Landesausgleichfianzierung zwischen Bund und Länder (Provinzen) neu regelt und sich dem Mandat des Haushaltsüberschusses verpflichtet, über die letzte Hürde zu bringen. Bei Redaktionsschluss am Dienstag konnte Francos nur 35 Stimmen als gesichert ansehen, während die Opposition -die hauptsächlich von den Abeordenten der ehemaligen Regierung Kirchner gestellt werden- mit 36 Abegordneten nach wie vor die Vorlagen zu Fall bringen kann. Bei Redaktionsschluss, hoffte Chefunterhändler Francos die drei unentschlossenen Senatoren Maximiliano Abad, José Carambia und Natalia Gadano auf seine Seite ziehen zu können.
Alle Augen -und Hoffnungen- richten sich auf die Vizepräsidentin Victoria Villaroel, die der Verfassung nach auch die Rolle der Senatsvorsitzenden innehält. Villaroel pflegt ein gutes Verhältnis zu Abad und könnte zum dealbreaker werden.
Was geschieht bei einem Unentschieden
Die Vizepräsidentin ist auch die, die eine potentielle Pattsituation bei einer Abstimmung, überstimmen könnte. Allerdings, Villaroel könnte bei der Schluss-Abstimmung die Führung der Landesregierung übernehmen müssen und ihren Posten im Senat abgeben müssen. Staatschef Javier Milei startet -wie berichtet- am Abend eine Auslandreise an, die ihn nach Rom (G-7-Treffen) und Bürgenstock (Schweiz) fürht, wo er an der Friedenskonferenz für die Ukraine teilnehmen soll. Sollte die Abstimmung bis zu Mileis Abreise nicht fertig sein, muß Villaroel ihre Aufgaben im Senat -und eben die Leitung der Debatte- an ihren eigenen Vize, Bartolomé Abdala, abgeben. Das würde das Kräfteverhältnis nicht unbedingt verschieben, doch könnte es den Ablauf der Debatte beinflussen und am Ende die Unentschlossenen wieder kippen lassen. Obwohl die Sitzung im Senat um 10 Uhr Vormittags argentinischer Zeit (15 Uhr MEZ) starten soll, werden mehr als zehn Stunden Debatte erwartet.
Was auf dem Spiel steht
Mit dem Grundlagengesetz und der Steuerreform könnte die Regierung von Javier Milei nicht nur ihr erstes Gesetz verabschieden. Das mehr als 232 Artikel zählende Gesetzeswerk Ley Bases gibt dem Staatschef Vollmachten zur Umsetzung tiefgehender Strukturreformen mit dem Ziel mehr Wettbewerb und Öffnung in die seit über vier Jahrzenten stark staatslastigen argentinischen Volkswirtschaft brungen zu können. Anders als von lokalen aber auch vielen internationalen Medien dargestellt, ist die Ley Bases sehr viel mehr als ein Freibrief zur Privatisierung maroder Staatsunternehmen, wie Aerolíneas Argentinas (Luftfahrt), Enarsa (Energie) oder AySA (Utilities). Eines der Schwerpunkte des Grundalegengesetzes ist die Umsetzung von Investitonssicherheiten und Anreizprogrammen wie dem Régimen de Incentivos para Grandes Inversiones (RIGI), das etwa Steuer-, Zoll- und Devisenerleichterungen für Investitionen über US$ 200 Millionen vorsieht.
Ihrerseit bringt die Steuerreform (“Fiskalbkommen”) Neuerungen unter anderem bei Einkommenssteuer, Vermögenssteuer, Tarifen und Moratorien für Zollabgaben sowie Anreize, um unversteuerte Geldbestände von Beträgen von bis zu US$ 100.000 in den Finanzkreislauf ohne Strafzahlungen zurückführen zu können.
Sollten es die Vorlagen heute durch den Senat schaffen, müßte die Vorlage der Verfassung nach noch einmal zurück ins Unterhaus – der Abgeordnetenkammer-, um dort die zuletzt vom Oberhaus eingeführten Änderungen bestätigen zu lassen. Doch ist das Stimmenverhältnis im Unterhaus für die Regierung viel günstiger verteilt. Analysten gehen in dem Fall von einer schnellen Verabschiedung aus.
Für die Regierung wäre ein Erfolg am heutigen Mittwoch im Senat deshalb mehr als nur ein Etappensieg. Das Team um Milei könnte vor allem der internationalen Gemeinschaft signalisieren das es Lateinamerikas drittgrößte Volkswirtschaft trotz aller Fehltritte in seiner jüngeren Geschichte dieses Mal Ernst ist, mit dem Neuanfang. In jedem Fall, eines ist garantiert: Spannung bis zur letzten Minute.
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