03. 10. 2023

Buenos Aires – AT. Seit August 2023 repräsentiert Dieter Lamlé die Bundesrepublik in Argentinien. Geboren in Pretoria, Südafrika, war er Diplomat an mehreren geopolitischen hot-spots unserer Zeit: Irak, Ruanda. Doch es ist Lateinamerika und seine Menschen, die ihn immer wieder anzogen. Ein Teil seiner Kindheit verlebte Lamlé in Perú und kehrte später selbst als Ständiger Vertreter der Bundesregierung dorthin zurück. Zudem war er Regionalbeauftragter für Lateinamerika und Karibik im Auswärtigen Amt in Berlin.

In einem seiner ersten Interviews mit einem argentinischen Medium erklärt er, wohin der gemeinsame Weg von Lateinamerika und Deutschland führt, welche Rolle er dabei für Argentinien sieht und warum er sein Fußball-Herz -vielleicht- schon jetzt im Süden von Buenos Aires verloren hat. 

Herr Botschafter, wie geht es Deutschland an diesem 3. Oktober 2023?
Deutschland geht es gut. Wir sind eine stabile Demokratie, die sich international gemeinsam mit seinen Partnern für Menschenrechte und Frieden einsetzt. Deutschland ist ein buntes, ein offenes, ein innovatives Land. Unsere starke Wirtschaft zeichnet uns aus und stößt international auf Anerkennung. Deutschland ist heute am 33. Jahrestag der Wiedervereinigung eine fest in der westlichen Wertegemeinschaft verankerte Demokratie.

Genauso wie viele andere Länder spüren wir natürlich auch die vielen Krisen, die die Welt momentan erschüttern. Die Klimakrise, die Invasion der Ukraine durch Putins Russland, daraus resultierende wirtschaftliche Schwierigkeiten – diese stellen insbesondere Deutschland vor besondere Herausforderungen. Besonders schwierig war für uns natürlich der Ausfall der Gaslieferungen aus Russland, für die Ersatz gefunden werden musste. Umso wichtiger ist es daher, unsere internationalen Partnerschaften zu intensivieren und diese Herausforderungen miteinander anzugehen, denn nur so können wir sie auch bewältigen.

Dieter Lamlé, Embajador, Alemania, Buenos Aires
Dieter Lamlé es Embajador alemán en Buenos Aires desde agosto 2023.

Auf welche Leistungen kann Deutschland 33 Jahre nach der Wiedervereinigung stolz sein?
Wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, aus zwei Ländern, die jahrzehntelang voneinander getrennt waren, eins zu machen. Das ist ein großer Erfolg. Es wurden buchstäblich Mauern eingerissen. Aber auch kulturell und in den Köpfen der Menschen mussten Mauern eingerissen und Verständnis für die jeweilige Geschichte des anderen entwickelt werden. Das war nicht immer einfach, und ist in einigen Teilen Deutschlands vielleicht noch nicht endgültig abgeschlossen. Aber uns ist in der Zwischenzeit sehr viel gelungen, der Weg dorthin schien lange Zeit undenkbar.

Wir sind eine stabile Demokratie. Wir sind ein Land, das das Vertrauen seiner internationalen Partner gewonnen hat – auch das ist nicht selbstverständlich. Wir scheuen uns nicht, gemeinsam mit unseren Partnern aktive Führungsrollen zu übernehmen. Wir sind ein modernes, weltoffenes Land. Wir sind ein Land, das gerne von Touristen bereist wird. Sehr viele Migranten, die nach Europa kommen, wollen nach Deutschland.

Heute ist auch der Tag, an dem das Argentinische Tageblatt ein neues Kapitel in seiner über 134-jährigen Geschichte aufschlägt. Welche Daseinsberechtigung und welche Chance hat ein Medium wie das AT in dem globalen Dorf, in dem wir alle heute leben?
Das ist für uns alle ein ganz besonderer Tag, wenn das AT zeigt, dass es am Anfang des Jahres seine Geschichte eben nicht beenden musste, wie viele dachten, sondern seine Geschichte in einem neuen und moderneren Gewand weiterschreibt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Das AT hat für die deutsche Geschichte in Argentinien immer eine sehr wichtige Rolle gespielt. Es ist Sprachrohr der deutschen Gemeinde untereinander gewesen und hat gleichzeitig in die argentinische Gesellschaft hineingewirkt. Man muss der Familie Alemann daher unendlich dankbar sein für die Generationen umspannende Arbeit, die sie über so eine lange Zeit geleistet haben. Ich würde sehr gerne bald jemanden aus dieser verdienten Familie persönlich treffen.

Dieses Vermächtnis ist eines der Gründe, weshalb sich im Laufe des Jahres so viele Menschen zusammengefunden haben und der Meinung waren: das kann jetzt nicht einfach so enden. Und die es tatsächlich geschafft haben, nach dem tragischen Tod des Chefredakteurs Stefan Kuhn ein neues Team zusammenzustellen und eine neue Vision für das AT zu entwickeln. Die der Geschichte und dem Grundgedanken des AT treu bleiben, und es gleichzeitig den neuen medialen Gegebenheiten anpassen.

Auch in einer Welt wie der heutigen, in der Nachrichten global von einem Moment auf den anderen verfügbar sind, braucht es Medien, die sich um die Lebensrealitäten und den Zusammenhalt der lokalen und regionalen Gesellschaften bemühen. Gleichzeitig hat das AT das Potential, zusätzlich dazu auch eine mediale Brücke zwischen unseren beiden Ländern zu sein.  Ich glaube fest, dass das AT dazu beitragen wird, dass unsere bereits sehr engen Beziehungen in den kommenden Jahren noch enger werden.

Sie haben, unter anderem, in Saudi-Arabien, Hong-Kong, Irak, Perú, den Vereinten Nationen in New York und Ruanda gedient. Im Außenministerium in Berlin haben Sie das Ressort Lateinamerika & Karibik geleitet. Sie gelten als Lateinamerika-Kenner. Was verbindet Sie mit der Region?
Ich habe sechs Jahre meiner Kindheit in Peru verbracht, als Kind eines Diplomaten. Seitdem habe ich eine starke Verbindung zu Peru im speziellen, aber zur Region generell. Als Diplomat war ich dann auch vier Jahre lang auf Posten in Peru, und konnte in der Zeit die Region noch einmal besser kennenlernen. Und schließlich war ich von 2015 bis 2017 Regionalbeauftragter für Lateinamerika und Karibik des Auswärtigen Amts in Berlin, und habe in dieser Rolle sehr oft Lateinamerika bereist. Seitdem bin ich davon überzeugt: Europa und Lateinamerika brauchen einander und müssen noch enger zusammenrücken, und das auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt und Anerkennung. Beide Seiten können viel voneinander lernen, das Potential für eine noch intensivere Zusammenarbeit erscheint unerschöpflich. Die Förderung und der Ausbau dieses Potentials wird meine Hauptaufgabe der nächsten Jahre sein.

Worauf freuen Sie sich für Ihre Zeit in Argentinien und was macht das Land für Sie so spannend?
Ich freue mich darauf, die Menschen in Argentinien kennenzulernen. Nicht nur diejenigen in Buenos Aires, deren tägliche Nachbarn wir ja sind, sondern diejenigen in allen Regionen des Landes. Um ein Land zu verstehen, muss man seinen Menschen begegnen und Ihnen zuhören. Darauf habe ich sehr große Lust!

Argentinien ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Partner für uns – uns verbindet so viel! Wussten Sie, dass die Yerba Mate Marke „Playadito“ von Deutschen in der Colonia Liebig etabliert wurde? Die deutsche Einwanderungsgeschichte ist überhaupt ein wichtiges Beispiel: da wäre zum Beispiel die so zahlreiche deutsche Gemeinde, die in der argentinischen Geschichte viel zum Aufbau des Landes beigetragen haben, nachdem ihnen Argentinien aber auch erst die Möglichkeit gegeben hat, dies zu tun. Oder die so große jüdische Gemeinde, mit der uns das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte verbindet, aber mit der wir vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Aber uns verbindet auch heute sehr viel – Argentinien und Deutschland arbeiten als Wertepartner auf vielen Ebenen eng miteinander: in der Kultur, in der Wissenschaft, in Energiefragen, in der Wirtschaft – überall gibt es Anknüpfungspunkte und viel Vertrauen. Ich freue mich, all diese Verbindungen noch näher kennenzulernen und sie dann noch enger zu gestalten – das mit meinem Team und unseren argentinischen Partnern zu tun, das finde ich sehr spannend.

Auch wenn Sie erst kurze Zeit in Buenos Aires sind: Boca; River, Racing, ….. Für wen schlägt Ihr Herz bereits jetzt?

Ich war am vergangenen Wochenende in der Bombonera, um den Superclasico zu sehen. Das war ein beeindruckendes Erlebnis, schließlich ist es eines der berühmtesten Derbys der Welt. Argentinien ist für seine Fußballleidenschaft bekannt, mindestens genauso wie für seine Fußballer – Maradona, Messi, Batistuta, die Liste könnte man ja fast endlos weiterführen. Ich freue mich erstmal, noch weitere Stadien in Argentinien zu besuchen und tolle Spiele zu sehen.

Und die Fußballspiele zwischen Argentinien und Deutschland gehören schon immer zu den Clasicos – es sind immer tolle Spiele mit einem knappen Ergebnis!

Neben dem Fußball ist Rugby eines der beliebtesten Sportarten des Landes. Sie sind in Pretoria, Südafrika, geboren. In Frankreich, geht gerade die Rugby-Weltmeisterschaft in die nächste Runde. Sollten die Springboks im Endspiel gegen die Pumas spielen müssen, was machen Sie?

Dann freue ich mich auf ein schönes Spiel mit dem positiven Ausgang für den Besseren! Aber es ist natürlich immer schön, im Gastland den Gewinn eines so bedeutenden Titels mitfeiern zu können….

Welches persönliche Ziel möchten Sie erreicht haben, wenn Sie in drei Jahren auf Ihre Zeit in Argentinien zurückblicken?

Dann würde ich mich freuen, wenn die Menschen in Argentinien sagen würden: dieser deutsche Botschafter hat uns zugehört, hat mit uns gesprochen, und hat alles in seinem Rahmen Mögliche getan, um die bereits engen und vertrauensvollen Verbindungen zwischen unseren Ländern noch intensiver zu gestalten.

Herr Botschafter, wir bedanken uns für das Gespräch.

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Elena EstrellaVon
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  1. Carlos Axel Augspach

    Nos gustaría invitar al Sr. Embajador de Alemania y su ministro agrícola a una presentación sobre todos los alimentos que producimos y como se producen en diferentes establecimientos de la Pcia de Buenos Aires
    Carne ciclo completo ,de origen Aberdeen Angus,. maiz, soja, quinoa,mostaza,miel,trigo arveja, miel
    La presentación seria en la Estancia El Castillo en Pergamino,por personal de la compañía en castellano o ingles.
    Mucho agradecer se comuniquen por este medio

    .

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