Buenos Aires / Dresden – Mit der Deutschen E-Metalle AG (DEM) passt Dr. Micha Zauner auf den ersten Blick nicht in das klassische Raster eines „Hidden Champion“. Denn nach der Definition des Begriffs-Erfinders Hermann Simon – Unternehmensberater, Autor und ehemaliger Wirtschaftsprofessor – muss ein solcher Weltmarktführer mindestens zu den Top 3 seiner Branche gehören oder zumindest Platz 1 auf seinem Kontinent belegen. Der Jahresumsatz bleibt dabei in der Regel unter drei Milliarden Euro. Und: „In der Öffentlichkeit ist ein Hidden Champion kaum bekannt, da er meist inhabergeführt, nicht börsennotiert ist und oft einen Nischenmarkt bedient“, heißt es in Simons Definition.
Immerhin: Das 2021 in Dresden gegründete Bergbauunternehmen erfüllt zumindest einige dieser Kriterien. Und doch greift das Etikett „Hidden Champion“ zu kurz. Wer sich das Projekt von Zauner und seinem Team im Detail anschaut, erkennt: Hier ist jemand unterwegs, der sich mit unternehmerischer Vision, Pioniergeist und Nervenstärke eine strategisch hochrelevante Position erarbeitet hat – in einer Region, die man lange vor allem mit wirtschaftlichem Stillstand verband.
Als Zauner vor knapp drei Jahren im Nordwesten Argentiniens, knapp unterhalb der 4.000-Meter-Marke, sein Lithium-Projekt startete, war die Lage im Land alles andere als planungssicher: Inflation, Haushaltskrise, politische Unsicherheit – wer hier investierte, brauchte mehr als nur gute Prognosen.
Doch Zauner wußte an den Klischees und der Nachrichtenlage vorbei eine Chance zu sehen. Die global steigende Nachfrage nach Lithium. Angetrieben durch E-Mobilität, Speichertechnologien und geopolitische Umbrüche, zeigte das Mineral Potenzial. Das “weiße Gold” war zudem einer der wenigen Hoffnungsschimmer für die marode argentinische Wirtschaft des ersten Jahres nach der Pandemie.
Knapp drei Jahre später zählt DEM zu den heimlichen Gewinnern eines Sektors, der längst nicht mehr nur von großen Namen wie Rio Tinto oder Albemarle geprägt wird. Im Joint Venture mit der Lithium Mining Corporation (LMC) in der Provinz Catamarca steht DEM kurz vor dem Start der Machbarkeitsstudie für das Lithium-Projekt, das potenziell 6 Millionen Tonnen des für die E-Mobilität entscheidenden Minerals liefern könnte. Wie bereits vom Argentinischen Tageblatt berichtet hält die DEM-Unternehmung Lizenzen über 70.000 Hektar im Gebiet Carachi Blanco in der Nähe der Ortschaft Antofagasta de la Sierra, 10 km von der Grenze zu Chile und 562 km von der Provinzhauptstadt San Fernando del Valle de Catamarca. Damit liegt die Unternehmung im Lithium-Dreieck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile gehört. Zauners Fazit im Gespräch mit dem Argentinischen Tageblatt ist eindeutig: „Argentinien im Rohstoffsektor inzwischen ganz vorne dabei.“

Im Vorfeld der größten Bergbaumesse des Landes – der Arminera – sprach Zauner vor wenigen Wochen exklusiv mit dem Argentinischen Tageblatt. Es wurde ein Gespräch über Chancen, Risiken – und darüber, warum es manchmal Mut braucht, um genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Aber auch, warum man bei allem Erfolg gut daran tut, den sozialen Aspekt und seine Menschen immer im Blick zu behalten. Zauner erklärt in klaren Worten warum die unternehmerische Zukunft einer Initiative wie die DEMs maßgeblich davon abhängt, dass die in ihrem Umfeld benachbarten Gemeinschaften verstehen, worum es bei der Unternehmung geht. Gerade in einem Land wie Argentinien; um so mehr in einem hype-Sektor wie dem Bergbau. Die Analyse eines Entrepreneurs und Unternehmers, der bei aller Zukunftsvision die Gegenwart nicht aus den Augen verloren hat.
Sie haben vor knapp drei Jahren auf ein Lithium-Projekt im Norden Argentiniens gesetzt – auf 4.000 Metern Höhe, zu einer Zeit, als das Land noch durch Rekordinflation statt durch eine „Kettensägen-Politik“ Aufmerksamkeit erregte. Wo steht Ihr Projekt heute?
Wir bohren gerade das zweite Bohrloch – und die bisherigen Ergebnisse machen Mut. Wir sind aktuell bei 350 Metern Tiefe und werden bis 500 Meter weitermachen. Es läuft sehr gut, die Bedingungen sind ideal, und das Team leistet hervorragende Arbeit. Das erste Bohrloch hatten wir Ende Januar abgeschlossen. Dabei haben wir sehr viel und sehr gutes Grundwasser gefunden – in Trinkwasserqualität. In dieser Höhenlage ist Wasser ein rares Gut, sowohl für die Gemeinde als auch für die lokale Bevölkerung. Für unser Projekt ist das zukunftsweisend.
Was bedeutet das konkret?
Wasser auf eigenem Gelände zu haben, bedeutet Unabhängigkeit für ein Projekt dieser Art. Zudem haben wir bei der zweiten Bohrung bereits in 300 Metern Tiefe erste Hinweise auf Lithium gefunden. Wir müssen jetzt bis 500 Meter weiterbohren, um zu bestätigen, wie viel Lithium tatsächlich vorhanden ist. Im Juni führen wir dann die dritte Bohrung durch. Sobald wir diese Ende Juni abschließen, werden wir entscheiden, wie es weitergeht – etwa wann wir neue Investoren oder Geschäftspartner an Bord holen. Dabei spielt auch die Machbarkeitsstudie eine entscheidende Rolle.
Das Land hat sich in den letzten drei Jahren stark verändert. Die Geschichte lehrt, die Sektkorken in Argentinien nicht zu früh knallen zu lassen. Welchen Eindruck haben Sie heute?
Die Inflation ist weiterhin spürbar – alles wird teurer. Meine letzte Reise war im November, und seither ist die Teuerung deutlich spürbar. Aber wie die jüngsten Maßnahmen der Regierung zeigen, stabilisiert sich der Devisenmarkt; die Differenz zwischen offiziellem und inoffiziellem Wechselkurs hat sich deutlich verringert.
Wie wirkt sich das Auf und Ab auf ein Bergbauprojekt wie Ihres aus? Sie beschäftigen derzeit rund 25 Mitarbeiter.
Die Lohn- und Nebenkosten steigen massiv – etwa für Verpflegung. Ein Beispiel: Pro Tag zahlen wir dort oben rund 40 US-Dollar für die Versorgung unserer Mitarbeiter mit Frühstück und Mittagessen. Das ist sehr viel. Die Puna war schon immer teurer als Buenos Aires – die Gegend ist schwer zu versorgen. Dennoch sind die Preise in den letzten Monaten um mindestens 20 % gestiegen, wenn nicht sogar doppelt so hoch. Ein anderes Beispiel: Ich bringe von jeder Reise gern argentinischen Wein mit nach Hause. Aktuell lohnt sich das kaum noch – in Deutschland kostet er fast genauso viel wie hier. In Argentinien zahle ich inzwischen europäische Preise.

Was bedeutet das für Sie als Unternehmer? Wie haben sich Ihre Kosten in den letzten drei Jahren entwickelt?
Ein wichtiger Maßstab für mich sind die Bohrkosten pro Meter – und diese sind gestiegen. Das heißt: Wir müssen mehr investieren, um das Gleiche zu erreichen wie noch vor einem halben Jahr. Das ist in Argentinien nichts Neues. Zu Beginn des Projekts war die Wechselkurs-Differenz ein großer Vorteil. Jetzt ist der Kurs immer noch relativ gut, aber die Inflation ist spürbarer.
Sie kennen Argentinien seit vielen Jahren – auch jenseits der Touristenpfade. Wie stellt man sich auf ein so volatiles Umfeld ein?
Man muss die operative Tätigkeit am Laufen halten – und den Investitionsplan flexibel anpassen. Wir denken derzeit eher konservativ. Zum Beispiel verschieben wir Kapitalerhöhungen, bis klarer ist, wie sich Inflation und Wechselkurs entwickeln. (Anm. d. Red.: Im April hat die Regierung Milei die seit 2011 bestehenden Devisenbeschränkungen aufgehoben. Offizieller und Schwarzmarktkurs stehen bei rund US$ 1 zu AR$ 1.200 nahezu gleichauf.) Das eröffnet neue Möglichkeiten, größere Beträge ins Land zu bringen. Wir konzentrieren uns derzeit auf das Nötigste, um die Operation aufrechtzuerhalten – vermeiden aber unnötig hohe Investitionen. Investoren müssen in Argentinien sehr agil und aufmerksam sein – man muss viele Faktoren gleichzeitig im Blick haben, die man in Europa kaum bedenken müsste.
Wie wird Ihr Projekt in Deutschland heute wahrgenommen? Präsident Milei sorgt ja auch international für Schlagzeilen.
Das Interesse ist stark gestiegen – und durchweg positiv. Die Entwicklungen in Argentinien sind sehr dynamisch, insbesondere im Bergbausektor, wo wir tätig sind. Argentinien hat international stark an Sichtbarkeit gewonnen – glücklicherweise auch bei uns in positiver Hinsicht. Ein Beispiel: Anfang März fand in Toronto die weltweit größte Bergbau-Konferenz statt – mit rund 30.000 Teilnehmern. Der Argentinien-Tag dort war mit rund 1.000 Besuchern die mit Abstand größte Länder-Veranstaltung.
Mit dabei: Minister, Staatssekretäre, Gouverneure wichtiger Bergbauprovinzen und Karina Milei – die Schwester des Präsidenten. Auch die CEOs großer Bergbaukonzerne wie Rio Tinto oder Barrick Gold waren vor Ort. Viele von ihnen haben in den letzten Monaten große Investitionen in Argentinien getätigt.
Mit der Einführung des Investitionsprogramms RIGI ist Argentinien im Rohstoffsektor inzwischen ganz vorne dabei. Jakob Stausholm, CEO von Rio Tinto, brachte es auf den Punkt: Im internationalen Vergleich ist China bei Genehmigungsverfahren zwar noch am schnellsten – aber Argentinien liegt inzwischen auf Platz 2. Das ist enorm wichtig.
Wie bekannt ist das Förderprogramm RIGI international? Muss man es noch erklären?
Im Bergbausektor ist RIGI bei allen großen Unternehmen angekommen – sie kommunizieren es inzwischen sogar auf ihren Websites. Wer sich für Kupfer oder Lithium interessiert, kennt das Programm. Auch außerhalb der Branche wird RIGI immer bekannter – gerade auf Konferenzen ist es ein Thema.
Wie wirken sich kontroverse Auftritte des Präsidenten aus – etwa die $Libra-Empfehlung oder seine Reden in Davos? Wird das in Investorengesprächen thematisiert?
Die $Libra-Episode ist kein Thema – dafür sind die meisten nicht tief genug in der Materie. Aber die Auftritte auf der Weltbühne, wie in Davos, bei der UNO oder auf Klimakonferenzen, sorgen durchaus für Gesprächsstoff. Es gibt Bedenken, wie Argentinien sich langfristig positioniert – und ob es ein verlässlicher Partner für Europa bleibt.
Ihr Projekt steht kurz vor dem Abschluss der Probebohrungen. Was passiert danach?
Sobald wir die Ergebnisse haben, suchen wir gezielt nach einem Partner, der uns bei der Machbarkeitsstudie unterstützt und bei ersten Offtake-Vereinbarungen. Unser Ziel ist, bis Ende 2025 den Preliminary Economic Assessment (PEA) vorzulegen – eine Studie, die die Lithium-Vorkommen quantifiziert und den Projektwert auf Basis des aktuellen Lithiumpreises abschätzt. Auf dieser Grundlage bereiten wir dann die nächste Projektphase vor – die Machbarkeitsstudie als Voraussetzung für die Errichtung der Anlage.

Bergbauprojekte haben einen langen Planungshorizont. Wann rechnen Sie mit dem Produktionsstart – vorausgesetzt, die Studien sind positiv?
Unser Ziel ist der Produktionsstart Ende des Jahrzehnts – also 2029 oder 2030. Aktuell läuft alles nach Plan. Wir arbeiten derzeit mit einer lokalen Umweltfirma zusammen, die unsere Bohrungen begleitet und sicherstellt, dass die Umwelt nicht beeinträchtigt wird.
Wie binden Sie die lokale Bevölkerung ein – insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit?
Der Kontakt ist sehr eng. Letzte Woche haben wir erneut ein Informationsgespräch in Form eines Town-Hall-Meetings veranstaltet. Außerdem fand am Wochenende die erste partizipative Probenahme statt: Die Bevölkerung begleitet die Umweltfirma bei der Arbeit – etwa bei der Entnahme von Proben aus Flora und Fauna. So können sich die Menschen selbst davon überzeugen, dass alles ordnungsgemäß abläuft. Diese Transparenz ist uns schon in der Explorationsphase sehr wichtig.
Wasser ist das „Gold“ der Region. Wie stellen Sie sicher, dass es nachhaltig genutzt wird?
Wir haben auf unserem Gelände Wasser in großer Menge und in Trinkwasserqualität gefunden. Beim Abpumpen floss es konstant nach – ohne sichtbaren Rückgang. Dennoch sind wir noch nicht an dem Punkt, an dem wir den Grundwasserhaushalt vollständig bewerten können. Diese Studie ist Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Abbauphase – eine Voraussetzung der zuständigen Behörden. Dort wird festgelegt, wie viel Wasser wir ohne Beeinträchtigung der umliegenden Gebiete entnehmen dürfen. In der Gemeinde gibt es aktuell nur einen Brunnen, aus dem täglich etwa 20 Kubikmeter Wasser entnommen werden. Unsere Entnahmemenge wird höher sein – daher müssen wir genau prüfen, wie die Grundwasserfelder miteinander verbunden sind. Es liegt in unserem ureigenen Interesse, nachhaltig zu wirtschaften – sonst gefährden wir das gesamte Projekt.
Nach drei Jahren Projektarbeit und einem 180-Grad-Wechsel in der argentinischen Wirtschaftspolitik: Wie ist Ihr persönliches Fazit?
Gemischt. Einerseits freue ich mich als Geologe über den Aufschwung im Bergbausektor, über klare wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und das RIGI-Programm. Andererseits sehe ich auch die menschlichen Herausforderungen: Freunde, die unter schwierigen Bedingungen arbeiten, etwa im Gesundheitswesen. Eine Bekannte, Kinderärztin, berichtet von drastischen Einsparungen im Krankenhaus. Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten rasant – vom Busfahrpreis bis zum Einkauf. Die Bevölkerung leidet. Diese gnadenlose „Kettensägen-Mentalität“ der Regierung macht mir Sorgen. Besonders die Einschnitte in Kultur und Forschung stimmen mich nachdenklich.
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