02. 10. 2024

Berlin / München (AT) – Vor knapp einem Jahr landete German Accelerator (GA), der accelerator der deutschen Bundesregierung in Buenos Aires mit einer Mission: in der argentinischen Hauptstadt, die Zentrale für die Internationalisierung deutscher Start-ups in Lateinamerika zu eröffnen. Anders gesagt: von Buenos Aires aus, deutschen Gründern und ihren Unternehmern den Einstieg in Lateinamerika zu erleichtern. Aber auch umgekehrt: argentinische, chilenische, brasilianische und andere Start-ups der Region auf den deutschen Markt zu lotsen. Das Endziel: Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch über Krise, Gründung und Innovation zum Anfassen zwischen Lateinamerika und Deutschland.

Im Rahmen des Argentine & German Start-Up-Day, der heute in der argentinischen Botschaft in Berlin unter Führung von Botschafter Fernando Brun stattfindet, sprach Argentinisches Tageblatt mit Kristin Eckert. Sie ist Managing Director, Latin America von Start 2, dem Unternehmen, das für GA, die Internationalisierung-Strategie weltweit umsetzt. Knapp ein Jahr nach der Landung am Río de la Plata zeigt ihre Bilanz, dass Innovation keine Wissenschaft ist und das geographische Distanz heute kein Hindernis mehr ist, um uns neu zu denken.

Argentinisches Tageblatt: Ein Jahr nach dem Start in Buenos Aires und Lateinamerika, welche Bilanz ziehen Sie?
Kristin Eckert: Extrem positiv. Wir waren überrascht mit welchem Enthusiasmus wir empfangen wurden: Es kommen ständig Ideen zu uns, nicht nur von Gründern, sondern auch von der Corporate-Seite, von Organisationen, und Regierungen und hier sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene. Zusammenfassend: Wir sehen ein großes Potential, um die Plattform von GA sowohl für die Brücke Deutschland – Argentinien als auch für ganz Lateinamerika zu nutzen.

Wie viele Start-ups konnte GA / Start2 in diesem Jahr zwischen Deutschland und Lateinamerika begleiten?
Wir haben in Deutschland mit 45 Start-ups im letzten Jahr gearbeitet, um sie den verschiedenen Märkten Lateinamerikas vorzustellen und dort zu positionieren; insbesondere in Argentinien, Brasilien, Uruguay und Chile. Davon konnten wir über 30 Start-ups physisch nach Lateinamerika bringen. Im Gegenzug haben wir dieses Jahr fünf Start-ups aus Argentinien nach Deutschland gebracht. In dem Rahmen haben wir auch mehr als zehn Start-up-Nights zwischen Buenos Aires, Santiago und San Pablo organisieren können. Dazu gehören events wie der heutige Start-Up-Day in der argentinischen Botschaft in Berlin. Es ist bezeichnend, dass das Thema Innovation und die Integration der Ökosysteme heute sowohl in Argentinien als auch in Deutschland heute Chefsache ist. Im laufenden Jahr waren etwa auf argentinischer Seite Außenministerin Diana Mondino und Ihr Team immer weider auf unseren events präsent; auf deutscher Seite war es der deutsche Botschafter Dieter Lamlé in Buenos Aires aber auch die Parlamentarische Staatssekretärin Deutschlands, Franziska Brantner.

Kristin Eckert
Kristin Eckert (1.v.l.) auf dem Panel des Germany Latam Meetup in München, Anfang Oktober. (Foto: gentileza, GA / Start2)

Im Fokus des German Accelerator (GA) stehen heute in Lateinamerika die Bereiche ClimateTech und AgTech. Wieviel Sinn macht das in einer Region wie Lateinamerika und wie war das feedback unter den lokalen Start-ups?
Das macht extrem viel Sinn und gerade in beide Richtungen: von Deutschland nach Argentinien und zurück. Das Belegen wieder unsere Zahlen: Wir haben in diesem Jahr ein Netz von rund 100 Mentoren in Lateinamerika zu diesen Themen aufbauen können. Dazu gehören Entrepreneure, Investoren aber auch Regierungs- und Corporate-Vertreter.

Was bringen die lateinamerikanischer in die deutsche Gründerszene?
Das regionale Denken. Also nicht nur einen Markt zu denken. Vom ersten Tag an denken die argentinischen und lateinamerikanischen Gründer, die wir trafen, an Skalierung an Internationalisierung. Hier wir gleich von Anfang global gedacht. Das sind man auch unter den Risikokapital-Gebern (VC) in Argentinien, Chile oder Brasilien: Sie investieren in ganz Lateinamerika; haben damit einen breiteren Fokus. Das macht Sinn, da die einzelnen Märkte kleiner sind oder weniger Start-ups haben als Märkte in Europa. Und was mich vor allem beeindruckt hat ist die Denkweise der lateinamerikanischen Gründer: regional vernetzt nach dem Grundsatz: “scaling accross borders“. Das und das dazu gehörige Innovations-Denken ist etwas, was wir auch hier in Europa immer stärker brauchen werden. Und auch die Offenheit, Kontakte zu teilen und ganz stark auf persönliche Verbindungen zu bauen, auf sie einzugehen und sie zu pflegen. Da kommt die offene Mentalität in Lateinamerika sehr klar hervor: man ist füreinander da.

Welcher Charakterzug lokaler Gründer kommt da am häufigsten zum Vorschein?
Die Flexibilität die lateinamerikanischen Gründer immer wieder zeigen und sozusagen in ihrem DNA haben. Sie wisse sich flexibel an ständig neue Gegebenheiten anzupassen und dafür kreative Lösungen zu finden. Sie scheinen darauf geeicht zu sein, die Herausforderungen, die ein so instabiles Umfeld immer wieder einem vorlegt, immer wieder als Opportunität, als Chance zu sehen. Da geht man mit und merkt dass sie es sich angewöhnt haben, die Situation immer wieder aus einem anderen Blickwinkel heraus zu sehen. “Out-Of-The-Box” aber eben auf einem anderen Niveau und mit einer Geschwindigkeit, die wir hier in Europa nicht haben und auch nicht gewohnt sind. Und hier ist es wo in Lateinamerika vor allem die Unis ganz stark in den Vordergrund treten. Das wird in Europa viel zu häufig unterschätzt.

Inwiefern?
Zum Beispiel, wie viele deep tech -Lösungen von den Unis kommen. Die Herausforderung ist dann die gleiche wie in Deutschland oder Europa: Wie bringt man das auf den Markt; wie vernetzt man die Wissenschaftler mir den Gründern. Doch das sind die gleichen challenges, wie wir sie haben. Und gerade Argentinien ist hier etwa ein tolles Beispiel wenn es um BIotech oder AgTech geht.  Da hat man viele, viele Anknüpfungspunkte. Und da sollten wir aus Deutschland heraus viel mehr darauf eingehen. Nach diesem ersten Jahr können wir absolut sagen: was da vor Ort in Argentinien passiert und wie die lokalen Unis fördern, lässt Deutschland und Argentinien ganza klar auf Augenhöhe. Wir sollten das viel mehr nutzen.

Kristin Eckert, German Accelerator
Die erste Delegation Argentinischer Gründer zusammen mit dem German Accelerator / Start2-Team und Vertretern der argentinischen Botschaft in Deutschland bei einem Besuch in Stuttgart, Anfang Oktober. (Foto: Gentileza GA / Start)

VC-Szene in Deutschland, wie nehmen sie Lateinamerika wahr?
Da sind wir noch in einer frühen Phase der Erkundung. Es gibt ein paar VCs, vor allem Corporate-VCs -wie BASF, Evonik- die Brasilien aktiv sind und dort begonnen haben. Auf der anderen Seite in sehr spezifischen Bereichen wie AgTech oder Climate-Tech Funds schon in die Region, weil es einfach in Lateinamerika eine ganz andere Größenordnung bei der Verwendbarkeit, bei der Skalierbarkeit von AgTech-Lösungen gibt. Trotzdem sind wir immer noch am Anfang. Und gerade deshalb wollen wir hier noch sehr viel mehr Fokus legen. Unser Ziel muss es sein: deutschen Investoren zu helfen, im regionalen Umfeld anzukommen und eine engere Zusammenarbeit zwischen deutschen VCs und den lateinamerikanischen Ökosystem zu schaffen. Das ist auch eines der Bedürfnisse, die wir hautnah in unseren regionalen road shows erleben.

German Accelerator, Buenos Aires, start-up
Kristin Eckert, Líder Global de Desarrollo de Negocios y Líder Estratégica de LatAm en German Accelerator

Was heißt das?
Wir sin im letzten Jahr nicht in der großen Stadt geblieben, sondern haben ganza Argentinien erkundet und kennengelenrt. Und es war auf diesen Terminen bei denen wir uns überzeugen konnten, wie sehr Innovation auch lokal ein Motor ist. Auch hier wieder, die Krise und die Instabilität hat die Argentinier -und das ist etwas, was wir in den anderen Ländern auch sehen kann- dazu gebracht sich immer wieder neu erfinden zu müssen. So waren wir etwa in den Provinzen wie Chubut, Mendoza und Missiones mit eigenen road shows unterwegs. Immer begleitet von unseren lokalen Partnern, wie der Deutsch-Argentinischen Handelskammer (AHK) und den lokalen Universitäten. Und so konnten wir auch in jeder dieser Provinzen mindestes zehn lokale Start-ups kennenlernen, um dann zu sehen, wie wir sie in unseren regionalen und weltweiten Netzwerken unterstützen können. Für dieses Jahr stehen deshalb auch noch road shows in den Provinzen Jujuy und Neuquén auf dem Programm. Sowohl für die deutschen Start-ups aber auch für VCs ist das eine sehr gute Chance hautnah zu erleben mit welcher Leidenschaft aber auch Selbstverständlichkeit lokale und regionalen Gründer unterwegs sind; wie die Gründerkultur sich hier auslebt. Einige unserer deutschen Gründer wollten nach diesen Terminen vor Ort im letzten Jahr da gar nicht mehr zurückfliegen (lacht). Und das ist ja unser Ziel: Brücken zu schlagen und die Menschen zusammenzubringen, die Gründung erst möglich machen.

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