02. 11. 2024

Buenos Aires (AT)Second-Hand-Mode ist heute angesagter denn je – nicht nur wegen der einzigartigen Kleidungsstücke, sondern auch wegen ihres Beitrags zum Umweltschutz. Dieses weltweite Phänomen hat längst auch in Argentinien Fuß gefasst und wird besonders von jungen Menschen, meist Frauen, getragen. Das Argentinische Tageblatt hat sich mit zwei jungen Unternehmerinnen zusammengesetzt, die in diesem Trend eine Chance erkannt haben und mit ihrem Online-Second-Hand-Shop die Modewelt Argentiniens bereichern. Im exklusiven Interview geben Maria Laura (27) und Maria Eugenia (30) einen Einblick in ihre Arbeit, die wachsende Bedeutung dieser Modebranche, und den Fleiß hinter dem Unternehmergeist in Argentinien. 

Schon als kleine Mädchen begeisterten sich die Schwestern María Laura und María Eugenia für Fraeune-Mode in ihrem Heimatdorf San Miguel del Monte, in der Provinz Buenos Aires. Die Gründerinnen des Online-Shops Themariastore erinnern sich lebhaft an die ferias americanas – diese charmanten Second-Hand-Flohmärkte, auf denen die Mittelklasse lange vor dem weltweiten Trend nach modischen Alternativen suchte. Was einst eine praktische Lösung war, ist heute ihre Leidenschaft: Mode mit Geschichte neu zu beleben. Die jungen Frauen suchen unermüdlich im Internet, in Kirchen, bei Organisationen wie Cáritas und in kleinen Läden in ganz Buenos Aires nach den besten Stücken für ihren Shop.

(v.l.n.r) Maria Eugenia und Maria Laura Lagos.

AT: Wie kamt Ihr auf die Idee, einen Second-Hand-Laden zu eröffnen?
MariaStore:
Es begann mit meinem Wunsch, einen Stil zu finden, den wir weder in Vintage-Läden noch in Einkaufszentren entdecken konnten. Bei den üblichen ferias waren die Sachen oft einfach zu teuer. Unser Hobby, auf Flohmärkte zu gehen, spielte dabei auch eine Rolle. Die ersten Second-Hand-Märkte, die in Buenos Aires beliebt wurden, waren große Hallen voller Vintage-Stände – ein regelrechter „Kleider-Dschungel“. So begannen wir herauszufinden, wo wir solche Dinge selbst finden und zu faireren Preisen anbieten könnten. Wir besuchten Märkte, versteckte Second-Hand-Läden, die Ferias Americanas in Kirchen und von Organisationen wie Caritas. Und wir dachten: Warum verkaufen wir nicht auch so? 2018 eröffneten wir dann unser Instagram-Konto und verkauften ein paar Sachen, sogar unsere eigenen Kleidungsstücke. Wir bekamen schnell viele Anfragen. So erkannten wir das Potenzial hinter Second-Hand-Kleidung. Mit steigender Followerzahl merkten wir, dass wir etwas Besonderes brauchten, um uns von anderen zu unterscheiden. Wir investierten mehr in die Fotos und das Design, um professioneller zu wirken. Wir tauschten uns außerdem mit anderen Unternehmerin aus der Modewelt aus und lernten vieles direkt im Arbeitsprozess.

Wann habt ihr gemerkt, dass euer Online-Shop wirklich durchstartet? Welche Art von Kleidung war zu Beginn besonders gefragt?
Die Pandemie brachte einen Boom im E-Commerce, weil niemand mehr in die üblichen Geschäfte, auf Märkte oder in Einkaufszentren gehen konnte. Für uns, wie für viele andere, war das eine wichtige Zeit mit viel Arbeit. Fast täglich versendeten wir Pakete im ganzen Land. Wir orientieren uns stark an Trends aus Europa und den USA: Wir beobachten, was dort angesagt ist, und passen es hier an. Zum Beispiel wurden irgendwann Cowboy-Hüte auf den sozialen Medien extrem beliebt. Zuerst haben wir sie weiterverkauft, aber später fingen wir an, sie selbst herzustellen. Feder für Feder schnitten und klebten wir bis spät in die Nacht und fertigten bis zu 16 Hüte pro Nacht von Hand an.

Die Klamotten die die Schwestern auf @themariastore anbieten sind teils auch vintage Markenklamotten.

Was sind die größten Herausforderungen für Euch als Unternehmerinnen in einem Umfeld wie Argentinien?
Der Umgang mit den Kunden ist eine Herausforderung. Da wir zwei junge Frauen sind, die über soziale Medien ihr Geschäft betreiben, werden wir oft nicht professionell behandelt. Außerdem gibt es in Argentinien eine kulturelle Komponente, da Vintage-Mode hier erst kürzlich angekommen ist. Viele verstehen nicht, was Vintage bedeutet – dass es keine neue, sondern gebrauchte Kleidung ist. Und es gibt auch Menschen, die den Wert, den wir der Kleidung beimessen, nicht verstehen; für uns ist sie etwas ganz Besonderes.

Ihr seid 2018 in die Welt der Second-Hand-Mode eingestiegen. Was hat sich seitdem verändert? Gibt es mehr Konkurrenz?  
Ja und nein. Es gibt zwar viele verschiedene Läden, aber jeder sucht seine eigenen, einzigartigen Stücke aus. Wir haben unter den Unternehmerinnen eine freundliche, unterstützende Atmosphäre aufgebaut, daher spürt man die Konkurrenz nicht so stark. Natürlich wiederholen sich Trends, deshalb legen wir großen Wert auf eine sorgfältige Auswahl, um einen bestimmten Stil für TheMariaStore zu finden. Außerdem wissen viele nicht, wie man erfolgreich verkauft und verhandelt. Wir haben diese Fähigkeiten über die Jahre perfektioniert und sehen das als Grundbaustein für den Erfolg eines Unternehmens.

In einem Wort: Euer Erfolgsrezept ist?
Kundenservice – die Kunden gut behandeln, eine Beziehung aufbauen, damit sie wiederkommen. Wir legen zum Beispiel Sticker, kleine Zeichnungen und Süßigkeiten zu unseren Bestellungen. Klarheit ist wichtig: sowohl im eigenen Stil als auch in der Ausstrahlung des Geschäfts. Etwas Besonderes schaffen, das Aufmerksamkeit erregt, und sich ständig neu erfinden. Und vor allem: Durchhaltevermögen, denn Erfolg im Unternehmertum kommt nicht über Nacht.

Ihr seid beide mehrmals nach Europa und Deutschland gereist: Was ist der Unterschied zwischen dem Secondhand-Kleidermarkt dort und hier?
In Deutschland ist es nach meiner Erfahrung viel günstiger als hier. Es gibt dort ganze Straßen voller Second-Hand-Läden, und was mich besonders überrascht hat: Die Deutschen verhandeln nicht so viel wie wir – sie akzeptieren einfach den Preis, der für ein Kleidungsstück festgelegt ist. Es läuft alles sehr reibungslos, da sich Mode dort ständig verändert und das Konzept von „kaufen, tragen, weiterverkaufen“ tief verankert ist. Die Deutschen sind im Gegensatz zu Argentinien viel vertrauter mit Second-Hand- und Recycling-Kultur. 

Heute betreibt Ihr auch ein Geschäft für vintage Möbel. Wie habt Ihr damit angefangen? Welches der beiden Geschäfte ist für euch rentabler?
Unsere Begeisterung für Möbel begann 2021. Maria mochte die Möbel in unserer Wohnung nicht, also suchte sie online nach günstigen Alternativen. Als sie tolle Stücke zu guten Preisen fand, dachte wir: Warum nicht alles, was wir loswerden wollen, hier anbieten? So begannen wir, unsere Möbel auf Facebook zu verkaufen und investierten den Erlös in die Renovierung. Es startete, wie die Kleidung, aus eigenem Interesse. Dank der Follower unseres Modeladens wussten wir, wie das Geschäft funktioniert, hatten aber dennoch Bedenken, in einen neuen Bereich zu gehen – das Risiko gehört eben dazu. Trotzdem gründeten wir eine neue Seite namens objetosecreto (a.d geheimes Objekt). Möbel haben uns schnell in eine neue Kundengruppe gebracht, mit anderen Altersgruppen und Preisen als bei Kleidung. Während Themariastore viel Arbeit in die Auswahl, Fotografie und Maßangaben der Kleidung erfordert, kann ein einziges Möbelstück so viel einbringen wie zehn Kleidungsstücke. Unsere Möbel verkaufen wir nicht nur weiter, sondern restaurieren, schleifen und bemalen sie auch.

Was sind Eure Pläne für die Zukunft?
Unsere Zukunftsvision ist es, unser Geschäft zu erweitern. Wir planen, unseren Online-Shop in ein physisches Geschäft zu verwandeln, in dem wir Kleidung und Möbel in einem Raum kombinieren, damit die Leute alles vor Ort sehen können. Wir würden gerne ein Geschäft eröffnen, das all unsere Leidenschaften vereint, vielleicht sogar in Kombination mit einem Café oder einer Bar. Allerdings ist es derzeit sehr schwierig, einen festen Raum zu mieten. In naher Zukunft möchten wir mehr eigene Möbel und sogar Schmuck anbieten, um unsere persönliche Note weiterzuführen.

María Laura und María Eugenia, vielen Dank für das Gespräch.

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