Buenos Aires (AT) – Die Verabschiedung des Refompaketes Ley Bases brachte nicht die erhoffte Ruhe. Die Regierungsmannschaft um Präsident Javier Milei sieht sich seit Beginn der Woche im “Nahkampf” mit dem schon fast als Tradition geltenden Disputs zwischen Finanzmarkt und argentinischer Wirtschaftspolitik. Die Marktteilnehmer hatten nach dem endgütligen und positiven Votum im Parlament erwartet, die Regierung würde vor allem neue Signale – im besten Falle einen Zeitplan – zu Fragen bei Devisenkontrollen und neuer Anpassung –Abwertung– des argentinischen Peso (AR$) gegenüber dem US$-Kurs. Wirtschaftsminister Luis Caputo und Zentralbankspräsident Santiago Bausili konzentrierten sich bei der Pressekonferenz am Freitag jedoch darauf, einen ausfürhlichen Fahrplan zur weitern Ordnung der Staatsfinanzen und Haushaltes bis Ende 2024 darzulegen. Die Aufhebung der als “cepo” bekannten Kontrollen, die einen freien Devisen- und Finanzverkehr ermöglichen würden, erklärten sie bis auf weiteres “auf Halde”.
Für viele trader und Investoren war das zu wenig. Es kam zum Wechselkursanstieg sowie dem Abrutsch der im Ausland gehandelten Aktienbeteiligungen. Die Regierung um Milei zeigt sich bisher von den Marktbewegungen und Spekulationen um eine vorzeitiges Ende der stringenten Haushaltspolitik unbeeindruckt. Caputo wertete die Kritik und Kurskorrekturen als “ganz normale Anpassungsmechanismen eines Marktes, der sich in seinen Erwartungen nicht bestätigt sah”.
Hinter den Kulissen zeigen sich dagegen Folgen anderer Art. Unter anderem bei den Privatiserungen, die nach der Annahme der Ley Bases an Fahrt aufnimmt. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Regierung die Geltungsdauer Artikel 51 des DNU 70/2023 – das umfassende Paket zur Deregulierung der Wirtschaft, das Milei zu Beginn seiner Amtszeit eingeführt hatte – und ihn zur Umwandlung staatlicher Betriebe und Unternehmen in Aktiengesellschaften ermächtigt um weitere 180 Tage verlängert. Die Entscheidung wurde am Montag im Boletín Oficial (Anm.d.Red.: das argentinische Amtsblatt) als DNU 553/2024 veröffentlicht.
Was heißt “Staatsunternehmen” in Argentinien
Staatliche Unternehmen gibt es in Argentinien im Wesentlichen in zwei Rechtsformen: Staatsunternehmen und Aktiengesellschaften (Sociedades del Estado und Sociedades Anónimas). Erstere können nur den Staat als einzigen Eigner haben. Bei den Aktiengesellschaften dagegen hält der Staat eine Mehrheitsbeteiligung, kann diese Anteile verkaufen oder dessen Dienstleistungen an private Unternehmen vermitteln. “Wir arbeiten daran, alle Staats-Unternehmen in Aktiengesellschaften umzuwandeln, damit wir so viel wie möglich privatisieren können”, hieß es in diesen Tagen aus der Casa Rosada.
Der Schritt ist notwendig reicht jedoch nicht aus, um eine vollständige oder Teilprivatisierung zu ermöglichen, wie die Zeitung El Cronista berichtete. Dafür muss der Kongress diese als privatisierungspflichtig erklären. Das war der entscheidende Schritt, der sich letzte Woche ergeben hat. Wie berichtet, genehmigte mit der Ley Baes der Kongress die Regierung sechs Unternehmen in private Hände zurückzuführen.
Eine argentinische “Treuhandgesellschaft”
Als Verantwortlicher für den Privatisierungs-Prozess bestellte die Regierung Diego Chaher. Der bisher für Staats-Medien Verantwortliche Chaher ist der neue “Sekretär für Öffentliche Unternehmen und Gesellschaften“, so seine Stellenbezeichnung im BOE. Chaher wird dem neugeschaffenen “Referat für Unternehmensumsetzung” (im Spanischen: Unidad de Ejecución de Empresas“) vorstehen. Noch ist die Abteilung, die nach den Plänen der Regierung Milei eine ähnliche Rolle wie seinerzeit die deutsche Treunhandgesellschaft ausüben soll, dem Kabinettschef unterstellt. In Kürze dürfte es aber zum Wechsel unter das Dach des Wirtschaftsministerium kommen, erwarten Beobachter.
Die erste “Überführung”
Fast unbemerkt von dem Hin und Her zwischen Markt und Wirtschaftsministerium wurde das Regierungsteam dann am Montag auch erstmals konkret: Mit dem DNU 548/2024 verordnete sie die Umwandlung von der Nachrichtenagentur Télam S.E. in eine Werbeagentur Agencia de Publicidad del Estado S.A.U. (APESAU) an. Die neue Gesellschaft wird zu einer Sociedad Anónima Unipersonal (Anm.d.Red.: Gesellschaft mit Alleinaktionär) umgebaut, bei der der Staat einziger Anteilseigner ist.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Großteil der Unternehmen, die derzeit als staatliche Unternehmen geführt werden, den gleichen Rechtsstatus APESAU erhalten. Im Ley Bases konnte sich die Regierung das Ok des Kongresse zum Verkauf von sechs Unternehmen sichern. Unter ihnen: das Handlingunternehmen Intercargo, das Energiekonsortium Enarsa und auch Yacimientos Carboniferos de Río Turbio, das Betreiberunternehmen von Argentiniens Erdkohle Vorkommen Rio Turbio.
Um weitere “Altlasten” zu veräußern, wird die Regierung allerdings die Zustimmung der Kongresse einholen müssen. Das betrifft heibe Eisen wie die Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas, das Telekommunikationsunternehmen Arsat, den Postdienstleister Correo Argentino und, nicht zu vergessen, den Oil&Gas-Konzern YPF. Alle vier sind heute schon Aktiengesellschaften. Allerdings: “Kein Vermögenswert kann ohne die Zustimmung des Kongresses veräußert werden”, erinnert der Verwaltungsjurist Eduardo Mertehikian. Das Team um Milei hat jedoch angekündigt erst im kommenden Jahr und nach den midterm elections hier einen neuen Anlauf starten zu wollen. Fortsetzung folgt.
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