Buenos Aires – „Wir sind Ökonomie-Fanatiker, und wir sind nicht hier, um Zeit zu verlieren.“
Mit diesem Satz bringt Argentiniens Javier Milei in einem Interview mit dem Sender Radio Mitre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seiner Regierung auf den Punkt. In den vergangenen vier Wochen haben er und sein Team das Tempo deutlich angezogen. Das Ziel: unter Vollgas genügend Schwung aufzunehmen, um im zweiten Jahr seiner noch jungen Präsidentschaft sowohl wirtschaftlich als auch politisch die Grundlagen für nachhaltige Reformen zu schaffen. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie sehr sind die Argentinier bereit, diesen Kurs mitzutragen?
Im ersten Quartal hatte die Regierung vor allem durch politische Eigentore und Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht. Doch dank dreier Schlüsselmomente in den vergangenen sechs Wochen hofft das Team um Milei, die Initiative zurückgewonnen zu haben.
Der erste Meilenstein war der Überbrückungskredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar Ende April. Nur zwei Tage später kündigte Wirtschaftsminister Luis Caputo das Ende der Devisenkontrollen an – ein lange erwarteter, aber riskanter Schritt. Zwar hatte der IWF-Deal die Reserven der argentinischen Zentralbank mit einem Schlag aufgefüllt, und die strikte Sparpolitik der Regierung sorgt seit Anfang 2024 für einen Haushaltsüberschuss. Doch niemand konnte sicher vorhersagen, ob Verbraucher und Unternehmen nach der „Liberalisierung“ des Devisenmarktes den freien Zugang zum US-Dollar nicht nutzen würden, um sich gegen die Schwäche des Peso abzusichern.

Die Lehren der Vergangenheit
Die meisten Argentinier haben seit den 1970er-Jahren mindestens eine Hyperinflation und mehrere Staatspleiten erlebt – der US-Dollar gilt deshalb noch immer als Synonym für Sicherheit, auch in der Ära des „Trump 2.0“. Doch knapp vier Wochen nach dem Ende des „cepo“ (der Devisenbeschränkungen) ist der befürchtete Run auf Wechselstuben und Banken bislang ausgeblieben. Der Wechselkurs bewegt sich stabil innerhalb der von der Regierung festgelegten Bandbreite von 1.000 bis 1.400 Peso pro US-Dollar – alles ohne direkte Intervention der Zentralbank.
Der zweite Schlüsselmoment war der Wahlsieg am 19. Mai in Buenos Aires. Mileis Kandidat, Manuel Adorni, konnte die wichtige Wahl im Rahmen der diesjährigen Kongresswahlen mit überraschenden 30,3 % der Stimmen für sich entscheiden. Adorni, bislang Regierungssprecher, setzte sich gegen die Vertreter der etablierten Parteien PRO und Peronisten durch. Der Sieg gilt als Fingerzeig für den möglichen Ausgang der landesweiten Parlamentswahlen im Oktober. Viele Analysten halten es nun für wahrscheinlich, dass Mileis Partei „La Libertad Avanza“ von einer kleinen Minderheitenfraktion zu einer der stärksten politischen Kräfte im Land aufsteigen könnte.

Die “Reinigungsaktion”
Am 22. Mai folgte schließlich der dritte Impuls: Wirtschaftsminister Luis Caputo stellte einen seit Wochen erwarteten Plan vor, mit dem er Verbraucher und Sparer dazu bewegen will, die in Safes oder Bankschließfächern gehorteten Bargeldreserven – meist in US-Dollar oder Euro – straflos in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Viele internationale Medien sprechen bereits von einer „Reinigungsaktion“ für diese Vermögen. Doch es sind die Argentinier, die am Ende Vertrauen fassen müssen – und genau daran mangelt es in einem Land, das voller groß angekündigter, aber am Ende enttäuschter Erwartungen steckt. Gerade bei den Ersparnissen hört spätestens seit dem Staatsbankrott von 2001 jedes Wunschdenken auf.
Und doch: Seit seinem Amtsantritt Ende 2023 ist Javier Milei mit seinem Team eine der wenigen Regierungen, die trotz Fehltritten und teurem Lehrgeld ihre Ankündigungen tatsächlich umsetzen. Im Unterschied zu „Bro“ Donald Trump hat er mit Wirtschaftsminister Caputo und Deregulierungsminister Federico Sturzenegger zudem zwei ausgewiesene Fachleute an seiner Seite. Elon Musk dürfte neidisch auf ihre Expertise sein. Alle drei verbindet die gleiche Überzeugung: „Wir sind Ökonomie-Fanatiker, und wir sind nicht hier, um Zeit zu verlieren.“ Doch nach der harten Rosskur der vergangenen zwei Jahre bleibt es die Bevölkerung, die dieses Tempo am Ende mittragen muss.
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