27. 04. 2025

Von Julia Wobken (*)

Buenos Aires – Vor einigen Wochen schrieb mir meine Mutter, dass ihr Fleischer an die Theke vom Supermarkt gezogen ist und auch der Bäcker ist schon längst im Markt. Jetzt gibt es wirklich alles dort. In Argentinien ist das anders. Egal ob in einem kleinen Ort oder in einer großen Stadt, eingekauft wird in laufnahen Geschäften. Nur Leute aus den Privatvireteln außerhalb der Stadt besorgen den Großteil ihrer Waren in Großmärkten.

Jede Kategorie ihr Spezialgeschäft: Fleisch beim Metzger, der halbe Kühe geliefert bekommt, Fisch und Meeresfrüchte frisch im Fischgeschäft, Pasta in der Nudelmanufaktur, Käse im Käsegeschäft, Gemüse und Obst im meist von Bolivianern geführten Gemüseladen um die Ecke. In Cordoba habe ich sogar dutzende von Eiergeschäften gesehen, die nur Eier und Hähnchen verkauften. Aber es geht noch weiter. In Buenos Aires gibt es Läden, nur für Knöpfe, Räder oder Regenschirme. In meinem Viertel bietet ein kleiner Laden nur Stoffe an. Ein anderer Wolle. Ein dritter Süßigkeiten. Und im Stadtviertel Once gibt es unzählige Läden, die nur Handyhüllen verkaufen. Dietéticas, das Äquivalent zum Biomarkt, verkaufen Bio-Lebensmittel, Körner, Mehle, Gewürze und Trockenobst, auch unverpackt. Zum Baumarkt fahre ich kaum. Einzelne Schrauben, Nägel oder Ersatzteile bekomme ich im Eisenwarengeschäft um die Ecke.

Pastas
Für die Sonntags-Pasta ist das Tante Emma-Format immer noch die frischeste Variante. (JW)

Mein Einkaufsverhalten hat sich völlig geändert. In Berlin fuhr ich einmal pro Woche mit dem Rad zum Supermarkt. Auf dem Dorf mit dem Auto. Jetzt kann ich jederzeit einkaufen, denn nur am 1. Mai bleiben die Läden geschlossen. Ich kaufe auch frischer. Hochverarbeitete Lebensmittel sind hier teuer, frische Nahrungsmittel jederzeit verfügbar. Sogar nachts, beim 24-Stunden Gemüsehändler, obwohl man munkelt, dass sie auch eine andere Art von Grünzeug verkaufen.

Verdulería
Nicht alles muß Supermarkt oder shopping mall sein: Gemüse- oder Obstladen für jede Tages- und Nachtzeit. (Foto: JW)

Manchmal bekommt man Sachen sogar in kleinsten Mengen: In unabhängigen Apotheken gibt es einzelne Kopfschmerztabletten. Wer weiter weg vom Zentrum wohnt, kann sich auf seinen Kiosk verlassen: Der bietet grammweise Reibekäse, kleine Päckchen Shampoo, Mehl, Mate, Salz, oder sonstige Kleinigkeiten.

Caramelos
Süßwaren für den Einkauf “engross”. (Foto: JW)

Natürlich gibt es trotzdem Supermärkte, große Ketten und die Chinos, aber zu beiden gehe ich nur noch, wenn ich Milch oder Erfrischungsgetränke brauche – oder Klopapier. Wobei es selbst dafür ein Spezialgeschäft gibt.

Klar kostet es Zeit, aber es ist toll den “eigenen” Obstladen, einen Lieblingspastaladen oder einen kleinen Biomarkt zu haben. Es ist irgendwie menschlicher. Und wenn ich nach Deutschland fahre und dort in den Supermarkt gehe, fehlen sie mir.

(*) Julia Wobken reiste mit 19 Jahren zum ersten Mal nach Argentinien. Sie lernte Spanisch in Tucumán und arbeitete ehrenamtlich bei der Fundación León. Danach studierte sie in Buenos Aires, wo sie seit neun Jahren lebt, arbeitet und schreibt. In ihrer Kolumne für das Argentinische Tageblatt teilt sie kleine und große Alltagserfahrungen (und Herausforderungen), die das Leben einer jungen deutschen Einwanderin in diesem schnelllebigen 21. Jahrhundert in Argentinien prägen.

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