24. 06. 2024

Buenos Aires (AT) – Nach seiner jüngsten europäischen Spritztour beginnt für Javier Milei und seiner Regierung ein neues Kapitel. Geht alles nach Plan, stimmt am Donnerstag das Abgeordnetenhaus im Parlament abschließend über das Reformpaket Ley Bases ab. Die Chancen stehen gut, dass es zu einem positiven Votum kommt. Damit könnte die noch junge Regierung Milei nach knapp sechs Monaten ihren ersten großen Erfolg erzielen. Doch der Schritt bringt das Team um Globetrotter Milei auch in Bringschuld.

Wie berichtet, besteht die Gesetzesvorlage aus insgesamt 232 Artikeln, die einer Neuordnung der argentinischen Wirtschaft und Verwaltung gleichkommen. Darunter sind auch weitreichende Vollmachten für den Staatschef, durch die er tief in den Unterbau der argentinischen Wirtschaft eingreifen kann.  

Im Inland, fordern Unternehmen, Verbraucher und Familien immer lauter, dass sich die Opfer der wirtschaftlichen Rosskur, die das Team Milei seiner Bevölkerung abverlangt, in konkrete Vorteile ummünzen lassen. Das heißt: eine spürbare Erholung von Gehältern und Einkommen gegenüber der Inflation; Aktivierung des vor sich hin dümpelnden Geschäftsaufkommens, Ende der Arbeitsplatzeinsparungen; kurz, ein Rückgang der Rezession. Nach Angaben des Statistikamtes Indec belief sich die akkumulierte Inflation seit Anfang des Jahres auf 51,5%, während die Gehälter im Durchschnitt um 47,5% anstiegen.

Kreditinstitute wie der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Weltbank erwarten für 2024 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 3,5%.

Doch auch aus dem Ausland wollen auch immer mehr private und institutionelle Investoren, Anleger sowie Kreditinstitute nun sehen, dass die Regierung die Vollmachten der Ley Bases nicht nur Weise sondern und zielorientiert in den kommenden Wochen und Monaten einzusetzen weiß. „Argentinien ist immer noch zu kompliziert. Wohl sehen viele unsere Kunden die großen Möglichkeiten, die das Land gerade im heutigen geopolitischen Umfeld aufzuweisen hat, doch für viele ist es immer noch zu mühsam und schwer zu verstehen“, erklärte der Fondsmanager einer europäischen Investmentbank in diesen Tagen im Gespräch mit dem Argentinischen Tageblatt.

Das Ende die Devisenbeschränkungen

Der gordische Knoten, der in den nächsten Wochen und Monaten die Blicke von Investoren und Verbrauchern gleichermaßen auf sich richten wird ist das Konstrukt an Devisenbeschränkungen mit dem Argentinien seit knapp zehn Jahren an einem Staatsbankrott -den vierten in Folge- immer wieder vorbeisteuern konnte. Um die stetige Entwertung des argentinischen Peso gegenüber dem US-Dollar sowie den Ausverkauf der Devisenreserven der Zentralbank zu verhindern, haben seit dem Jahr 2011 Regierungen immer wieder den Zugang zum US-Dollar begrenzt sowie seinen Wert künstlich niedrig gehalten. Der Eingriff in den freien Zahlungsverkehr betraf nicht nur Verbraucher, sondern erschwerte die Wertschöpfungskette insgesamt. Das Beispiel: heute etwa dürfen Verbraucher in Argentinien nicht mehr als US$ 200 zum Wechselkurs der Zentralbank monatlich tauschen. Unternehmen wie Private suchen deshalb bei anderen Anbietern oder auch direkt auf dem Schwarzmarkt nach den begehrten Devisen. Zum Vergleich: für einen US-Dollar zahlt der Markt heute offiziell 944 argentinische Peso (AR$). Auf dem Parallemarkt bekommt der Verbraucher für einen greenback dagegen ab AR$ 1300.  

“Heute ist das Verhältnis beim Wechselkurs nicht mehr so gravierend wie unter der Regierung von Cristina (Fernández de Kirchner) im Jahr 2015. Doch er wirkt sich trotzdem weiterhin negativ auf das Aktivitätsniveau aus. Doch seine Aufhebung ist ein komplexer Vorgang und es ist verständlich, dass die Regierung ob der Risiken zögert”, erklärte Andrés Borenstein, Chefvolkswirt bei Econviews, im Interview mit der Zeitung La Nacion. Borenstein erwartet deshalb eine schrittweise Aufhebung der Devisenbeschränkungen, auch in Übereinstimmung mit den Richtlinien, die das IWF in seinem letzten Stabsbericht empfohlen hat.

Eine Frage der Geschwindigkeit

Nach knapp sieben Monaten im Amt gesteht Inländer wie Ausländer Milei und seinem Wirtschaftsminister Luis Caputo zu, seit Ende Dezember klare Erfolge erwirtschaftet zu haben, wie es auch Milei in den letzten Tagen bei seiner Visite in Madrid, Hamburg, Berlin und Prag nicht müde wurde zu beteuern. Darunter sind fünf Haushaltsüberschüsse in Folge, ein für Lateinamerikas drittgrößte Volkswirtschaft beeindruckender Erfolg. Außerdem, die Eindämmung der Inflationskurve. Im Mai kam es auch hier zum fünften Rückgang in Folge.

Doch mit der Verabschiedung des Grundlagengesetzes Ley Bases muß die Regierung liefern. Das Team Milei-Caputo muss das heiße Eisen der Devisenbeschränkungen angehen, um den Wirtschaftsmotor nachhaltig wieder durchstarten zu können, ist die einhellige Meinung. „Mit einem ausgeglichenen Haushalt werden wir keine Arbeitsplätze schaffen, er ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, um einen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen”, erklärte der ehemalige Zentralbankchef Martin Redrado am Sonntag in einem Fernsehinterview. Ähnlich das Urteil von Beratern und Analysten.

“Das Ende der Devisenbeschränkungen ist das wichtigste, was die Regierung in diesem Jahr tun muss, um die Wirtschaftsdynamik wieder hochfahren zu können“, erklärte etwa Gabriel Caamaño, Chef-Analyst bei Consultora Ledesma, einem der führenden Beratungsunternehmen in Buenos Aires. “Das Ende der Rezession wird direkt mit der Erholung der Einkommen der Menschen zusammenhängen, und die wird weder schnell noch homogen sein”, urteilte Osvaldo Del Río, Direktor der Firma Scentia. Dafür wird aber auch das Licht am Ende des Tunnels für viele immer deutlicher. „Wir sehen eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte; sowohl bei Reallöhnen wie bei Wirtschaftsaktivität geben. Auch bei der Kreditvergabe: Mit wettbewerbsfähigen Zinssätzen nimmt sie schon jetzt sowohl bei den privaten Haushalten als auch bei den Unternehmen zu”, erwartet Borenstein.

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